2006 HCV

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 –...
Author: Joseph Waltz
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I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

3.2

Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV A. MEISTERERNST

© Behr's Verlag, Hamburg

3.2.1

Gegenstand und Anwendungsbereich (Art. 1 HCV)

Die Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, oder wie sie auf Englisch heißen „Health & Nutrition Claims“, hat einschneidende Auswirkungen auf das Recht der Lebensmittelwerbung. Grundsätzlich ist diese Verordnung auch, soweit nicht spezielle Vorschriften der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie oder der Rahmenrichtlinie 2009/39/EG und der aufgrund dieser erlassenen Einzelrichtlinien vorliegen, auf Nahrungsergänzungsmittel und ergänzende bilanzierte Diäten anwendbar. Daraus ergeben sich Beschränkungen, die sich gerade auf diese Produkte massiv auswirken, da sie aufgrund ihrer Zweckbestimmung im besonderen Maße auf die Bewerbung mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben angewiesen sind. Das Regelungssystem für diätetische Lebensmittel wird sich mit Geltung der VO (EU) 609/2013 dramatisch verändern. Diese VO erlaubt nur noch Sonderregeln für Babynahrung, Beikost, Tagesrationen und bilanzierte Diäten. Alle anderen Produkte, z. B. Sportlernahrung, unterliegen dann ohne jede Einschränkung der HCV.

1 subsidiär anwendbar auf NEM und EBD

Die komplexe Regelungsmaterie kann hier nur in den Grundzügen dargestellt werden. Für weitergehende Informationen empfehlen wir den Praxiskommentar Health & Nutrition Claims1 zu Rate zu ziehen. 3.2.1.1

Ziele der HCV

Art. 1 Abs. 1 HCV nennt deren Ziele, nämlich die Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, „um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu bieten“. Dabei gilt die Verordnung gemäß Art. 1 Abs. 2 HCV für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben. Diese Begriffe werden in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4, 5 und 6 HCV definiert.

2 Binnenmarkt und Verbraucherschutz

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Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Meisterernst/Haber, Loseblatt, Behr’s Verlag

Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

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Angaben bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung für Lebensmittel

3 Begriff der Werbung

Die Verordnung soll bei der Kennzeichnung, Aufmachung oder der Werbung für Lebensmittel gelten. Dabei ergibt sich der Begriff der Kennzeichnung aus Art. 1 Abs. 3 RL 2000/13/EG, der Begriff der Aufmachung aus Art. 2 Abs. 3 Buchst. RL 2000/13/EG. Hinsichtlich des Begriffs der Werbung kann auf die Definition in Art. 2 b RL 2006/114/EG2 über irreführende und vergleichende Werbung verwiesen werden. Die Verordnung gilt grundsätzlich auch für Marken (hierzu nachfolgend unter V. mehr). Weiterhin gilt die Verordnung auch für allgemeine Bezeichnungen gemäß Art. 1 Abs. 4 HCV, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft, Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden. Erwägungsgrund 5 nennt hier als Beispiele „Digestiv“ oder „Hustenbonbon“.

4 Pflichtangaben sind nicht erfasst

Die wichtigste Einschränkung des Anwendungsbereichs der HCV findet sich nicht in der Vorschrift des Art. 1 HCV, sondern eher versteckt in der Definition der Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 HCV. Denn die HCV erfasst nur freiwillige Angaben, d. h. Aussagen oder Darstellungen, „die nach dem Gemeinschaftsrecht und den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch“ sind. Von dem Begriff der Angabe werden damit alle Pflichtangaben, egal ob sie auf europäischem Recht3 oder nationalen Vorschriften beruhen, ausgenommen. Soweit nationale Vorschriften nicht der Umsetzung von Gemeinschaftsrechtsakten dienen, ist allerdings jeweils zu hinterfragen, ob die betreffenden Vorschriften mit den Regelungen der Verordnung vereinbar sind. 3.2.1.3

Kommerzielle Mitteilung

Die HCV soll nur für Angaben gelten, die in „kommerziellen Mitteilungen“ erfolgen. Erwägungsgrund 4 nennt als Beispiel kommerzieller Mitteilungen auch allgemeine Werbeaussagen für Lebensmittel und in Werbekampagnen „wie solchen, die ganz oder teilweise von Behörden gefördert werden“. Empfehlungen staatlicher Gesundheitsbehörden sollen aber nicht darunter fallen. 5 positive Definition

