HAYSWORLD Das Kundenmagazin für Deutschland, Österreich und die Schweiz 02/2009

LEIDENSCHAFT

INHALT HAYSWORLD 02/2009 · LEIDENSCHAFT

04 Was ist Leidenschaft? Interview mit Prof. Dr. Jochen Hörisch und Karl Tiedtke 08 Leidenschaft trifft Produktivität Behavioural Branding 12 150 Prozent geben Arbeitswelt 16 Grenzenloses Engagement Ärzte ohne Grenzen 20 Menschen zu helfen ist unbezahlbar Interview mit Dr. Soha Asgari 21 Immer auf der Jagd Sammelleidenschaft 24 Leidenschaft Zug um Zug Porträt Dr. Michael Sauer

08 LEIDENSCHAFT TRIFFT PRODUKTIVITÄT Wie Markenunternehmen die Leidenschaft ihrer Mitarbeiter entfachen.

26 Die perfekte Rolle Theaterleidenschaft 30 Leidenschaft ist ein Antrieb im Gehirn Interview mit Prof. Dr. Dr. Gerald Hüther 31 News & Termine

IMPRESSUM Herausgeber: Hays AG Marketing/Corporate Communications Frank Schabel Willy-Brandt-Platz 1–3 · 68161 Mannheim Auflage: 17.000 Chefredaktion: Alexandra Maier Autoren dieser Ausgabe: Annette Frank, Jan Gelbach, Ina Hönicke, Britta Nonnast, Frank Schabel, Bernd Seidel Gestaltung: srg werbeagentur ag, Mannheim Fotos: Mathias Ernert, Getty Images, srg werbeagentur Druck: Dinner Druck GmbH, Schlehenweg 6, 77963 Schwanau, Ortsteil Allmannsweiler Kontakt: HaysWorld Redaktion Telefon: +49 (0)621 1788-1490 · E-Mail: [email protected] Nachdruck: Für den Nachdruck von Beiträgen – auch auszugsweise – ist die schriftliche Genehmigung der Redaktion erforderlich. Dies gilt auch für die Aufnahme in elektronische Datenbanken und für die Vervielfältigung auf elektronische Datenträger. Copyright © 2009 bei Hays AG Alle Rechte, insbesondere das Recht auf Verbreitung, Nachdruck von Text und Bild, Übersetzung in Fremdsprachen sowie Vervielfältigungen jeder Art durch Fotokopien, Mikrofilm, Funk- und Fernsehsendungen für alle veröffentlichten Beiträge einschließlich Abbildungen vorbehalten.

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21 IMMER AUF DER JAGD Die Sammelleidenschaft weckt den uralten Jagdinstinkt – sie kann jeden treffen: drei Beispiele.

EDITORIAL

„Der richtige Job kann das Leben eines Menschen verändern; der richtige Mensch auf der richtigen Position kann ein Unternehmen verändern.“

LIEBE LESERINNEN UND LESER, der Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein sagte einmal: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Understatement? Sicher! Und doch enthält der Satz eine elementare Wahrheit: Langfristiger Erfolg ist ohne Leidenschaft nicht denkbar. Denn nur, wer richtig für eine Sache brennt, kann seine Potenziale voll entfalten. Das bestätigen auch neueste Erkenntnisse der Hirnforschung. Unser Gehirn, erklärt der Neurobiologe Gerald Hüther im Interview, entwickelt sich so, wie wir es mit Begeisterung nutzen. Die Leidenschaft wirkt dabei wie ein Antrieb in unseren grauen Zellen. Wie ein Brennstoff, der uns befeuert, die Extrameile zu gehen – auch unter widrigen Umständen. Umständen, wie sie den Ärzten ohne Grenzen tagtäglich begegnen (S. 16). Ihre Einsätze sind kurzfristig, schlecht bezahlt und äußerst gefährlich. Trotzdem geht ein Großteil von ihnen mehr als einmal in ein Projekt. Leidenschaftlich sein bedeutet schließlich, eine Entscheidung konsequent und gegen jeden Widerstand zu leben.

Leidenschaft durch Ratio gezügelt werden. Dann wirke sie sich positiv und nachhaltig auf unsere Leistungsfähigkeit aus. Ein Aspekt, der auch in der Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung gewinnt. Gefragt ist, wer seine Expertise mit dem entsprechenden Engagement zu koppeln versteht (S. 12). Wer bereit ist, sich voll und ganz in eine Aufgabe hineinzuknien. Und: Wer sich mit seinem Unternehmen und dessen Services oder Produkten identifiziert. Denn Mitarbeiter sind Markenbotschafter, wie der Artikel „Leidenschaft trifft Produktivität“ erklärt. Und in dieser Rolle entfalten sie eine enorme Strahlkraft auf Kunden und Konsumenten. Deshalb ist auch bei uns die Leidenschaft für die Menschen, denen wir tagtäglich begegnen, fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Denn gerade als Personaldienstleister wissen wir: Der richtige Job kann das Leben eines Menschen verändern; der richtige Mensch auf der richtigen Position kann ein Unternehmen verändern. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre

Dies betonen auch der Philologe Jochen Hörisch und der Business Coach Karl Tiedtke, die den Begriff der Leidenschaft im Interview für uns ausleuchten und dabei auch auf deren dunkle Seiten eingehen (S. 4). Denn Leidenschaft wirkt nicht nur schöpferisch. Sie setzt ebenso negative Kräfte frei. Immer dann, wenn sie sich verselbstständigt und zu blindem Enthusiasmus wird. Deshalb, so der Rat der beiden Experten, müsse die

Klaus Breitschopf Vorstandsvorsitzender der Hays AG

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WAS IST LEIDENSCHAFT? Emotion, Enthusiasmus, blinder Eifer – Leidenschaft hat viele Facetten. Wir beleuchten aus verschiedenen Blickwinkeln, was es mit der Leidenschaft auf sich hat. Dazu stellten wir dem Philologen Prof. Dr. Jochen Hörisch und dem BusinessCoach Karl Tiedtke dieselben Fragen – und erhielten ganz unterschiedliche Antworten.

Herr Prof. Hörisch, Herr Tiedtke, wie definieren Sie Leidenschaft? Prof. Hörisch: Ich antworte als Philologe: Im Englischen wie im Französischen wird das deutsche Wort „Leidenschaft“ mit „passion“ wiedergegeben. Das verweist auf eine tiefe Einsicht, denn „Passion“ hat die gleichen etymologischen Wurzeln wie „passiv“: Wer leidenschaftlich ist, ist passiv, er wird ergriffen, mit ihm geschieht etwas, worüber er nicht Herr ist. Umso aktiver wird der von Leidenschaften Ergriffene. Das kalauerhaft klingende Wort von der Leidenschaft, die Leiden schaff t, ahnt zumindest diesen Zusammenhang zwischen der Hyperaktivität des Leidenschaftlichen und seiner eigentümlichen Passivität. Er würde leiden, wenn er nicht der Leidenschaft nachgäbe, die ihn ergriffen hat. Karl Tiedtke: Leidenschaft ist eine positiv besetzte Triebkraft, also eine Handlungen induzierende Emotion, die aber den Hang zur Übertreibung oder gar von etwas Zerstörerischem bereits mitschwingen lässt. Leidenschaft muss daher tendenziell im Zaum gehalten werden, um wirklich fruchtbar zu sein – zumindest wenn dies nachhaltig sein soll.

Kann man Leidenschaft wecken und, wenn ja, wodurch? Prof. Hörisch: Leidenschaft ist eine Übersprungshandlung im doppelten Sinne. Sie springt erstens von einem zum 04 | HaysWorld 02/2009

anderen; und sie überspringt Kontrollinstanzen und reflexive Kontinuitäten. Wecken lässt sich Leidenschaft – häufig muss man hinzufügen: leider – sehr leicht: indem man jemanden mit leidenschaftlich Infizierten umgibt. Ein naheliegendes Beispiel: Auch wenn man, wie ich, Fußball für blanken Unsinn hält – versuchen Sie mal, cool zu bleiben, wenn der Wahnsinn und die Leidenschaft um Sie herum epidemisch werden. Karl Tiedtke: Leidenschaft kalkuliert nicht, sie plant nicht, sie wägt nicht ab. Sie funktioniert nach dem Alles-odernichts-Prinzip, digital, an/aus. Damit ist sie in ihrer Reinform wohl auch nicht rezeptartig von außen herzustellen. Man kann aber immerhin Räume schaffen, in denen ein spürendes Subjekt im aktiven Tun Lust an einer Sache selbst erleben kann und so zu einer Sinnempfindung bzw. -zuschreibung kommt. Leidenschaft ohne subjektiv starken Sinn ist unvorstellbar.

Wie kommt es, dass sich Menschen auch unter widrigen Umständen mit Leidenschaft für eine Sache engagieren? Prof. Hörisch: Sie tun dies, weil sie Besessene sind. Immer wieder beschreiben sich leidenschaftlich Umgetriebene als Medien, nicht als Subjekte – es sei denn als Subjekte im buchstäblichen Sinne: als Untertanen, als Unterlegene (subjekte). Leidenschaftliche Menschen engagieren sich nicht trotz der widrigen Umstände, die dieses Engagement erschweren,

Der Philologe

Der Business-Coach

Prof. Dr. Jochen Hörisch gehört zu den interessantesten Literatur- und Medienwissenschaftlern Deutschlands. Er lehrt an der Universität Mannheim und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter „Gott, Geld, Medien“ oder sein jüngstes Werk „Der Takt der Neuzeit – Die Schwellenjahre der Geschichte“.

Karl Tiedtke (www.kt-am.de) arbeitet in gemeinsamer Praxis mit seiner Frau Tina Tiedtke-Demmer als Business-Coach in Mannheim. Er ist Mitglied im DBVC (Senior Coach).

sondern wegen der widrigen Umstände. Sie wollen zeigen, dass die Idee, von der sie ergriffen sind, stärker ist als die widrig-bösen Mächte, die der Verwirklichung der Leidenschaft entgegenstehen. Karl Tiedtke: Leidenschaft hat etwas mit Identifikation zu tun. Wenn gilt „Ich bin, was ich da tue“, dann spielen widrige Umstände keine Rolle mehr, dann spielen sogar objektiv lebensbedrohliche Gefahren oft keine Rolle mehr. Man kann sicher nicht ohne Leidenschaft und die korrespondierende Opfer- und Risikobereitschaft erfolgreich eine Revolution vorantreiben. Leidenschaft ist radikal. Es geht nicht um den Gewinn der Sache, es geht ums Prinzip, – um das Richtige, das Erstrebenswerte, das Wahre – es geht um die Sache selbst.

Wer brennt für was und warum? Prof. Hörisch: Diese Frage ist mir zu formelhaft-abstrakt, also zu leidenschaftslos. Karl Tiedtke: Das ist völlig offen, fast beliebig. Leidenschaft hat mit dem subjektiv empfundenen Sinn einer Sache oder einer Handlung zu tun. Alles, was mein Herz erreicht hat und dessen Realisierung subjektiv in Gefahr geraten könnte, wenn ich nicht stetig und intensiv dranbleibe, kann zur Leidenschaft werden. Man kann in diesem Sinne der einen fehlenden Briefmarke nachlaufen, für einen schlanken Geschäftsprozess

kämpfen oder gegen „die Mauer“ anrennen. Für den Betroffenen – für das von einer Idee beseelte Individuum – macht das qualitativ kaum einen Unterschied. Leidenschaft ist in diesem Sinne wertfrei – sie kann oft nicht wirklich von anderen nachvollzogen werden.