2

Positiv kann eine kommerzielle Mitteilung angenommen werden, wenn der Urheber der betreffenden Mitteilung in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Bewerbung von Lebensmitteln ein Lebensmittelunternehmen im Sinne des Art. 3 Ziff. 2 VO (EG) 178/2002 ist. Die dortige Definition umfasst „alle Unternehmen, gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und

2

wortgleich mit der Definition in der RL 84/450/EWG

3

z. B. RL 2000/13/EG

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3.2.1.2

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dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen“. Negativ grenzt Erwägungsgrund 4 den Begriff der kommerziellen Mitteilung durch die Nennung von Beispielen für nichtkommerzielle Mitteilungen ab. Beispielhaft werden hier Ernährungsrichtlinien oder empfehlungen von staatlichen Gesundheitsbehörden und -stellen oder nichtkommerzielle Mitteilungen und Informationen in der Presse und in wissenschaftlichen Veröffentlichungen genannt. Hierunter fallen z. B. Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

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3.2.1.4

6 negative Definition

Abgabe an den Endverbraucher

Die HCV gilt immer dann, wenn die betreffenden Lebensmittel „als solche an Endverbraucher abgegeben werden sollen“. Dabei ergibt sich der Begriff des Endverbrauchers aus Art. 3 Ziff. 18 VO (EG) 178/2002. Fraglich ist dabei, ob die HCV grundsätzlich auch für Angaben gegenüber Fachkreisen wie Ärzten, Apothekern oder Ernährungsberatern gilt.4

7 Endverbraucher

Die betreffenden Lebensmittel müssen zur Abgabe an den Endverbraucher bestimmt sein. Hierzu gehören regelmäßig Lebensmittel in Fertigverpackungen im Sinne des § 6 Abs. 1 EichG. Danach sind Fertigpackungen „Erzeugnisse in Verpackungen beliebiger Art, die in Abwesenheit des Käufers abgepackt und verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann“. Auf nicht vorverpackte Lebensmittel 5 finden bestimmte Kennzeichnungsvorschriften der HCV (Art. 7 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. a und b) keine Anwendung. Insoweit können auch noch einzelstaatliche Bestimmungen gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 3 HCV angewandt werden.

8 Fertigpackungen

3.2.1.5

Traditionelle Bezeichnungen (Art. 1 Abs. 4 HCV)

Die Regelung des Art. 1 Abs. 4 HCV bezieht sich unmittelbar nur darauf, dass Abs. 3 für traditionelle Bezeichnungen nicht anwendbar ist; dementsprechend könnte eine derartige Bezeichnung auch ohne beigefügte zugelassene Angabe verwendet werden. Faktisch ist aber der Ausschluss aus dem Anwendungsbereich der HCV gewollt.6

9 Hustenbonbon

4

siehe hierzu Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr’s Verlag, Loseblatt, Art. 1, Rnr. 64 ff.

5

siehe zu dem Begriff auch Art. 14 RL 2000/13/EG

6

so auch Loosen, ZLR 2006, 521, 528

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3

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Mittlerweile hat die Kommission gem. Art. 1 Abs. 4 Regeln für Anträge auf Verwendung allgemeiner Bezeichnungen gem. VO (EU) Nr. 907/2013 erlassen. Verhältnis zu weiteren Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (Art. 1 Abs. 5 HCV)

10 spezielle Regelungen gehen vor

Die Verordnung gilt „unbeschadet“ der in Buchst. a bis c des Art. 1 Abs. 5 HCV genannten Vorschriften, nämlich der RL 89/398/EWG (mittlerweile ersetzt durch RL 2009/39/EG) und der auf dieser Grundlage erlassenen Richtlinien („diätetische Lebensmittel“), der RL 80/777/EWG („Mineralwasser“), der RL 89/83/EG („Wasser für den menschlichen Gebrauch“) sowie der RL 2002/46/EG („Nahrungsergänzungsmittel“). Mit der Formulierung, dass die Verordnung „unbeschadet“ dieser Bestimmungen gelten soll, meint der europäische Gesetzgeber regelmäßig, dass die Verordnung auf die von den genannten Richtlinien erfassten Produkte grundsätzlich anwendbar ist, soweit dort nicht spezielle Tatbestände geregelt sind.

11 diätetische Zweckbestimmung

Gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. a RL 2009/39/EG müssen Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, sich „aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden“, „sich zugleich für den angegebenen Ernährungszweck eignen“ und „mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind“. Angaben bezüglich des besonderen Ernährungszwecks eines diätetischen Lebensmittels (wie z. B. „für Diabetiker geeignet“) unterliegen daher nicht den Vorschriften der Verordnung.7

12 diätetische Lebensmittel

Zu den aufgrund dieser Rahmen-Richtlinie erlassenen weiteren Richtlinien gehören die Richtlinie über kalorienarme Lebensmittel 96/8/EG, die EG-Säuglingsnahrungs-Richtlinie 2006/141/EG, die Richtlinie über diätetische Lebensmittel für besondere Zwecke 1999/21/EG sowie die EG-Richtlinie über Nährstoffe zur besonderen Ernährung 2001/15/EG. Soweit dort spezielle Regelungen bezüglich der Bewerbung oder Kennzeichnung von diätetischen Lebensmitteln getroffen wurden, gehen sie den Vorschriften der Verordnung vor. Dies gilt insbesondere für die Kennzeichnung als diätetisches Lebensmittel gemäß Art. 2 RL 89/398/EWG sowie die Angaben gemäß Art. 7 Abs. 2 bis 4 RL 89/398/EWG über die Angabe der besonderen nutritiven Eigenschaften des diätetischen Lebensmittels sowie die verschiedenen spezifischen Bestimmungen der auf der Grundlage der Rahmen-Richtlinie erlassenen Einzelrichtlinien. Die Angaben des Anhangs bezüglich nährwertbezogener Angaben und der Bedingun-

7

4

so auch Loosen, ZLR 2006, 521

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3.2.1.6

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gen für ihre Verwendung gelten allerdings auch für diätetische Lebensmittel, weil hierfür spezifische Bestimmungen in den Richtlinien fehlen. Soweit Art. 5 RL 2009/39/EG für den Natriumgehalt sowie die Glutenfreiheit spezielle Vorschriften vorsieht, gehen diese vor.8 Dies ergibt sich auch aus Erwägungsgrund 21. Das Recht der diätetischen Lebensmittel wird durch die VO (EU) 609/2013 völlig neu geregelt. Die Kategorie der diätetischen Lebensmittel wird damit abgeschafft, es werden nur noch drei Gruppen von Speziallebensmitteln eigens geregelt (daher auch die Bezeichnung „SpezialLMVO“), nämlich Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung. Die Kategorie der „ergänzenden bilanzierten Diäten“ ist somit weiterhin vorgesehen, allerdins ist zu befürchten, dass diese einschränkenden Vorschriften unterworfen wird. Die Kommission muss im Rahmen sog. „delegierter Rechtsakte“ besondere Anforderungen an die Zusammensetzung, Verwendung, Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung der im Regelungsbereich der SpezialLMVO verbleibenden Kategorien festlegen. Die SpezialLMVO gilt grundsätzlich ab dem 20. Juni 2016, d. h. ab diesem Zeitpunkt müssen neu produzierte Lebensmittel den neuen Vorschriften entsprechen (d. h. Bestände dürfen abverkauft werden). Erzeugnisse, die bislang als diätetische Lebensmittel vertrieben wurden und nicht mehr den besonderen Rechtsrahmen der Spezial-LMVO unterliegen, müssen sich eine neue „regulatorische Heimat“ suchen. Dieser Effekt ist ausdrücklich erwünscht, die Kommission vertritt hierzu die Auffassung, dass Vorschriften wie die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie, die HCV und die AnreicherungsVO besser geeignet seien, um diese Produkte zu erfassen (siehe Erwägungsgrund 11 der SpezialLMVO).