Leidenschaft oder nur Strohfeuer, wo liegt die Grenze? Braucht wahre Leidenschaft für eine Sache Kontinuität? Prof. Hörisch: Wer brennt, kann per definitionem nicht cool sein. Ein Satz wie „Ich liebe dich leidenschaftlich – aber nur für die nächsten zehn Minuten“ richtet sich selbst. Leidenschaft will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit. Karl Tiedtke: Natürlich ist Leidenschaft selbst auch ein Phänomen des Reifegrades – so gibt es sicher auch quasipubertäre Auslenkungen. In diesem Fall flacht sie rasch wieder ab. Prinzipiell folgt aus dem oben Gesagten aber, dass man Leidenschaft nicht an- und wieder abschalten kann, sie ist dauerhaft.

Fördert Leidenschaft die Kreativität? Prof. Hörisch: Ja – aber es gilt der alte Satz, dass Inspiration, also die Erfahrung, von einer Passion erhitzt zu werden, auf die Disposition zur Transpiration, also auf souveränes HandHaysWorld 02/2009 | 05

„Leidenschaft ist eine Übersprungshandlung im doppelten Sinne.“ Prof. Dr. Jochen Hörisch

Was ist der Feind jeder Leidenschaft? Prof. Hörisch: Bürokratie, Verfahrensregeln, Abstimmungsgespräche, Hinterzimmer, Diplomatie, Kanzleistil etc. – eben deshalb haben diese unsympathischen Größen auch ein Existenzrecht. Sie ernüchtern. Karl Tiedtke: Langeweile. Und – paradoxerweise – ihre Erfüllung.

Kann Leidenschaft süchtig machen?

werk und die mit ihm verbundenen Anstrengungen, treffen muss. Fast alle genialen Künstler sind auch souveräne Handwerker; sie wissen, wie man mit Öl und Leinwand, mit Metren und Reimen, mit Kontrapunkttechnik und Instrumenten umzugehen hat. Karl Tiedtke: Unbedingt. Zwar verengt sie den Blick oder blendet auch wichtige Aspekte komplett aus, aber in diesem engeren Rahmen wirkt sie höchst inventiv und damit kreativ, wenn sie auf Widerstand stößt.

Wie viel Freiraum braucht Leidenschaft? Prof. Hörisch: Genau so viel, wie man braucht, um sich lustvoll von Freiheit verabschieden zu können. Karl Tiedtke: Leidenschaft holt sich den Freiraum. Sie ist kompromisslos.

Und wie viel Logik? Prof. Hörisch: Nun ändere ich meine bislang romantisch disponierte Argumentation: logische Konsistenzprüfungen tun der Leidenschaft keinen Abbruch, sie bewahren sie vielmehr vor peinlichen Abstürzen. Heiße Leidenschaft wird produktiv, wenn sie durch die Eiseskälte logischen Denkens gegangen ist. Karl Tiedtke: Leidenschaft ist nur logisch im Rahmen ihrer eigenen Prämissen und Bedingungen, inklusive der persönlichen Werte und Normen. Ohne Nachempfindung der affektiven Aufladung durch Leidenschaft – mit ihrer häufig anzutreffenden Überwertigkeit einzelner Aspekte – ist das daraus resultierende Handeln oft nicht nachvollziehbar. 06 | HaysWorld 02/2009

Prof. Hörisch: Leidenschaft kann nicht süchtig machen, sie ist selbst eine Sucht, ein Sog, ein Suchen nach dem ultimativen Ziel oder Kick. Ohne Sucht keine Leidenschaft. Ja, menschliches Leben ist ohne Sucht nicht möglich. Karl Tiedtke: Leidenschaft hat die Tendenz, sich zu verselbstständigen. Das liegt sicher nicht weit entfernt von unserem Suchtverständnis.

Wie sieht die dunkle Seite der Leidenschaft aus? Was, wenn Leidenschaft Leiden schafft? Prof. Hörisch: Die Leidenschaften der einen sind fast immer die Leiden der anderen. Wer leidenschaftlich gerne Motorrad fährt, nimmt billigend in Kauf, dass andere unter dem Lärm leiden, den er erzeugt und genießt. Psychologisch spannender bis abgründig wird es, wenn, was gar nicht so selten geschieht, der Leidenschaftliche selbst unter seiner Passion zu leiden hat, masochistisch wird und sich selbst (andere sowieso) opfert. Karl Tiedtke: Leidenschaft zahlt nahezu jeden Preis. Sie nimmt keine Rücksichten, sie kennt nur Freund oder Feind. Bist du nicht für mich, dann bist du gegen mich. Gelassenheit und ausgewogenes Abwägen sind mit ihr unvereinbar. Unlösbares – Aspekte von Ambiguität und Ambivalenz etwa – auszuhalten, ist für sie nahezu unvorstellbar. Dann wird Leidenschaft zerstörerisch. Widerstand fordert die Leidenschaft zu weiterer Steigerung heraus, sie wird schnell zur launenhaften Diva, wenn sie nicht durchdringt. Dann regrediert ihr Träger leicht auf teils lange zurückliegende, unreifere Stufen der persönlichen Entwicklung. Trotz und Überreaktionen sind die Folge.

Welchen Stellenwert hat Leidenschaft im Arbeitsleben? Prof. Hörisch: Im Arbeitsleben, montags bis freitags von

„Leidenschaft funktioniert nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip.“ Karl Tiedtke

8 bis 17 Uhr, hat Leidenschaft keinen Platz; im Berufsleben durchaus – wenn denn Beruf noch als Berufung verstanden wird. Karl Tiedtke: In der heutigen Zeit wird vernünftigerweise eher von Commitment gesprochen. Häufig sind damit aber leider nur seelenlose Lippenbekenntnisse verbunden. Dennoch: Im Kern entspricht Commitment als affektives, normatives und organisationales „Sich-zu-etwas-Bekennen“ einem um Übertreibungen bereinigten und damit geläuterten Leidenschaftsbegriff.

Ist langfristiger Erfolg ohne Leidenschaft denkbar? Prof. Hörisch: Nein. Welche Faktoren treiben Mitarbeiter generell an? Karl Tiedtke: Unbedingt, denn die Kollateralschäden von ausagierter Leidenschaft sind meist immens. „Blinder Eifer schadet nur“, sagt man nicht ohne Grund. Ohne aufrichtiges Commitment allerdings, auch ohne gefühlte Begeisterung, bleiben die angestrebten Ziele jedoch „blutleer“. Diese Art gezügelter Leidenschaft ist daher wohl unverzichtbar.

Prof. Hörisch: Alle Faktoren, die sich erotisch besetzen lassen. Das kann ein interessantes Portfolio aus Geld, Ruhm, Anerkennung, Spannung, Abwechslung, Narzissmus etc. sein. Ein solches Portfolio braucht aber einen heißen Dauerkern: Leidenschaft. Sonst wird es Deflationen oder Inflationen erleben.

Was treibt erfolgreiche Menschen an?

Karl Tiedtke: Da finden Sie die ganze Maslow-Bedürfnispyramide. Das sprengt hier den Rahmen.

Prof. Hörisch: Ein enthusiastisches Verhältnis zu den Potenzialen, die Leidenschaft zu entbinden versteht. Erfolg ist das Produkt einer heißen Affäre zwischen dem Menschen, der von einer Passion überwältigt wird, und dieser Passion – wenn denn aus dieser Aff äre eine nicht erkaltende Ehe hervorgeht. Karl Tiedtke: Freude, erlebter Sinn des eigenen Schaffens – auch im Kleinen, im Alltäglichen – sowie Kontrolle über das eigene Handeln. Daneben verfügen erfolgreiche Menschen sicher auch über gutes Augenmaß. Das Leben ist durch Widersprüche und Unvereinbares geprägt. Nur wer das aushält und integrieren kann, der kann nachhaltig und ökologisch, also auch für seine Umgebung verträglich, erfolgreich werden. Aber natürlich gibt es auch erfolgreiche Neurotiker, das sind solche Typen, die klanglos und bedeutungslos als „loser“ untergegangen wären, wenn sie nicht doch Erfolg – oder vielleicht eher Glück? – gehabt hätten. Diese Leute, mit einem oft extremen Antrieb, der stark an Leidenschaft erinnert, werden leider gerne als Modell für erfolgreiche Menschen genommen, was ich allerdings für fragwürdig halte. Die solchermaßen Getriebenen, die aber gescheitert sind, tauchen in keiner Titelstory auf.

Wie haben sich die Motivationsanreize im Laufe der Zeit geändert? Prof. Hörisch: Um herauszufinden, welche Motivationsanreize sich geändert haben, genügt ein einfacher Test: Man muss nur darauf achten, welche Begriffe heute eigentümlich anachronistisch klingen. Ehre, Stil, Muße – das dürften heute keine wichtigen Anreize mehr sein. Dabei standen Haltungen, die mit diesen Begriffen gekennzeichnet wurden, in einem reizvollen Verhältnis zur Leidenschaft – sie haben Passionen kultiviert. Karl Tiedtke: Da muss man die Ebenen trennen. Es gibt nach wie vor viele, die arbeiten einzig des Geldes wegen. Das ist durchaus okay. Aber auf zahlreichen Ebenen zeigt sich eine deutliche Tendenz vom Broterwerb (Geldanreize verschiedener Art) hin zu Sinnaspekten (Erfüllung, Zuge hörigkeit, Ethik etc.). So gibt es in meiner Praxis als Coach immer wieder die Beobachtung, dass Leute mit einem Jobwechsel hochzufrieden sind, obwohl ihr Einkommen dort geringer ausfällt und die Inhalte ausgesprochen anspruchsvoll und nicht ohne Stress sind. HaysWorld 02/2009 | 07

LEIDENSCHAFT TRIFFT PRODUKTIVITÄT Leidenschaft entsteht nicht im Kopf. Sie ist ein holistisches Erlebnis, das den ganzen Menschen braucht: Körper, Herz und Verstand. Auf Ganzkörpererlebnisse setzen zunehmend Markenunternehmen, wenn sie die Leidenschaft ihrer Mitarbeiter wecken wollen. Behavioural Branding soll dieses Feuer entfachen.

Von Bernd Seidel Starke Marken sind in turbulenten Zeiten ein Anker für Kunden und Mitarbeiter, wie eine aktuelle Umfrage von TNS Infratest zeigt. „Gerade in Krisenzeiten sehnen sich Verbraucher bei Marken nach langfristigen und stabilen Beziehungen“, erläutert Uwe Braun, Director Brand & Communications bei TNS Infratest. Für die Studie „Building brands in troubled times“ befragten die Forscher insgesamt 5.148 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren in sechs europäischen Ländern. Obwohl fast 40 Prozent angaben, sie hätten heute weniger Geld für den täglichen Bedarf zur Verfügung als noch vor einem Jahr, sind Treiber der Markenbindung auch in der Rezession nicht Sonderangebote und Rabatte, sondern Vertrauen und Qualität. Hochglanzwerbung in Print, TV und Internet alleine ist allerdings nicht ausreichend, um das umsetzen. „Gute Marken versprechen heute nichts, was sie nicht halten können – Fulfilment ist das A und O“, erklärt Manfred Abraham vom Markenberatungsunternehmen Interbrand. Und dazu bräuchten sie motivierte und leidenschaftliche Mitarbeiter. In der Vergangenheit hätten Unternehmen leider verkannt, welche Strahlkraft Mitarbeiter als Markenbotschafter haben – können. Wenig bekannt war, wie eng die Außen- und Innenwelt einer Marke und damit auch deren Darstellung miteinander verknüpft sind. Umdenken ist also angesagt. „Gerade bei bekannten Marken hat man nachgewiesen, dass die Interaktion zwischen Mitarbeitern und Konsumenten wichtiger ist als über Massenmedien verteilte Werbebotschaften“, sagt Abraham weiter.

Mitarbeiter zu Markenbotschaftern qualifizieren „Vergleichsstudien in europäischen Ländern belegen, dass persönliche Interaktion mehr als ein Drittel der Markenstärke prägt“, erklärt Dr. Sven Henkel. Als Projektleiter für Consumer & Brand Research forschen sein Team und er seit über fünf Jahren an der Universität St. Gallen zum Thema Behavioural Branding. Kurz: Wie mache ich aus Mitarbeitern Markenbotschafter? „Es geht darum, das Wissen um die Bedeutung von Marken bei den Mitarbeitern zu festigen und die Werte der eigenen Marke verständlich zu vermitteln“, erläutert Henkel. Für die nötige Praxisnähe des Forschungsprojekts sorgen zehn Kooperationspartner, zu denen Unternehmen wie Lufthansa, BMW, EnBW oder Swisscom gehören. Behavioural Branding baut durch unterschiedliche Aktivitäten Wissen, Zustimmung und Fähigkeiten auf, um möglichst bei allen Mitarbeitern markenadäquates Verhalten zu erreichen. „Auf diese Weise werden Mitarbeiter zu Markenbotschaftern qualifiziert“, so Henkel weiter. Das damit erreichte positive Erleben der Marke und ihres Versprechens stärkt das Image. Mehr noch: „Stolz sein, bei einer Firma zu arbeiten, hat starke Auswirkungen auf das Geschäft“, erklärt Interbrand-Manager Abraham. Die Mitarbeiterfluktuation ist geringer, die Produktivität steigt, weil leidenschaftliche Mitarbeiter mehr verkaufen, und die Empfehlungsrate für die Services und Produkte nimmt zu.

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Noch scheint Behavioural Branding in den Kinderschuhen zu stecken. Laut einer Umfrage von Gallup Consulting fühlen sich 88 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland ihrem Betrieb nicht verbunden. Von Leidenschaft also keine Spur. Weniger dramatisch sind die Ergebnisse einer Umfrage von Interbrand in England: Immerhin 47 Prozent der 2.000 Befragten sind dort stolz auf ihre Firma. 37 Prozent stehen dem Arbeitgeber neutral gegenüber, aber 16 Prozent haben keine gute Meinung von ihrem Brötchengeber.

Image und Unternehmenswirklichkeit müssen übereinstimmen Ralf Tometschek, Kreativstratege bei der Wiener Agentur Identitäter, hält zwar nicht viel von Statistiken, kennt die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit jedoch aus zahlreichen Projekten: „Es hilft nichts, wenn Unternehmen eine äußere Scheinwelt aufbauen und diese mit der Innenwelt nicht zusammenpasst. Boykott und Frustration sind dann programmiert“, sagt er. Vielen Mitarbeitern sei das Markenversprechen unbekannt oder sie verstehen dessen Aussage einfach nicht. „Die Kommunikation ist häufig viel zu abgehoben und verwendet Begriffe, deren Sinn nur eingefleischte Fachleute kennen.“ Es müsse erklärt werden, was wirklich hinter Botschaften wie „Passion“, „Freude“ oder „Frisches Denken“ steckt. Sein Tipp: Einfache Sprache verwenden und herausarbeiten, was die Markenbotschaften für jeden Arbeitsplatz bedeuten. „Die Menschen müssen mit Haut und Haaren erleben, was sie in ihrem persönlichen Umfeld tun können, um das Markenversprechen einzulösen“, so Tometschek. Der Methodenund Tool-Baukasten von Markenbildnern dazu ist riesig: Großveranstaltungen wie Open Space, Outdoor-Workshops, Story Telling, Einzel- und Teamcoaching sowie Rollenspiele. Der richtige Mix zur richtigen Zeit macht’s. Tometscheks kurze Erfolgsformel lautet: „Substanz statt Hochglanz. Unternehmen müssen wegkommen von der Papierkommunikation und dafür dialogische Methoden mit Erlebnischarakter einsetzen.“ Um die Leidenschaft für ihre Marke nach innen zu transportieren, setzen auch die Strategen der BMW Group auf persönliches Erleben. Der Automobilkonzern belegt im Ranking „Best Global Brands“, das jährlich von Interbrand herausgegeben wird, Platz 13. „Rund zwei Drittel unserer Maßnahmen haben Erlebnischarakter“, erklärt Manfred Pernitsch, Leiter Corporate Identity und Brand Academy der BMW Group in München. Jeder neue Mitarbeiter erfährt beispielsweise in Einführungsveranstaltungen, was Markenversprechen bei BMW heißt. Für alle Mitarbeiter steht die ,Brand Academy‘ zur Verfügung, in der in eintägigen Veranstaltungen ein Gefühl und Verständnis für die drei Marken der BMW Group in einer authentischen Umgebung vermittelt werden.

Markengeschulte Mitarbeiter verkaufen besser Entscheidend sei die Erkenntnis, dass Markenwerte je Mitarbeitergruppe differenziert erlebbar kommuniziert würden, so Forscher Henkel. „Ein Entwicklungsingenieur verbindet mit ,Freude‘ etwas anderes als ein Verkäufer, ein Mitarbeiter in der Montage oder auch ein Kunde.“ BMW sei in diesem Punkt Vorreiter: Mitarbeiter erfahren die Vorlieben 10 | HaysWorld 02/2009

LEIDENSCHAFTL Das Web 2.0 mit seinen Tools wie Blogs, Twitter, Facebook oder Xing macht aus Kommunikation Interaktion. Welche Folgen und Chancen das für die Markenbildung hat, erklärt Dr. Willms Buhse, Web-2.0Experte und Gründer der Netzwerkagentur doubleYUU.

ihrer Kunden spielerisch. Angelehnt an die TV-Erfolgsserie CSI Miami entwickelten die Bayern das Spiel CSI Munich. Fahrzeuge werden mit Utensilien wie Golfbag, Kekskrümeln oder Blackberry präpariert. Die Mitarbeiter sammeln Indizien, erstellen dann – wie die Fahnder in der Krimiserie – Profile möglicher Fahrertypen und erfahren, wie deren Bedürfnisse zu erfüllen sind. Die Aktivitäten zahlen sich aus, wie BMWManager Pernitsch erklärt: „Wir haben signifikante Verbesserungen bei der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Die Verkaufsabschlüsse geschulter Mitarbeiter sind höher als die der Vergleichsgruppen ohne entsprechendes Training.“ Ein Unternehmen, das die Begeisterung seiner Mitarbeiter als hohes Gut ansieht, ist Google. Im Interbrand-MarkenRanking stieg der Konzern von Platz 20 im Jahr 2007 im vergangenen Jahr auf den zehnten Platz. „20 Prozent meiner Arbeitszeit kann ich für eigene Projekte verwenden“, erklärt Marcus K. (Name der Redaktion bekannt), Entwickler bei Google in der Bay Area bei San Francisco. Freiheit und unternehmerisches Denken sind bei Google Programm: Ein Fünftel ihrer Arbeitszeit können und sollen Programmierer an eigenen Projekten arbeiten. Aus solchen Nebenprojekten sind unter anderem der Nachrichtendienst Google News, Google Mail und das Anzeigensystem Adsense entstanden.

LICH ZWITSCHERN Wie weckt das Mitmach-Web die Leidenschaft von Mitarbeitern? „Partizipation“ heißt die Zauberformel. Mitarbeiter werden sichtbar, sie zeigen sich, übernehmen mehr Verantwortung und gestalten Produkte, ihren Arbeitsplatz und ihr Unternehmen dadurch aktiv mit. Sie werden zum Unternehmer, und das motiviert und weckt ihre Leidenschaft, sich stärker einzubringen. Auch Kunden kommunizieren im Web 2.0 untereinander. Das ist Empfehlungsmarketing. Sie diskutieren die Qualität von Produkten öffentlich und damit sehr viel authentischer.

Der Markt macht künftig die Marke und beurteilt sehr offen, ob das Unternehmen seine Versprechen einlöst.

mit ihrer Kompetenz strahlen, dann strahlt auch das Unternehmen.

Haben Unternehmen überhaupt eine andere Wahl? Das erfordert neue Managementqualitäten … In der Tat. Manager müssen sich überlegen, wie sie diese neue Offenheit steuern wollen. Die Kunst besteht darin loszulassen. Ich verstehe das als Aufruf an Manager, darauf zu vertrauen, dass Mitarbeiter schon das Richtige machen werden. Wenn die Mitarbeiter

So stark wie die Googler identifiziert sich kaum jemand mit seinem Job. Fahrdienst am Morgen, super Essen – alles Bioprodukte –, Sport- und Freizeitangebote ohne Ende, Wäschereiservice, Massagen während der Arbeitszeit, Chill-Rooms, Begegnungsstätten. Die Liste der Incentives, die Motivation und Leistungsbereitschaft fördern, ist lang und effektiv. „Zehn bis zwölf Arbeitsstunden pro Tag sind normal“, erklärt Marcus K. Und: Die Leidenschaft der Mitarbeiter wirkt: Topprodukte, immer kreative, neue Ideen. So bedrängt man Microsoft und wird mit seinen Google-Apps, die als Software as a Service angeboten werden, als Herausforderer von SAP gehandelt.

Starke Mitarbeiter wollen zu starken Marken Die Strahlkraft der Markenführer ist auch Lockstoff für potente Bewerber. Bei Google waren es im Jahr 2007 weltweit 1,7 Millionen Anfragen. Angesichts solcher Zahlen wird es immer wichtiger, Mitarbeiter bereits im Vorfeld so auszuwählen, dass sie zur eigenen Marke passen. „Die Mitarbeiter, die zu uns kommen, müssen hinter der Marke Nike stehen“, erklärt dazu Andrea Bily, Personalerin bei Nike Deutschland.

Ehrlich gesagt, nein! Selbst wenn der Zugang zum Web 2.0 vom Arbeitsplatz aus versagt wird, kann man es heute nicht verhindern, da die Plattformen auch privat genutzt werden. Junge Mitarbeiter fordern von ihrem Arbeitgeber, diese Tools nutzen zu dürfen. Sie sind damit aufgewachsen und wollen am Arbeitsplatz nicht darauf verzichten.