12a Neuregelung durch SpezialLMVO

Nicht angesprochen ist in Art. 1 Abs. 4 HCV das Verhältnis zwischen den Bestimmungen der Verordnung und weiteren Vorschriften der VO (EG) 178/2002 („Basisverordnung“), der VO (EG) 258/97 sowie der VO (EG) 1829/2003 und VO (EG) 1830/2003 („Rückverfolgbarkeit, Zulassung und Kennzeichnung von GVO“), der VO (EG) 834/2007 („ökologischer Landbau“) sowie der RL 2000/13/EG („Etikettierung“) sowie weiterer spezifischer Etikettierungsvorschriften wie z. B. der VO (EG) 608/2004 über die Etikettierung von Lebensmitteln mit Phytosterinen und Phytostanolen. Auch das Verhältnis zur RL 90/496/EWG (bzw. zukünftig zur LMIV) über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln ist – erstaunlicherweise – nicht geregelt.

13 Verhältnis zu weiteren Vorschriften

8

Siehe hierzu RL 91/321/EWG, Anhang IV bzgl. Natrium sowie VO (EG) 41/2009 bzgl. Gluten

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Begriffsbestimmungen (Art. 2 HCV)

14 Definitionen der BasisVO

Art. 2 Abs. 1 VO und Art. 2 Abs. 2 Nr. 7 HCV verweisen auf Definitionen in anderen europäischen Rechtsakten. Soweit Bezugnahmen auf die VO (EG) 178/2002 erfolgen, sind diese an sich überflüssig. Übernommen werden die dortigen Definitionen des Lebensmittelunternehmens, des Inverkehrbringens und des Endverbrauchers sowie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, der Begriff des Nahrungsergänzungsmittels aus der RL 2002/46/EG, für die Kennzeichnung und die Begriffsbestimmungen in Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der RL 2000/13/EG sowie für Nährwertkennzeichnung, Eiweiß, Kohlenhydrate, Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren, einfach ungesättigte Fettsäuren, mehrfach ungesättigte Fettsäuren und Ballaststoffe die Begriffsbestimmungen der RL 90/496/EWG.9

14a Neuregelung durch LMIV

Die Vorschriften der NKV und LMKV werden ab dem 13. Dezember 2014 durch die neue Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), die als europäische Rechtsvorschrift unmittelbar und direkt gilt, ersetzt. Ab diesem Zeitpunkt ergeben sich die genannten Begriffe, deren Definition inhaltlich nicht geändert wurde, aus dem Anhang I zur LMIV. Die Details der Vorschriften zur Nährwertkennzeichnung haben sich allerdings erheblich geändert.

15 Angabe

Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 HCV enthält die zentrale Begriffsbestimmung der Angabe. Wie bereits vorstehend dargelegt, fallen hierunter nur freiwillige Aussagen oder Darstellungen. Unter Aussage ist jede schriftliche oder mündliche Mitteilung zu verstehen. Die Darstellung, die sich begrifflich insoweit mit der Aussage überschneidet, als darunter auch die textliche Darstellung fallen könnte, umfasst auch die beispielhaft genannten Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form. Unter den Begriff der Darstellung fallen auch spezielle Formen der Verpackung und Abbildungen von Personen. Mit der Verwendung der Begriffe „Aussage oder Darstellung“ will der Gesetzgeber im weitesten Sinne10 alle in der Etikettierung und Bewerbung von Lebensmitteln aufscheinenden Elemente erfassen. 11 Der Begriff der Angabe umfasst auch Symbole. Vor Augen hatte der Rat hierbei, „dass durch positive und negative Kennzeichen (die beispielsweise an den Regalen in den Supermärkten angebracht würden) Informationen über den Nährwert eines Lebensmittels erteilt werden können“.12 Gedacht war hierbei auch an die vom Vereinigten König-

9

siehe hierzu Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr’s Verlag, Loseblatt, Art. 2, Rnr. 8 ff.

10

so auch von Danwitz, GRUR 2005, 896, 901

11

siehe hierzu auch Meisterernst/Haber, Praxishandbuch Health & Nutrition Claims, Behr’s Verlag, Loseblatt, Art. 1, Rnr. 8 bis 11

12

6

Begründung zum gemeinsamen Standpunkt vom 14.11.2005

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3.2.2

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reich angestrebte „Ampelkennzeichnung“ (rot für negative, gelb für neutrale, grün für positive Nährwerteigenschaften eines Lebensmittels). Korrespondierend findet sich in Art. 28 Abs. 4 HCV für bildhafte Darstellungen eine gesonderte Übergangsregelung.

3.2.3

Allgemeine Grundsätze für alle Angaben Art. 3 (HCV)

Wie die Überschrift bereits besagt, gilt Art. 3 HCV sowohl für nährwert- als auch für gesundheitsbezogene Angaben. Dabei wird in Satz 1 der Vorschrift der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass die in Art. 2 Abs. 2 HCV definierten Angaben bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung von Lebensmitteln nur verwendet werden dürfen, wenn sie den Vorgaben der Verordnung entsprechen. Weiterhin enthält Art. 3 Abs. 2 HCV neben einem allgemeinen Irreführungsverbot spezielle Verbotstatbestände für bestimmte Angaben.

16 Geltung

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Die Regelung des Art. 3 Satz 2 HCV führt in fünf Gruppen Angaben an, deren Verwendung verboten ist. 3.2.3.1

Irreführung

Grundsätzlich müssen die verwendeten nährwertbezogenen Angaben dem Positivkatalog gemäß Art. 8 sowie dem Anhang zur HCV entsprechen. In der Regel werden Angaben, die diesen Anforderungen genügen, auch nicht als irreführend anzusehen sein. Allerdings sind die im Anhang genannten Angaben nicht im Wortlaut vorgeschrieben, sodass in einer bestimmten Wortwahl dennoch eine Irreführung liegen könnte. Zum anderen könnte auch die Verwendung einer objektiv zulässigen nährwertbezogenen Angabe in bestimmten Konstellationen irreführend sein, so z. B. wenn bei einem Nahrungsergänzungsmittel in Tablettenform objektiv die Voraussetzungen vorliegen, das Erzeugnis als Ballaststoffquelle zu bezeichnen (3g Ballaststoffe/100g), die Aufnahme einer Tablette aber absolut nur zu einer geringfügigen Zufuhr von Ballaststoffen führt.

17 irreführende nährwertbezogene Angaben

Gesundheitsbezogene Angaben bedürfen gemäß Art. 10 Abs. 1 HCV der Zulassung. Es ist in der Regel nicht davon auszugehen, dass derart zugelassene gesundheitsbezogene Angaben daneben gegen einen der in Art. 3 Satz 2 HCV aufgeführten Verbotstatbestände verstoßen, da sie anderenfalls nicht zugelassen worden wären. Im Übrigen werden die Angaben im Verordnungswege erlassen und sind somit von Gesetzes wegen zugelassen. Im Zulassungsverfahren können die Vorschriften des Art. 3 Abs. 2 HCV durchaus eine Rolle spielen, so bei Beurteilung einer beantragten gesundheitsbezogenen Angabe durch die EFSA gemäß Art. 16 Abs. 3 Buchst. b HCV sowie der Entwicklung eines Vorschlags für die Formulierung der gesundheitsbezogenen Angabe gemäß Art. 16 Abs. 4 Buchst. c HCV, aber auch im Rahmen der Listenaufstellung des Art. 13 HCV.

18 irreführende gesundheitsbezogene Angaben

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Soweit gemäß Art. 3 Satz 2 Buchst. a HCV allgemeine, falsche oder mehrdeutige irreführende Angaben verboten werden, ist auf die entsprechenden Vorschriften der RL 84/450/EWG über irreführende Werbung, zwischenzeitlich abgelöst durch RL 2006/114/EG, das allgemeine Irreführungsverbot aus Art. 16 VO (EG) 178/2002, die Vorschriften der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken sowie das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. b RL 2000/13/EG sowie Art. 8 Abs. 1 RL 2009/39/EG zu verweisen. Diese Verbote ergeben sich zukünftig aus der LMIV (VO (EU) 1169/2011), soweit sie bislang auf die Richtlinie 2000/13/EG beruhten. Die Vorschriften der §§ 11 und 12 LFGB sind nach Inkrafttreten der LMIV ab dem 13. Dezember 2014 nicht mehr anwendbar, es muss direkt auf die dortige Vorschrift des Art. 7 LMIV abgestellt werden. Eignung anderer Lebensmittel