In Interviews findet sie heraus, ob das auch der Fall ist. „Es reicht nicht, wenn man beim Vorstellungsgespräch von oben bis unten Nike-Klamotten trägt.“ Bewerber müssten ihr vor allem erklären können, was Nike von anderen Marken unterscheidet und wie viel Leidenschaft sie Nike entgegenbringen. Auch die Münchner Autobauer haben im Bewerbungsprozess spezielle Fragen, die auf Markenbotschaften eingehen und anhand derer sich feststellen lässt, ob ein Kandidat die nötigen Voraussetzungen mitbringt. „Diese Kriterien allein entscheiden allerdings nicht über eine Ab- oder Zusage“, wie BMW-Mann Pernitsch erklärt. Letztlich müsse das Gesamtprofil passen. Identitäter Tometschek sieht beim Recruiting-Prozess eine klare Wechselwirkung: Starke Marken ziehen hervorragende Mitarbeiter an, und starke Mitarbeiter wollen zu starken Marken. Er warnt jedoch davor, durch Behavioural Branding eine Art „Gehirnwäsche“ oder Markenarroganz zu installieren. Das könne Kunden sogar abstoßen. „Es braucht ein gesundes Potenzial an Selbstkritik und Kritikfähigkeit“, erklärt er. „Unternehmen leben bei aller Markentreue auch von der Vielfalt ihrer Mitarbeiter.“ HaysWorld 02/2009 | 11

150 PROZEN In der Arbeitswelt reicht Fachwissen allein nicht mehr aus. Gefragt ist, wer sein Know-how mit Leidenschaft für seine Aufgaben zu koppeln versteht und bereit ist, die Extrameile zu gehen.

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NT GEBEN

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Von Ina Hönicke Schon Johann Wolfgang von Goethe wusste: „Das Äußerste liegt der Leidenschaft zu allernächst.“ Ein schönes Beispiel dafür ist Coco Chanel, die sich auf außergewöhnliche Weise vom Waisenkind zur legendären Modeschöpferin entwickelte. Ihre Leidenschaft war es, die sie zum zeitlosen Symbol für Erfolg, Freiheit und Stil machte. Anders gesagt: Ohne Leidenschaft gibt es keine Genialität. Herausragende wissenschaftliche, künstlerische oder sportliche Erfolge wären ohne Hingabe und Begeisterung ebenso wenig möglich wie viele berufliche Höchstleistungen. Arbeiten aus Leidenschaft gewinnt deshalb auch für Personalverantwortliche bei der Wahl von Mitarbeitern zunehmend an Bedeutung. Denn die Anforderungen ändern sich ständig. „Bei IT-Spezialisten beispielsweise ist mal der Ingenieur gefragt, der am Reißbrett kreativ seine Ideen entwickelt,

ander kommunizieren. Eilers: „Hier brauchen wir Profis, die bereit sind und Spaß daran haben, sich in diese detailreichen Entwicklungen hineinzuarbeiten.“ Die Identifizierung mit der Tätigkeit sei sowohl für die Forschungsthemen als auch für die angewandten Forschungsthemen sowie für die Entwicklung neuer Technologien vonnöten. Die Fraunhofer-Institute bemühen sich nicht umsonst die „Besten der Besten“ zu rekrutieren. Laut Eilers wird bereits in den Vorstellungsgesprächen auf die Affinität zum Detail geachtet. Dazu gehöre unter anderem, dass die potenziellen Mitarbeiter Praktikaerfahrung beziehungsweise Tätigkeiten in der Industrie oder in Forschungsabteilungen vorweisen könnten. Der Automotive-Experte: „Es muss erkennbar sein, dass die Kandidaten bereits während der Weiterbildung ins Detail gegangen sind. Das zeigt uns, ob der potenzielle Kollege den Job sozusagen nur ausüben will oder ob er mit Begeisterung an die Sache herangeht.“

„Welchen Mehrwert bringt meine Arbeit für das Projekt?“ Sebastian Rahm, Recruiting Manager

mal derjenige, der diese Ideen auch verkaufen und umsetzen kann“, erklärt Sebastian Rahm, Recruiting Manager bei Hays. Den größten Erfolg hätten indes diejenigen, die unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit diese mit Leidenschaft ausüben. „Entscheidend bei der Auswahl von Freiberuflern ist deshalb nicht nur deren ausgezeichnetes fachliches Know-how, sondern auch, dass sie Begeisterung für Menschen, Spaß an den Aufgaben, eine hohe Sozialkompetenz und Neugierde auf das nächste Projekt mitbringen.“ Leidenschaft heißt für Rahm, sich nicht nur 100-, sondern 150-prozentig in eine Aufgabe hineinzuknien, sie aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten und entsprechend zu handeln. Rahm: „Bei den technischen Entwicklungen bedeutet das, alle möglichen Konsequenzen zu bedenken und zu überlegen, welchen Mehrwert meine Arbeit bringt – und zwar für das Projekt, für meinen Auftraggeber sowie möglicherweise auch für mich und meine berufliche Zukunft. Das alles kann man nur erreichen, wenn man die entsprechende Leidenschaft für das Detail mitbringt.“

Auf die Affinität zum Detail kommt es an „Ohne leidenschaftliche Wissenschaftler würden sich auch die Fraunhofer-Institute mehr als schwertun“, bestätigt Dirk Eilers, Geschäftsfeldleiter Automotive bei der FraunhoferEinrichtung für Systeme der Kommunikationstechnik EKS. Seine Begründung: Da bei den Instituten sehr viel mit angewandter Forschung gearbeitet werde, müssten die Mitarbeiter so veranlagt sein, dass sie nicht nur in einer Theoriewelt unterwegs seien, sondern Entwicklungen auch zur Anwendung brächten. So würden beispielsweise im gesamten Bereich Automotive kleine Steuereinheiten eingebaut, die mitein14 | HaysWorld 02/2009

Thorsten Ganzer, seit 1998 selbstständiger IT-Experte, gehört zu der Spezies, die ihre Projekte mit Spaß und Begeisterung ausführt. „Auch wenn wir nicht die viel zitierten Ärzte aus Leidenschaft sind, so hat diese in unserer Arbeitswelt genauso ihren Platz.“ So würden Software-Experten beispielsweise Oberflächen kreieren, die so konzipiert seien, dass der Anwender sie ansprechend findet. Dazu gehört laut Ganzer auch, die bestmögliche Bedienbarkeit mitsamt der entsprechenden Visualisierung zu gewährleisten. „Um dieses Vorhaben erfolgreich über die Bühne zu bringen, bedarf es jeder Menge Leidenschaft zum Detail.“ Doch die werde auch belohnt, so Ganzer: „In dem Moment, in dem die entsprechende Lösung für den Kunden gefunden wird, fühle ich mich richtig gut.“ Eine große Herausforderung stellt für den IT-Freelancer, der auf Vermittlung von Hays zurzeit bei BASF IT Services tätig ist, sein derzeitiges Software-Projekt dar. Kein Wunder, schließlich gibt es bei diesem Projekt lediglich ein grobes Fachkonzept, wie Ganzer erklärt: „Der Job macht gerade deshalb so viel Spaß, weil keine detaillierte Lösungsvorgabe vorliegt. Auf diese Art und Weise können wir unsere eigenen Ideen einbringen und sie dem Kunden vorschlagen.“ Der Freelancer findet diese Vorgehensweise wesentlich interessanter. „Wenn ich weiß, wie die Lösung aussieht, ist das wie Kuchenbacken nach Rezept.“ Bei dem BASF-Projekt muss eine webbasierte Oberfläche oder Eingabemöglichkeit für den Kunden gestaltet werden, mit der er – im Gegensatz zu früher – die Daten selbst einpflegen kann. Entsprechend nutzerfreundlich müssen die Masken laut Ganzer sein. Der Software-Experte: „Wir knien uns regelrecht in die Denkweise und die Wünsche des Kunden hinein. Für eine kurze Zeit sind wir letztlich der Kunde.“ Dafür braucht es seiner Meinung nach sehr viel Brainstorming, Trial and Error und die Bereitschaft, immer wieder nach noch besseren Möglichkeiten zu

suchen. Für den Freelancer steht fest, dass ein solches Projekt ohne die entsprechende Leidenschaft nicht erfolgreich zum Abschluss gebracht werden kann.

Mit Überzeugungskraft und Fingerspitzengefühl Aus der Überzeugung, dass ihr Engagement für ein Unternehmen sinnvoll ist, entwickelt auch die freiberufliche Managementberaterin Dr. Uta Vogell die Leidenschaft für ihre Arbeit. Zu ihren Aufgaben- und Themengebieten gehört schwerpunktmäßig die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben in Unternehmen. Unter anderem berät sie Kunden bei der Erstellung einer „Gefährdungsbeurteilung“. Für sie ist es entscheidend, Menschen zu erreichen, um sie für die mögliche Gefährdung sowohl ihrer selbst als auch besonders anderer Personen zu sensibilisieren. Vogell: „Ich glaube, dass ich durch meine Beratung einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit am Arbeitsplatz und damit zu einer Erhöhung der Konzentration und Anwesenheitsquote leiste.“ Deshalb bewertet sie, oftmals bis spät in die Nacht hinein, die tagsüber in den Unternehmen beobachteten Abläufe, um eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, mit der sie eine dauerhafte Basis legen kann. Neben ihrem spezifischen Know-how benötigt die Managementberaterin dazu häufig auch Überzeugungskraft und ein entsprechendes Finger-

spitzengefühl. Denn nicht immer stößt sie in ihren Projekten von Anfang an auf Kooperationsbereitschaft. Wie Misstrauen zerstreut und sogar Begeisterung für ein Projekt geweckt wird, erlebte die Beraterin in einem Stahlwerk: „Die Hitze am Arbeitsplatz war ebenso ein Thema wie Notausgänge, schwebende Lasten und Verkehrsregelungen für Fahrräder in unübersichtlichen Ecken.“ Vogell: „Einer der Betriebsleiter, ein hochgeschätzter, erfahrener Mann, stand drei Monate vor seiner Pensionierung. Er war alles andere als glücklich, so kurz ‚vor Toresschluss‘ derart viele, scheinbar überflüssige Fragen zur Sicherheit beantworten zu müssen.“ Vogell versuchte es mit der Überlegung: „Wenn in diesem Kleinlabor ein Brand ausbricht, wie werden die Elektriker in dem Motorraum darunter alarmiert?“ Der Mann stockte und räumte ein, nicht einmal zu wissen, wer jetzt gerade dort unten arbeite. Dies änderte seine Einstellung sofort und gemeinsam suchte das nun zusammengerufene Team unter seiner Anleitung nach technischen und organisatorischen Lösungen. Vogell: „Dass der Funke bei diesem erfahrenen Mann trotz seiner anfänglichen Skepsis gegenüber dieser ‚neuartigen Zeitverschwendung‘ übergesprungen ist, erfüllte mich mit Stolz. Und dass er sich mit diesen Formalismen – und zwar im Detail und mit großer Begeisterung – auseinandersetzte, war ein großer Erfolg.“ Es habe sie sehr berührt, meint Vogell, dass sie ihm helfen konnte, sein Wissen und seine Erfahrung an die nächste Generation weiterzugeben.

Notausgänge, Hitze am Arbeitsplatz, schwebende Lasten und Verkehrsregelungen für Fahrräder in unübersichtlichen Ecken: Themen, für die Dr. Uta Vogell mit Leidenschaft Lösungen sucht.

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Tobias Ballerstedt ist als Troubleshooter in vielen Krisengebieten unterwegs – hier in Uganda 2003.

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GRENZENLOSES ENGAGEMENT Ihre Einsätze sind kurzfristig, schlecht bezahlt und obendrein gefährlich. Dennoch gehen viele Mitarbeiter der internationalen Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mehr als einmal in ein Projekt. Von Britta Nonnast Eigentlich spricht auf den ersten Blick fast alles dagegen, für die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten: Die Einsatzländer kann man sich nicht aussuchen. Innerhalb von 48 Stunden müssen die Hilfskräfte manchmal ihr Bündel schnüren und losziehen. Die zumeist kleinen internationalen Teams werden bunt zusammengewürfelt und nach einer kurzen Einweisung losgeschickt. Und die Aufwandsentschädigung im ersten Jahr von 800 Euro monatlich deckt vielleicht nicht einmal die Miete. Es ist gefährlich, es ist oft heiß und staubig und die Anforderungen sind eigentlich nicht zu bewältigen. Mit der Klinik unter Palmen hat das rein gar nichts zu tun. Aber trotzdem gehen über die Hälfte der Mitarbeiter mehr als einmal in ein Projekt.

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Der Arzt Tankred Stöbe

Der Logistiker Tobias Ballerstedt

Der Arzt

Arbeit ab: „Brückenschläge müssen sein, damit die Menschen in der westlichen Welt von der Ungerechtigkeit in den Krisenregionen erfahren.“

Es ist eben nicht das Geld oder der sichere Arbeitsplatz, was die Mitarbeiter der internationalen Hilfsorganisation immer wieder neu motiviert. „Ich habe mir als junger Arzt die Sinnfrage gestellt und wollte einfach etwas tun, was meinen Idealen entspricht“, sagt der Facharzt für innere Medizin und Vorstandsvorsitzende der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen Tankred Stöbe. Er nutzt seine Überstunden in einem Berliner Krankenhaus zum Beispiel dazu, vier Wochen in Pakistan als medizinischer Koordinator zu arbeiten. In dieser Rolle ist er Ansprechpartner für die Mediziner und verantwortlich für die Behandlungsmöglichkeiten, die Medikamente und die Instrumente. Er stellt Ärzte, Hebammen und Krankenschwestern ein und muss dabei immer das Budget im Auge behalten. Nach seinen Einsätzen arbeitet er wieder als Intensivmediziner im Krankenhaus. Warum er sich so engagiert? „Die humanitäre Arbeit ist so viel elementarer, da wir mit relativ geringen Mitteln einen Teil der großen medizinischen Not nehmen können.“ Die Erkenntnis, dass man auch als einzelner Mitarbeiter extrem viel erreichen kann, gibt dem Arzt eine große Befriedigung: „Mit nur zwei Litern Infusion pro Person retteten wir in einem Choleraprojekt im Südsudan vielen jungen Menschen das Leben.“ Stöbe war in den letzten sieben Jahren unter anderem in Liberia, Indonesien, Nepal und im Südsudan. Die Diskrepanz zwischen der Not dort und dem, was wir hier davon erfahren, lässt ihn seither nicht mehr los. Er lebe in zwei Welten, gibt der Vierzigjährige zu. Die Rückkehr sei nicht immer einfach: „Nach einem einjährigen Einsatz hatte ich Schwierigkeiten, mich wieder in unserer Gesellschaft zurechtzufinden.“ Auch während des Einsatzes geht nicht immer alles glatt. Stöbe geriet in Nepal in ein Netz von bewaffneten Widerstandskämpfern. „Der Anführer wurde krank und brauchte mich als Arzt. Das rettete vielleicht mein Leben.“ Der Gefahren ist er sich voll bewusst. Das hält ihn aber nicht von seiner 18 | HaysWorld 02/2009

Eine der größten Herausforderungen ist seiner Meinung nach, in einer unübersichtlichen Situation wie in Pakistan mit zwei Millionen Flüchtlingen den Überblick zu behalten. „Das geht nur mit einem guten Team, in dem alle Helfer das gleiche Ziel haben.“ Für Stöbe ist die gute Zusammenarbeit ein kleines Wunder, denn die Teambildung geht schnell und niemand kann sich seine Kollegen aussuchen. So schwierig die Einsätze sind, es gibt auch Momente der Entspannung. Mit dabei in Pakistan ist das Buch „Du musst dein Leben ändern“ des Philosophen Peter Sloterdijk. Seit Wochen lag es angelesen auf Stöbes Berliner Nachttisch. Nun möchte er es nach getaner Arbeit, wahrscheinlich im Laternenschein, endlich zu Ende lesen.

Der Logistiker Dass die Projekte nicht nur Stress bedeuten, bestätigt auch Tobias Ballerstedt: „Wir haben durchaus auch Spaß während des Einsatzes. Wir lachen auch viel“, sagt der 36-jährige Politologe, der seit 2003 mehrfach für Ärzte ohne Grenzen als Logistiker im Einsatz war. Er ist für die Materialbeschaffung und die Kommunikationstechnik zuständig. „Ich muss Dinge einfach zum Laufen bringen“, bringt er seinen Job auf den Punkt. Konstruktionen reparieren, manchmal basteln, Löcher stopfen, Transportmittel beschaffen und mit den Behörden kommunizieren. Das gehört alles zu seinen Aufgaben. „In Uganda mussten wir so schnell wie möglich die Wasserversorgung für ein Flüchtlingslager auf die Beine stellen. Es war ein tolles Gefühl, als endlich das Wasser floss“, erzählt er. Mitten im Nichts Wasserrohre zu beschaffen, Wege freizuräumen – für viele Menschen wäre diese Aufgabe ein Graus. Für Ballerstedt ist sie eine Herausforderung:

Die Krankenschwester Elke Felleisen

„Ich schätze an unserer Arbeit besonders, dass keine Routine aufkommt, dass ich jederzeit schnell und flexibel auf die sich immer ändernden Umstände eingehen muss. Diese Art von Troubleshooting entspricht einfach meinem Naturell.“ Ballerstedts Lebensmotto passt dazu: „Es gibt für alles eine Lösung“, ist er überzeugt – und fügt hinzu: „Auch wenn sie nicht ideal ist.“ Jederzeit Kontakt zu Freunden und zur Familie haben zu können, sei das Einzige, was ihm manchmal wirklich fehle, erzählt er. Die Frage nach dem Sinn seiner Arbeit stellt er sich nicht. „Jeder Tag Arbeit in den Krisenregionen ist sinn-

voll“, so Ballerstedt. Deshalb wird er auch wieder in einen Einsatz gehen. Das weiß er genau.

Die Krankenschwester Auch Krankenschwester Elke Felleisen lässt die Arbeit bei Ärzte ohne Grenzen nicht mehr los. Seit fünf Jahren ist die 45-Jährige mit wenigen Pausen im Einsatz. Zuerst als Krankenschwester, dann als medizinische Koordinatorin. Sie beschränkt ihren beruflichen Anspruch aber nicht auf den medizinischen Bereich: „Grundsätzlich sollte jeder seinem Beruf mit Leidenschaft nachgehen.“ Schon vor über 20 Jahren hat sie darauf hingearbeitet, sich in der humanitären Hilfe zu engagieren.

DIE ORGANISATION

1971 gründen überwiegend französische Ärzte, darunter auch der heutige französische Außenminister Bernard Kouchner, in Paris Médecins Sans Frontières. Viele der Gründer waren zuvor in der nigerianischen Provinz Biafra, um während des Sezessionskrieges 1968–1971 medizinische Hilfe zu leisten. Dieser Einsatz wird für viele der Helfer zu einem Schlüsselerlebnis. Sie müssen mit ansehen, wie Zivilisten ermordet werden und Menschen – vor allem viele Kinder – verhungern. Kouchner und die „Biafra-Ärzte“ wollen eine Hilfsorganisation gründen, die politische und religiöse Interessen ignoriert und ausschließlich den Opfern hilft. Médecins Sans Frontières besteht heute aus 19 Ländersektionen, zu denen neben Frankreich und Deutschland zum Beispiel auch Griechenland, die Schweiz, die USA, Großbritannien und Japan gehören. Insgesamt sind rund 2.200 internationale Mitarbeiter in den verschiedenen Sektionen tätig. Sie arbeiten weltweit mit rund 22.000 nationalen Hilfskräften in über 65 Ländern zusammen. Die 1993 gegründete deutsche Sektion Ärzte ohne Grenzen e.V. beispielsweise entsendet pro Jahr zwischen 200 und 250 Mitarbeiter in Hilfsprojekte, darunter hauptsächlich Ärzte, Krankenschwestern, Hebammen, Logistiker und viele andere Experten, zumeist aus dem medizinischen Bereich.

Sie hat Sprachen gelernt und noch ein Studium in Ökotrophologie drangehängt. Was sie dabei fasziniert, drückt sie schlicht so aus: „Im Kongo haben wir bei einer Masernepidemie 90.000 Kinder gegen Masern geimpft.“ Hinzufügen muss man da nichts mehr. Die kleinen Teams könnten viel bewirken, schnell müsse es aber gehen, so Felleisen. „Wenn wir ein Ernährungszentrum eröffnen, ist das ein Wettlauf mit der Zeit. Geht es den unterernährten Kindern besser, ist das ein tolles Erlebnis.“ Auf die Frage nach den eigenen Problemen während des Einsatzes antwortet sie prompt: „Leid habe ich viel gesehen, gelitten habe ich aber nicht.“ Manchmal habe sie nur einen halben Tag pro Woche freigenommen. „Da bin ich schon einmal an meine Grenzen gestoßen.“ Das hindert sie aber nicht an einem nächsten Einsatz. „Wo ich gebraucht werde, gehe ich hin“, sagt sie bestimmt, und man zweifelt keinen Moment an ihren Worten. HaysWorld 02/2009 | 19

MENSCHEN ZU HELFEN IST UNBEZAHLBAR Ohne Leidenschaft wäre der Beruf der Kinderärztin Dr. Soha Asgari wohl nicht zu meistern. Denn ihre Arbeit in der pädiatrischen Onkologie der Universitätskinderklinik Heidelberg erfordert ein hohes Maß an Empathie und Engagement. Im Interview erzählt die Ärztin, deren Stelle von Hays finanziert wird, was sie täglich antreibt und wie sie mit Rückschlägen umgeht.