Gemäß Art. 3 Satz 2 Buchst. b HCV dürfen Angaben keine Zweifel über die Sicherheit und/oder die ernährungsphysiologische Eignung anderer Lebensmittel wecken. Die Schwelle hierfür scheint aus Sicht des europäischen Gesetzgebers relativ hoch zu liegen. So wurde z. B. die Angabe „der Verzehr von Lebensmitteln/Getränken, die anstelle von Zucker >name of sugar replacer< enthalten, bewirkt, dass der Blutzuckerspiegel nach ihrem Verzehr weniger stark ansteigt als beim Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln/Getränken“ ausdrücklich in VO (EU) 432/2012 als gesundheitsbezogene Angabe zugelassen, obwohl diese bei strenger Betrachtung durchaus geeignet ist, die ernährungsphysiologische Eignung von Zucker in Zweifel zu ziehen. 3.2.3.3

19 übermäßiger Verzehr

8

Übermäßiger Verzehr

Die Vorschrift des Art. 3 Satz 2 Buchst. c HCV untersagt die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben, die zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittel ermutigen oder diesen wohlwollend darstellen. Diese Vorschrift spielt vorrangig bei der Prüfung gesundheitsbezogener Aussagen im Zulassungsverfahren eine Rolle. Die Bewerbung eines Lebensmittels wird regelmäßig dessen Verzehr wohlwollend darstellen; inwieweit dieser Verzehr übermäßig ist, ist nur schwer zu beurteilen. Daher dient das Verbot in erster Linie als Richtschnur bei der Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben; eine praktische Anwendung bei nährwertbezogenen Angaben, die stets den Voraussetzungen des Positivkatalogs entsprechen müssen, ist grundsätzlich nur schwer vorstellbar.

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3.2.3.2

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3.2.3.4

Ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung

Gemäß Art. 3 Satz 2 Buchst. d HCV dürfen die verwendeten nährwertund gesundheitsbezogenen Angaben nicht erklären, suggerieren oder auch nur mittelbar zum Ausdruck bringen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderliche Menge an Nährstoffen liefern kann. Neben diesem Verbot für gesundheitsbezogene Angaben sieht Art. 10 Abs. 2 Buchst. a HCV auch einen verpflichtenden Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung einer gesunden Lebensweise vor. Eine inhaltlich vergleichbare Regelung findet sich in Art. 7 der Nahrungsergänzungsmittel-RL 2002/46/EG.

20 Hinweispflicht

Das Verbot erfasst nur Angaben, die sich darauf beziehen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderliche Menge an Nährstoffen liefern kann. Differenzierte und spezielle Aussagen, die sich z. B. auf besondere Lebens- und Bedarfssituationen beziehen, sind demnach nicht verboten.

21 differenzierende Angaben

3.2.3.5

Werbung mit Angst

Gemäß Art. 3 Satz 2 Buchst. e HCV ist die Bewerbung mit angstauslösenden Angaben verboten, die „auf Veränderungen bei Körperfunktionen“ zielen. Dabei ist der Begriff der Körperfunktion nicht weitergehend definiert. Bei der Beurteilung ist jedenfalls mit in Betracht zu ziehen, dass Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Ziff. 6 HCV nunmehr ausdrücklich zugelassen sind. Die bloße zulässige Angabe über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos kann für sich genommen demnach nicht dem Verbot des Art. 3 Satz 2 Buchst. e HCV unterliegen.

3.2.4

Allgemeine Bedingungen (Art. 5 HCV)

3.2.4.1

Verbraucherverständnis

Gemäß Art. 5 Abs. 2 HCV ist die Verwendung nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben nur dann zulässig, wenn vom durchschnittlichen Verbraucher erwartet werden kann, dass er die positive Wirkung, wie sie in der Angabe dargestellt wird, versteht. Die Vorschrift beschreibt den Rahmen für grundsätzlich zulässige Abwandlungen und Erläuterungen des Wortlauts einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe. Die positive Wirkung, wie sie der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe zugrunde liegt, muss für den Durchschnittsverbraucher verständlich dargestellt werden.