Was sind Ihre konkreten Ziele in Ihrer Arbeit als Kinderärztin? Eines meiner bedeutendsten Ziele ist es, hervorragende Kenntnisse in der Therapie hämato-onkologischer Erkrankungen zu erwerben. Insbesondere interessieren mich die Methoden zur Anwendung bestmöglicher patientenorientierter Therapieoptionen. Eine besondere Herausforderung dabei besteht darin, medizinischen Therapieerfolg mit erhöhter Lebensqualität für die Patienten zu verbinden. Dies bedeutet, den Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Hochleistungsmedizin auch eine intensive persönliche Betreuung, Sicherheit und Geborgenheit zu bieten und eine enge Partnerschaft mit den Eltern einzugehen. Mich dieser Herausforderung tagtäglich zu stellen und sie bestmöglich zu meistern ist mein Ziel! Abgesehen davon strebe ich die Spezialisierung zur Kinderkrebsärztin an. Ihr Beruf ist herausfordernd. Was motiviert Sie, jeden Tag weiterzumachen? Es macht mir sehr viel Spaß, mich mit Kindern und Jugendlichen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig geben die heutigen Therapiemöglichkeiten den betroffenen Kindern und ihren Eltern eine neue Chance. Mich motivieren die vielen Fälle, den schwierigen und langen Weg der Therapie einer Krebserkrankung erfolgreich und gemeinsam mit den Kindern und Angehörigen zu gehen. Wie gehen Sie persönlich mit Rückschlägen bei Ihren Patienten um? Ein ausgewogenes Verhältnis aus Professionalität und Empathiefähigkeit ist eine wichtige Voraussetzung im Umgang mit lebensbedrohlichen Erkrankungen. Dabei ist es wichtig, auch in kritischen Situationen, Mut und Positives zu vermitteln. Aus der intensiven Betreuung und vielen Gesprächen schöpfen insbesondere die Eltern Kraft. Was interessiert Sie jenseits Ihrer jetzigen Arbeit? Eine weitere Leidenschaft ist die Entwicklungsmedizin. Seit mehreren Jahren arbeite ich regelmäßig in Entwicklungsländern, in denen Armut weit verbreitet ist. Armut verwehrt 20 | HaysWorld 02/2009

vielen den Zugang zur medizinischen Versorgung und Bildung. Zuletzt war ich für einige Wochen in einem Projekt tätig, in dem Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten operiert werden. Neben der postoperativen und basismedizinischen Versorgung gehört unter anderem die Schulung in präventiven Maßnahmen von Patienten und Angehörigen dazu. Können Sie sich langfristig ein Engagement in Ländern vorstellen, die medizinisch nicht so gut versorgt sind wie wir hier in Deutschland? Ich denke, dass weltweit aktives Handeln nötig und auch möglich ist. Gerechtigkeit für alle zu schaffen ist ein unendlicher Prozess. Dennoch ist es möglich, mit Engagement einzelnen Menschen ihre Würde und Lebensfreude zurückzugeben. Dies ist einfach unbezahlbar und ein riesengroßes Geschenk … für alle Beteiligten!

IMMER AUF DER JAGD Fußballbildchen, Briefmarken, Telefonkarten – das Kaleidoskop menschlicher Sammelleidenschaft ist vielfältig. Genau wie ihre Ursachen. HaysWorld zeigt drei Beispiele, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Von Jan Gelbach

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„Es geht mir um das Entdecken von seltenen Exemplaren in perfektem Zustand.“ Dirk Jünger, Tomte-Laerdal-Sammler Es ist grün. Es ist aus Plastik. Die meisten Menschen würden ihm nicht einen Moment ihrer Aufmerksamkeit schenken. Doch Dirk Jünger (42) sucht schon lange genau dieses grüne Spielzeugauto. Angefangen hat seine Sammelleidenschaft in der Kindheit. „Wie viele Jungs hab ich mit Matchbox-Autos gespielt“, erzählt Dirk Jünger. Als er älter wurde, verloren die kleinen Metallautos ihren Reiz nicht. „Aus dem Spielen wurde ein Sammeln. Ich konnte mir so ein Stück Kindheit bewahren. Ich bin über Flohmärkte gezogen, um unversehrte Autos aus britischer Produktion zu finden.“ Herstellungsort und Zustand sind wichtige Kriterien. Begehrt sind unbespielte Exemplare, sogenannte Teppichfahrzeuge. „Im Idealfall sind sie völlig unberührt“, berichtet Jünger, der seine Autos sicher verpackt in Koffern aufbewahrt.

1.000 Autos und eine Frau In Koffern? „Als ich mir endlich alles kaufen konnte, wovon ich als Kind nur träumte, kam plötzlich ein neues Problem auf. Ich wollte mit 1.000 Matchbox-Autos und einer Frau zusammenziehen. Das ging nicht“, gesteht der Matchbox-Fan. Die Liebe zu seiner Frau war stärker. „Ich fing an, mein Sammeln umzustellen. Seither suche ich Vinylautos von „Tomte Laerdal“, die zwischen 1963 und 1978 produziert wurden. Es gibt nur 32 verschiedene Modelle, dadurch nimmt das Sammeln nicht 22 | HaysWorld 02/2009

so viel Raum ein“, erzählt Jünger. „Es geht mir um das Suchen und Entdecken von einzelnen, seltenen Exemplaren in perfektem Zustand. Und das für möglichst wenig Geld. Etwas für viel Geld kaufen kann jeder“, beschreibt Jünger den Antrieb für seine nun langsamer wachsende Plastikautosammlung. GEWINNSPIEL HaysWorld verlost drei Modellautos Er ist schlicht, er ist schön – und er ist auf 1.000 Stück limitiert. Der Bausatz des weiß-blauen Maserati 250F Grand Prix Racer von Schuco ist nicht nur unter Sammlern heiß begehrt. Mit ein bisschen Glück können Sie sich das schmucke Auto bald auf Ihren Schreibtisch stellen. Senden Sie einfach eine E-Mail mit der richtigen Lösung an: [email protected], Stichwort: Sammelleidenschaft. Einsendeschluss ist der 15. Dezember 2009. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von welchem deutschen Dichter stammt das Zitat „Sammler sind glückliche Menschen“? Herzlichen Glückwunsch! Die Gewinner der Verlosung aus der letzten HaysWorld sind Michael Stadel aus Germersheim, Frieder Schuch aus Hamburg und Werner Klaus aus Kiel. Wir gratulieren.

„Wenn es gut war, freue ich mich am jahrelangen Erinnern.“ Michael Spreckelmeyer, Weinsammler

Teure Tropfen In einer völlig anderen Dimension bewegt sich die Sammlung von Michael Spreckelmeyer. Der 39-jährige Unternehmer aus Düsseldorf sammelt besondere Weine. Als die private Leidenschaft vor zehn Jahren zu groß wurde, hat er sie zum Beruf gemacht. Heute führt er das über 1.000 Quadratmeter große Weinkontor „Lust4Wine“. Dort verkauft er edle Tropfen aus aller Welt. Spreckelmeyers Herz hängt an einem besonderen Teil seiner Weinsammlung: „Wir verfügen über die weltgrößte Riesling-Raritäten-Sammlung mit rund 12.500 Flaschen.“ Vor dem Zweiten Weltkrieg war der König der Weißweine das teuerste Rebenerzeugnis, das man kaufen konnte. „Die lagerfähigen Rieslinge, also edelsüße Weine und die trockenen ‚Großen Gewächse‘, werden eine Renaissance feiern. Wer rechtzeitig zuschlägt, kann seine Sammlung als hübsche Wertanlage verstehen“, prophezeit Spreckelmeyer. Highlight bei „Lust4Wine“ ist eine Riesling-Trockenbeerenauslese von Langwerth von Simmern aus dem Jahr 1893. Den Wert beziffert Spreckelmeyer mit rund 20.000 Euro. „Es handelt sich um ein über 100 Jahre altes Lebensmittel, das noch immer genießbar und auch genussfähig ist. Das beeindruckt mich zutiefst“, schwärmt der Weinliebhaber. Über den Füllstand der Flasche und den Zustand des Korkens lässt sich die Qualität des Inhalts abschätzen. Wer aber genau wissen will, was drinsteckt, kommt ums Öffnen nicht herum – das ist das größte Problem von Spreckelmeyers Leidenschaft. Die Flaschen besitzen nur ungeöffnet ihren Wert. „Ab und an gönne ich mir auch den Trinkspaß. Es sind spannende und unvergessliche Momente, wenn ich einen wertvollen Wein mit Freunden öffne.“ Das wird zelebriert. „Alles muss stimmen: die Gläser, die Temperatur, die passenden Speisen. Und wenn es gut war, freue ich mich am jahrelangen Erinnern“, erklärt Spreckelmeyer. „Sammler sind glückliche Menschen“ – das hat schon Johann Wolfgang von Goethe gewusst.

„Nippes is my business“ Franz Rothbrust ist kein Sammler. Der Neustädter bezeichnet sich selbst als „Quengelwarendesigner“, denn seine Erfindungen treiben Eltern an der Supermarktkasse schon mal in die Verzweiflung. Der 60-Jährige entwickelt und designt Überraschungsspielzeug, das sich einer großen Sammelgemeinde erfreut. Schon als Kind hat Rothbrust sich eigene Spielsachen gebaut. Zu seinem Beruf kam der studierte Industriedesigner über einen Job bei Playmobil. „Früher hätte ich allerdings nie geglaubt, dass ich mal beruflich aus ‚Nichts‘ etwas machen würde“, berichtet der Erfinder. Mit diesem „Nichts“ beschreibt er die schwierigen Bedingungen, unter denen er seine Ideen produktionsfähig machen muss. „Da meine Spielzeuge als Überraschungen ausschließlich in Lebensmittelpackungen enthalten sind, müssen sie extreme Anforderungen erfüllen:

Lebensmitteltauglich, platzsparend, passend zum Produkt müssen sie sein und sie dürfen fast nichts kosten.“ Zehn Cent sind die Obergrenze – inklusive Entwicklung, Material, Produktion und Fracht. Eigentlich sind die Spielzeuge für Kinder gedacht. Aber auch Erwachsene sind heiß darauf, und das, obwohl sie nie damit spielen würden. „Das sind die sogenannten heavy user. Die kaufen beispielsweise 20 Packungen Zerealien und beschweren sich beim Hersteller, dass nur acht unterschiedliche Spielzeuge drin waren“, weiß Rothbrust. Die wirklichen Sammler interessiert der Spielwert nicht. „Dafür sind ihnen Dinge wichtig, über die ich mir keine Gedanken mache, wie zum Beispiel Farbabwandlungen in einer Serie“, berichtet Rothbrust und ergänzt: „Mir fehlt da ehrlich gesagt das Verständnis, denn ich entwickle die Dinge zum Spielen!“ HaysWorld 02/2009 | 23

LEIDENSCHAFT ZUG UM ZUG

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Für weitere Informationen: www.sauer-orthopaede.de und www.viasana-speyer.de

Rudern – das ist die Leidenschaft von Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Michael Sauer. Trotz eines schweren Unfalls ließ ihn der Sport niemals los. Als amtierender Weltmeister reiste er im vergangenen Jahr für die deutsche Mannschaft zu den Paralympics in Peking. Von Jan Gelbach „Ich kann mir ein Leben ohne Rudern nicht vorstellen! Es ist meine große Leidenschaft“, betont der heute 51-Jährige. Mit zwölf nahm Dr. Michael Sauer zum ersten Mal ein Ruder in die Hand. Seither hat ihn der Sport nicht mehr losgelassen. „Das Tolle daran ist, dass man ihn bis ins hohe Alter betreiben kann und mitten in der Natur ist. Ich kann wunderbar entspannen. Und wir haben im Verein eine tolle Gemeinschaft“, erklärt Sauer. Mit 14 Jahren begann der gebürtige Wiesbadener Rudern als Leistungssport zu betreiben und wurde bald darauf Badischer Meister im Vierer. Mehrfach stand er in den Finals der Deutschen Jugendmeisterschaften. Doch kurz vor dem Abitur verunglückte Sauer mit seinem Motorrad und erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Der rechte Unterschenkel war nicht mehr zu retten und musste amputiert werden. Eine Sepsis kam hinzu. „Es war ein Kampf um Leben und Tod, ich hatte Glück“, gesteht Sauer. Während der sechs Monate im Krankenhaus verlor er 50 Prozent seines Körpergewichts. Anfangs hatte er nicht einmal die Kraft, alleine das Bett zu verlassen.

Behinderung viel erreichen kann. Ich wollte meinen Patienten ein Beispiel geben.“ Weil Fitness und Einstellung stimmten, schaff te er es direkt in den deutschen Auswahlkader. Daraufhin intensivierte Sauer sein Training. Er quälte sich in bis zu zwölf anderthalbstündigen Einheiten pro Woche. „Da ich immer Sport gemacht habe, war ich schnell in einer erstaunlich guten Verfassung“, erzählt Sauer, für den das Leiden im Training und Wettkampf seine Leidenschaft für den Sport nicht schmälern kann. Im Gegenteil: „Es macht mir großen Spaß, mich bis an die Leistungsgrenze zu belasten. Hinterher genieße ich das Gefühl der Müdigkeit und Entspannung. Wer im Leistungssport Erfolg haben will, muss über die Schmerzgrenze hinausgehen.“ Wenn es hart wird, konzentriert sich Sauer auf andere Dinge. „Ich achte beispielsweise auf den Bootslauf und meine Technik. Das hilft, die Schmerzen auszublenden.“ Auch der Team Spirit hilft, mit den Strapazen fertigzuwerden. „Wir haben alle dasselbe Ziel. Man verschmilzt zu einer Einheit und fühlt genau, was im Boot passiert. Im Training rudern wir daher manchmal mit geschlossenen Augen“, verrät Sauer.

Ein Leben ohne Sport – undenkbar Auch die psychische Belastung war groß. „Ich habe geglaubt, dass ich nie wieder in einem Boot sitzen, geschweige denn einen Wettkampf bestreiten würde“, erinnert sich Sauer. In dieser Zeit half ihm die Unterstützung seiner Kollegen vom Mannheimer Ruderclub 1875. „Die Kameraden waren für mich da, das hat mir viel Kraft gegeben“, erklärt Sauer. Schließlich motivierte ihn auch der Sport selbst. Nach einjährigem Lauftraining mit der Prothese näherte er sich dem Rudern langsam wieder an. Die folgenden drei Jahre unterstützte er seinen Verein als Trainer. Er holte sein Abitur nach und begann wie geplant sein Medizinstudium. „Außerdem hielt ich mich mit Radfahren und Schwimmen fit. Ohne Sport kann ich nicht leben.“ Nur Trainingsanleitungen zu geben, war ihm daher auf Dauer zu wenig. „Die Vereinskollegen haben immer gesagt: ‚Mensch, rudere doch mit!‘ Dann bin ich irgendwann wieder in ein Boot gestiegen – zunächst ohne Prothese, und das ging.“ Es war der Neubeginn seiner Karriere als aktiver Rudersportler. Richtig in Fahrt kam Sauer im Jahr 2006. Er sah im Fernsehen ein Handicap-Rudern und meldete sich am nächsten Tag beim Deutschen Ruderverband. „Eigentlich wollte ich mich nur als Mannschaftsarzt zur Verfügung stellen. Dann hat mich der Verband überredet, am Ausscheidungslehrgang teilzunehmen“, berichtet Sauer. „Es ist für mich eine zusätzliche Motivation gewesen, zu zeigen, dass man auch mit einer

„Wir haben unser Bestes gegeben“ Die Mühen sind belohnt worden. 2007 feierte sein Vierer in München den Weltmeistertitel. Im Jahr darauf kämpfte sich das Team bei den Olympischen Spielen in Peking bis ins Finale. Das Ziel, aufs Treppchen zu fahren, verfehlten sie als Vierte denkbar knapp. Enttäuschung kam dennoch nicht auf: „Wir sind alle Freizeitsportler und üben einen Beruf aus. Die drei Teams auf dem Treppchen waren von ihren Arbeitgebern ein halbes Jahr freigestellt worden und konnten einfach mehr trainieren. Wir haben im Finale unser bestes Rennen gefahren und das Maximum herausgeholt. Das war ein tolles Gefühl.“ Bei den nächsten Sommerspielen 2012 würde Sauer gerne seinen Platz dem Nachwuchs überlassen. Derzeit trainiert er sechs Einheiten pro Woche und fährt für den Mannheimer Ruderclub im Achter – als Einziger mit Handicap. Außerdem leitet der Mediziner zwei Praxen. Und eine Familie gibt es auch noch. „Dauerhaft lässt sich ein Zwölf-Einheiten-Training sicher nicht mit Beruf und Privatleben verbinden. Die Olympiazeit war hart für meine Familie“, gibt Sauer zu. Sohn Johannes (21) und Tochter Elena (18) dürften aber Verständnis für die Leidenschaft des Vaters aufbringen. Schließlich greifen auch sie beide zum Ruder. Johannes rudert mit dem Rhein-Neckar-Achter sogar erfolgreich in der ersten Bundesliga – Sauer hat seine Leidenschaft vererbt!

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DIE PERFEKTE

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Im Theater und beim Film gilt Leidenschaft als der entscheidende Schlüssel zum Erfolg. Aber wenn Schauspieler nach der 50. Vorstellung die Begeisterung für ihre Rolle aufs Neue abrufen sollen oder das Ensemble auf ein neues Stück eingeschworen wird, sind Professionalität, Teamwork und Disziplin gefragt. Das Gleiche gilt auch für den Job.

Von Britta Nonnast

ROLLE

Der US-Filmstar und ehemalige Bühnenschauspieler Robert De Niro ist bekannt dafür, dass er mit Haut und Haaren in seine Charaktere schlüpft und sich exzessiv auf seine Filme vorbereitet. Für die Rolle eines alternden Boxers in dem Film „Wie ein wilder Stier“ nahm De Niro beispielsweise 27 Kilogramm Gewicht zu. Neben einem Oscar als bester Hauptdarsteller bekam De Niro dafür einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde für die größte Gewichtszunahme eines Schauspielers für eine Rolle. Der britische Theaterschauspieler David Raven hat es mit einem ganz anderen Rekord ins Guinness-Buch geschaff t: Exakt 4.575 Mal spielte er die Rolle des Major Metcalf in dem Stück „Die Mausefalle“. Das Bühnenstück von Agatha Christie wird seit 56 Jahren täglich in London gespielt und ist das am längsten ununterbrochen aufgeführte Theaterstück der Welt. Als David Raven nach elf Jahren seine Rolle aufgab, tat er das nicht etwa, weil sie ihm zum Hals heraushing, sondern weil er seiner Ansicht nach für die Rolle schlicht „zu alt geworden“ war.

Die Arbeitswelt als Bühne Zugegeben, beides sind extreme Beispiele. Doch viele Schauspieler stehen täglich im Spannungsfeld zwischen der künstlerischen Leidenschaft für ihre Rolle und der täglichen Routine des Theaters oder von Fernsehproduktionen. Denselben Spagat zwischen Kreativität und Routine gibt es auch im Berufsleben. Kein Wunder, denn es existieren mehr Parallelen zwischen Bühnen- und Arbeitswelt, als man denkt: „Wenn wir eine Rolle als die Erwartungen an eine Position beschreiben, dann müssen wir alle zu jeder Sekunde eine Rolle spielen, ähnlich, wie es der Schauspieler auf der Bühne tut“, sagt Ralf Brinkmann, Professor für Wirtschaftspsychologie an der SRH Hochschule Heidelberg. Als Teilnehmer

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„Dort, wo klare Rollenerwartungen definiert sind, sollte man diese erfüllen.“ Ralf Brinkmann, Professor für Wirtschaftspsychologie an der SRH Hochschule Heidelberg

am Straßenverkehr wird von einem erwartet, dass man die Verkehrsregeln einhält. „Im Berufsleben ist das genauso“, urteilt Brinkmann. „Allerdings sind dort die Rollen durch Anforderungsprofile und Stellenbeschreibungen sehr konkret beschrieben.“ Und so vielfältig, wie die Rollen in einem Theaterstück sind, so gibt es auch die unterschiedlichsten Rollen in Unternehmen. Es gibt Spezialisten, Forscher, Sachbearbeiter, Projektleiter, mittleres Management oder den Vorstand. Es gibt Routineaufgaben oder Herausforderungen. Wenn man also den Gedanken zulässt, dass die Arbeitswelt ein Stück weit eine Bühne ist, auf der wir auftreten, und die Aufgabe des Einzelnen eine Rolle in einem Stück ist, warum sollten wir uns dann von den Theaterprofis nicht auch etwas für den Berufsalltag abschauen können? So ist die tägliche Routine für Schauspielerin Isabelle Barth aus dem Ensemble des Mannheimer Nationaltheaters zum Beispiel kein unlösbares Problem. Sie findet die Abwechslung im Detail: „Kein Abend ist wirklich wie ein anderer. Die Energien im Raum sind immer unterschiedlich zusammengesetzt: ein Blick, eine Bewegung, eine Mimik der Schauspielerkollegen, die Reaktion des Publikums oder eine Nuance in der Stimme. Jeder Abend ist anders.“ 28 | HaysWorld 02/2009

Selektive Authentizität Vielen Menschen ist jedoch schon allein der Gedanke der Selbstinszenierung im Beruf unangenehm, denn sie gilt als ein Zeichen übermäßiger Eitelkeit. „In der Managementliteratur findet sich deshalb häufig der Rat, ‚authentisch‘ zu sein, dann sei man glaubwürdiger“, sagt Arbeitspsychologe Brinkmann. Diese Glaubwürdigkeit hat aber nach Meinung des Experten auch Schattenseiten: „Forschungen zeigen, dass sehr authentische Personen häufig auch weniger berechenbar sind, da sie sich oft diff us verhalten.“ Deshalb rät der Wirtschaftspsychologe zu einer „selektiven Authentizität“. Er empfiehlt: „Dort, wo klare Rollenerwartungen definiert sind, sollte man diese erfüllen.“ Dort aber, wo die Erwartungen nicht bis ins Detail formuliert sind, sollte jeder Mitarbeiter seine eigenen Vorstellungen einbringen und dabei authentisch sein. Auf der Bühne gelten ganz ähnliche Regeln, wie Egill Heiđar Pálsson, Regisseur am Mannheimer Nationaltheater, bestätigt. Für ihn entsteht die besondere Magie des Theaters aus „der Verbindung zwischen Schauspielern auf der Bühne und Zuschauern im Saal“. Doch für den Theaterprofi ist diese

„Persönliche Probleme bleiben vor der Tür.“ Egill Heiđar Pálsson, Regisseur am Mannheimer Nationaltheater

Atmosphäre keine Zauberei, sondern vielmehr zu einem großen Teil das Ergebnis disziplinierter Arbeit. Um ein Stück so auf die Bühne zu bringen, dass der Funke zum Publikum überspringt, bedarf es vieler Proben und einiger klarer Regeln für die Zusammenarbeit im Team. Regel Nummer eins: „Jedes Stück hat seine zentrale Aussage und als Regisseur muss ich das gesamte Ensemble auf diesen gemeinsamen Nenner einschwören. Nur so kann die knisternde Spannung zwischen Zuschauer und Schauspieler im Theater entstehen.“ Regel Nummer zwei: „Die Produktion kann nur erfolgreich sein, wenn im Ensemble absolute Offenheit herrscht. Manipulation oder gar Lügen sind nicht möglich. Arbeitet der Regisseur gegen die Schauspieler, hat er bereits verloren.“ Regel Nummer drei: „Persönliche Probleme bleiben vor der Tür. Auch wenn es unter den Kollegen Dissonanzen gibt, auf der Bühne spielen wir professionell.“ Regel Nummer vier: Flexibilität ist Trumpf. Für ein Stück wird zwischen sechs und acht Wochen geprobt. Manchmal sechs Tage die Woche, mehrere Stunden pro Tag. Feste Arbeitszeiten gibt es nicht. „An manchen Tagen geht überhaupt nichts. Dann wird nicht weiter geprobt, dafür am nächsten Tag aber umso länger gearbeitet“, sagt Pálsson.