22 Spielraum bei der Wortwahl

Diese Vorschrift stellt maßgeblich auf den Horizont der angesprochenen Verbraucherkreise ab. Dabei ist das Verbraucherleitbild, wie es sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs herausgebildet hat, zugrunde zu legen, nämlich die Auffassung eines „durch-

22a Verbraucherleitbild

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schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“. 13 Diese ältere Formulierung wurde in einer neueren Entscheidung des EuGH dahingehend präzisiert, dass maßgeblich der „normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher“ sei.14 Von dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geht auch der europäische Gesetzgeber ausweislich des Erwägungsgrunds 16 HCV aus. Ergänzt wird dies jedoch mit der Zielsetzung „die Ausnutzung von Verbrauchern zu vermeiden, die aufgrund bestimmter Charakteristika besonders anfällig für irreführende Angaben sind“. Dementsprechend soll eine Angabe, die sich an eine spezielle Verbrauchergruppe richtet, wie z. B. Kinder, „aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Gruppe beurteilt werden“. Der genannte Erwägungsgrund 16 HCV entspricht wortwörtlich dem Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. In der dortigen Regelung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b RL 2005/29/EG wird dieses Verbraucherleitbild dahingehend weiter normativ umschrieben, dass auf das durchschnittliche Mitglied einer Gruppe von Verbrauchern abzustellen ist, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe wendet. 3.2.4.2

Signifikante Menge

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b (i) HCV dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben nur dann gemacht werden, wenn der Nährstoff oder die andere Substanz in einer signifikanten Menge in dem Endprodukt enthalten ist. 24 gesetzlich festgelegte Mengen

10

Zugleich muss gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. d HCV die Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann, eine gemäß dem Gemeinschaftsrecht signifikante Menge des Nährstoffs oder der anderen Substanz liefern. Das Gemeinschaftsrecht enthält bislang nur wenige Vorschriften, welche Mengen als signifikant anzusehen sind. Hier ist zunächst auf die genannte RL 90/496/EWG (Nährwertkennzeichnung) sowie etwaige spezialgesetzliche Vorschriften, so z. B. im Bereich der Lebensmittel für eine besondere Ernährung, hinzuweisen; ebenso gehören hierzu die Anforderungen des Anhangs zur HCV. Weitere Festlegungen können z. B. in der Erarbeitung von Mindest- und Höchstmengen für Nahrungsergänzungsmittel gemäß der Forderung des Art. 5 RL 2002/46/EG oder für die Anreicherung von Vitaminen und Mineralstoffen im Zuge der Anreicherungsverordnung (EG) 1925/2006 erfolgen. Ab dem 13. Dezember 2014 wird die Richtlinie 90/496/EWG durch die LMIV ersetzt. Die 13

EuGH Slg. 1998, I - 4657 – „Gut Springenheide“

14

EuGH, GRUR Int. 2005,44, 45 – „Sat 1“

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23 spezielle Verbrauchergruppen

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signifikanten Mengen ergeben sich dann aus Anhang 13 Ziff. 2 zur LMIV, sie betragen allerdings nach wie vor 15 % der Nährstoffbezugswerte in 100 g oder 100 ml im Fall von anderen Erzeugnissen als Getränken. Bei Getränken beträgt die signifikante Menge nur mehr die Hälfte, also 7,5 % der Nährstoffbezugswerte je 100 ml, da man dort einen größeren Verzehr unterstellt. Für Nahrungsergänzungsmittel verbleibt es demnach bei der Grundregel (denn die Vorschrift gilt nur „in der Regel“), dass 15 % der Nährstoffbezugswerte mit der empfohlenen Tagesverzehrsmenge aufgenommen werden sollten. Soweit gemeinschaftsrechtlich keine Mengen als signifikant festgelegt wurden, muss von dem Nährstoff oder der anderen Substanz, für die die Angabe gemacht wird, gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b HCV eine Menge in dem Endprodukt vorhanden sein, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung zu erzielen. Das Gleiche gilt gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. d HCV auch hier für die Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann. Da bei dieser Alternative keine gesetzlich vorgesehene Bezugsgröße festgelegt ist, z. B. der Gehalt eines Stoffs in 100 g, fallen hier die Regelungen in Art. 5 b Abs. i HCV und 5 Abs. 1 Buchst. d HCV zusammen. 3.2.4.3

25 Bezugsprodukte

Bioverfügbarkeit

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c HCV müssen der Nährstoff und die andere Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einer für den Körper verfügbaren Form, also bioverfügbar, vorliegen. Diese Regelung gilt allerdings nur fakultativ, „soweit anwendbar“, d. h. nicht in den Fällen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. b (ii) HCV; bei Angaben, die sich auf einen verringerten oder nicht vorhandenen Gehalt eines Nährstoffs oder der anderen Substanz beziehen, wäre die Frage der Bioverfügbarkeit naturgemäß unsinnig. 3.2.4.4