Professionalität kommt vor Kreativität Ist der Text gelernt, die Rolle verinnerlicht und jede Bewegung sitzt, heißt es für die Schauspieler, sich routiniert auf die allabendliche Vorstellung vorzubereiten. „Als Schauspieler muss man manchmal das Gehirn ausschalten können, um sich locker zu machen für eine Rolle und den Kopf für die Bühne frei zu bekommen“, beschreibt Isabelle Barth. Dabei ist ihr körperliche Fitness wichtig: „Ich versuche meinen Kreislauf anzuregen, dehne mich, bereite meine Stimme vor. Ich mache etwas, was mein Tempo erhöht.“ Am Ende stehen die volle Konzentration auf die Aufführung und professionelle Schauspielerei. Eine Strategie, die übrigens auch in der Traumfabrik Hollywood geschätzt wird. Denn dass selbst die Filmschauspielerei nicht nur kreative Kür ist, zeigt täglich tausendfach der Arbeitsalltag von Regisseuren und Schauspielern. De Niro bringt es in einem Interview auf den Punkt: „Wir sind Schauspieler, manche sehen sich als Künstler. Ich selbst sehe mich als Handwerker. Jemand, der ordentlich vorbereitet zum Set kommt und das spielt, was von ihm verlangt wird.“ HaysWorld 02/2009 | 29

LEIDENSCHAFT IST EIN ANTRIEB IM GEHIRN Prof. Dr. Dr. Gerald Hüther ist einer der bekanntesten Hirnforscher Deutschlands. Als wir ihm vom Schwerpunktthema unseres Heftes erzählen und ihn fragen, ob er uns ein Interview gibt, lacht er und meint: „Es wäre schön, wenn Leidenschaft endlich in Unternehmen Einzug hielte.“

Herr Prof. Hüther, aus welchem Stoff sind Leidenschaften? Leidenschaft ist eine Energie, ein Antrieb im Gehirn, ein bestimmtes Aktivierungsmuster, das danach drängt, in ein Handlungsmuster umgesetzt zu werden. Dieses Verstärkersystem, das wir als Begeisterung wahrnehmen, koppelt sich zurück. Denn setzt man einen Impuls tatsächlich in eine Handlung um, dann verstärkt dieser Erfolg wiederum das Verstärkersystem. Es ist so eine Art Belohnungssystem im Gehirn, das uns antreibt eine Handlung fortzuführen, solange wir erfolgreich sind. Wenn es richtig gut läuft, erreicht man den Zustand des Flows und der Botenstoff Dopamin wird ausgeschüttet.

nehm oder angenehm. Was uns Kraft gibt und Mut macht, sind die positiven Erfahrungen, die wir im Zustand der Begeisterung gemacht haben. Allerdings können wir nur gute Erfahrungen machen, wenn es vorher schlechte gab, denn wir müssen den Unterschied kennen.

Lassen sich Leidenschaften steuern? Es wäre albern, das zu versuchen. Aber man kann für sich und andere Menschen neue Erfahrungsräume öffnen. Bei manchen Menschen wird daraus eine Haltung. Man erkennt diese Menschen daran, dass sie sich gern von Entdeckungen und von anderen, die etwas entdecken, begeistern lassen.

Was passiert dabei im Gehirn? Bei Dopamin handelt es sich um einen ganz besonderen Stoff. Es ist ein neuroplastischer Botenstoff, der Zellen dazu bringt, neue Verbindungen zu knüpfen. So werden die zur Lösung eines Problems benutzten Netzwerke im Gehirn gewissermaßen gedüngt oder, wie wir Neurowissenschaftler sagen, gebahnt. Wir fangen an zu verstehen, dass sich das Gehirn so entwickelt, wie man es mit Begeisterung benutzt. Als Konsequenz muss sich jeder fragen, wie er es benutzen, wofür er sich begeistern will.

Prof. Dr. Dr. Gerald Hüther Neurobiologe und Hirnforscher

Leidenschaft wirkt sich also auf unser Gehirn und unsere Leistungsfähigkeit aus? Eine Erkenntnis der Hirnforschung besagt, dass Menschen nur dann ihre Potenziale entfalten, wenn Sie Begeisterung mitbringen. Dazu müsste eine Führungskraft ihre Mitarbeiter einladen – noch besser: ermutigen. Und am allerbesten: inspirieren. Was aber bedeutet, dass sie selbst Mut haben muss bzw. inspiriert sein muss.

Inwieweit bestimmen Emotionen unsere Entscheidungen? Wir treffen unsere Entscheidungen nicht auf der Grundlage unseres auswendig gelernten Wissens, sondern aufgrund von Erfahrungen, die wir in ähnlichem Kontext gemacht haben. Deshalb ist im Übrigen die Erfahrung von Unternehmern und Mitarbeitern so wichtig. Erfahrungen bestehen immer aus einem emotionalen und einem kognitiven Anteil, die miteinander verkoppelt sind. Neue Erfahrungen können wir nur machen, wenn etwas unter die Haut geht, egal ob unange30 | HaysWorld 02/2009

Prof. Dr. Dr. Gerald Hüther leitet die Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung der Universitäten Göttingen und Mannheim/ Heidelberg und ist Mitbegründer eines interdisziplinären Netzwerks für Entwicklungs- und Bildungsforschung. Prof. Hüther hat zahlreiche Bücher geschrieben, u. a. „Die Macht der inneren Bilder“ und „Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn“.

NEWS & TERMINE Steigender Marktanteil Personaldienstleister für freiberufliche IT-Experten in Deutschland konnten 2008 trotz der Wirtschaftskrise ihr Wachstum fortsetzen. So steigerten die Top 10 ihren Inlandsumsatz um durchschnittlich 36,8 Prozent. Für 2009 gehen die zehn führenden Anbieter bei einem rückläufigen Gesamtmarkt von steigenden Marktanteilen aus. Das zeigt die Lünendonk®-Marktsegmentstudie 2009 „Der Markt für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung freiberuflicher ITExperten in Deutschland“. Die etwa 72.000 freiberuflichen IT-Experten führten 2008 Aufträge im Wert von schätzungsweise 6,6 Milliarden Euro aus. Die Top 10 der Personaldienstleister erzielten mit diesem Teil ihres Leistungsspektrums einen Marktanteil von mehr als 15 Prozent.

Externe Spezialisten bei Banken gefragt Externe Spezialisten sind in Banken gefragt: Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Hays unter 40 Entscheidern der oberen und mittleren Hierarchieebene aus Banken (73 Prozent) und Finanzdienstleistungsunternehmen. Für zwei Drittel der Befragten gehört der Einsatz externer Spezialisten zu ihrem festen Repertoire. Nur bei neun Prozent ist er noch nicht etabliert. Der Bedarf an Externen wird künftig weiter steigen; nur sieben Prozent der Entscheider sehen keinen Mehrbedarf. Den Einsatzschwerpunkt bildet eindeutig der IT-Bereich (100 Prozent der Befragten). Controlling/ Finance kommt auf 47 und der Vertrieb auf 23 Prozent.

Hays in Russland Mit Hays Russia hat Hays plc eine neue Landesgesellschaft gegründet und das erste Büro in Moskau eröffnet. Die russische Landesgesellschaft Hays Russia wird sich auf die Vermittlung von Spezialisten für Festanstellungen in den Bereichen Accountancy & Finance, Pharma, IT and Telecoms, Engineering, HR, Legal sowie Sales & Marketing fokussieren. Zudem wird Hays Russia in den Feldern Oil & Gas, Banking sowie Construction & Property aktiv werden und im Executive-Bereich Senior Manager sowie Vorstandspositionen vermitteln. Mit der Eröffnung des Moskauer Büros vervollständigt Hays seine Präsenz in den vier BRIC-Staaten.

Potenzial externer IT-Spezialisten noch nicht ausgeschöpft Das Potenzial externer IT-Experten kann besser genutzt werden – so das Ergebnis einer Studie, die Berlecon Research im Auftrag von Hays unter 70 Unternehmen mit mindestens 200 Mitarbeitern durchgeführt hat. Jedes zweite befragte Unternehmen engagiert regelmäßig Exter-

ne und bei jedem vierten sind sie bereits fest in die ITPlanung integriert. Um das Management der Spezialisten zu professionalisieren, setzen Unternehmen feste Regelungen und standardisierte Prozesse um. Allerdings zeigt die Studie, dass noch erhebliche Optimierungspotenziale bestehen, insbesondere beim Know-how-Transfer (59 Prozent) sowie bei der Einarbeitung und Integration der Externen (43 Prozent). Bei der Professionalisierung der SourcingProzesse lassen sich viele Unternehmen von Personaldienstleistern unterstützen.

Nachfrage nach High Potentials steigt Trotz Finanzkrise und rückläufigem Wirtschaftswachstum ist der Bedarf der Unternehmen an qualifizierten Nachwuchstalenten weiter gestiegen. Zudem haben, laut der Kienbaum-Studie „High Potentials 2008/2009“, viele Firmen Schwierigkeiten, die richtigen Topleute zu gewinnen. Während 2007 durchschnittlich 24 Absolventen, davon elf High Potentials, eingestellt wurden, planen Unternehmen in diesem Jahr 35 Absolventen, davon 23 High Potentials, zu rekrutieren. Vor allem Wirtschaftswissenschaftler, Informatiker und Ingenieure sind gefragt. Allerdings können auch 2009 nicht alle vakanten Positionen besetzt werden: Bei 65 Prozent der Befragten kommen bis zu 25 Prozent der Wunschkandidaten nicht an Bord und mehr als ein Viertel können bis zu 50 Prozent der Wunschkandidaten nicht erfolgreich rekrutieren.

LERNEN SIE HAYS BEI FOLGENDEN VERANSTALTUNGEN PERSÖNLICH KENNEN 19. November 2009 VDI nachrichten Recruiting Tag Karrieremesse für Ingenieure MOC, München 3. Dezember 2009 VDI nachrichten Recruiting Tag Karrieremesse für Ingenieure Handelskammer, Hamburg 2.– 6. März 2010 CeBIT Weltgrößte Messe für digitale Lösungen aus der Informations- und Kommunikationstechnik Deutsche Messe, Hannover 19.–23. April 2010 Hannover Messe Führender Marktplatz für wegweisende Technologien, Werkstoffe und Ideen Deutsche Messe, Hannover

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