Verzehrfertiges Lebensmittel

Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 HCV legt fest, dass sich sowohl nährwert- als auch gesundheitsbezogene Angaben auf das verzehrsfertige Lebensmittel beziehen müssen. Was als das verzehrsfertige Lebensmittel anzusehen ist, ergibt sich aus der Anweisung des Herstellers, d. h. regelmäßig aus der Zubereitungsempfehlung. Ist z. B. eine Tütensuppe mit 250 ml kochendem Wasser aufzugießen, müssen sich etwaige Angaben auf das so zubereitete verzehrfertige Produkt beziehen. 3.2.4.5

Wissenschaftliche Nachweise

Weiterhin wird in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a HCV auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise für die ausgelobte Wirkung abge-

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stellt. Diese Regelung wird nachfolgend zusammen mit der des Art. 6 Abs. 1 HCV erläutert. 3.2.4.6

Übersicht

Der Nährstoff oder die andere Substanz muss 1. im Endprodukt 2. in der Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann 3. in signifikanter Menge enthalten sein, entweder ʊ

nach Gemeinschaftsrecht (15 % RDA für Vitamine und Mineralstoffe, gemäß Anhang zu Art. 8 HCV) oder anhand

ʊ

allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise (hier Bedingung bei der Zulassung anwendbar) und

5. vom Verbraucher verstanden werden und 6. sich auf das verzehrfertige Lebensmittel beziehen.

3.2.5

Wissenschaftliche Absicherung von Angaben (Art. 6 HCV)

Art. 6 Abs. 1 HCV legt fest, dass sich nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein müssen. 26 wissenschaftliche Absicherung

Die Anforderung, dass alle nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben wissenschaftlich abgesichert sein müssen, wird sowohl in den Erwägungsgründen als auch im Text der Verordnung mehrfach und im Wesentlichen gleichlautend wiederholt. So nennt Erwägungsgrund 17 die wissenschaftliche Absicherung ausdrücklich als Hauptaspekt, der bei der Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben berücksichtigt werden soll. In der Verordnung selbst wird in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a HCV, Art. 6 Abs. 1 HCV und Art. 13 Abs. 1 (i) HCV auf die wissenschaftliche Absicherung Bezug genommen. Weiterhin wird der Begriff der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Art. 4 Abs. 1 Satz 3 sowie Art. 13 Abs. 5 HCV verwendet.

27 bisherige Rechtslage

Auch zuvor mussten Wirkaussagen für Lebensmittel „wissenschaftlich hinreichend gesichert“ sein im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB. Auch wenn der Unterschied im Wortlaut nicht gravierend ist, ist doch davon auszugehen, dass mit den Zielsetzungen der HCV ein

12

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4. bioverfügbar sein und

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

höheres Nachweisniveau als bislang in der Praxis üblich für nährwertund gesundheitsbezogene Angaben angestrebt wird.15 Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung ist „allgemein anerkannt“ nicht dahingehend zu verstehen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse völlig unumstritten sein müssen. Dies wäre im Bereich der Wissenschaft, die von ständiger geistiger Auseinandersetzung lebt, auch zu viel verlangt. Es dürfen jedoch keine gewichtigen Gegenmeinungen bestehen.16

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Letztendlich korrespondiert die Anforderung an die Qualität des wissenschaftlichen Nachweises (wie auch nach der bisherigen Rechtslage hinsichtlich irreführender Angaben) auch mit der jeweiligen nährwertoder gesundheitsbezogenen Angabe. So werden die Anforderungen an den Nachweis für die positive Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Buchst. a HCV anders sein als bei Angaben über die gezielte Reduzierung eines Krankheitsrisikos.17 Diese Abstufung kommt letztendlich auch in den Art. 13 ff. HCV in unterschiedlich ausgestalteten Verfahren zum Ausdruck.

28 Bezug zur Angabe

Der Grad der wissenschaftlichen Absicherung hängt von den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen ab. Den stärksten Beitrag zum Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und der Gesundheit liefern kontrollierte Interventionsstudien mit großen Probandenzahlen. Der Grad der Absicherung wird weiter erhöht, wenn epidemiologische Studien und Labordaten zum Wirkmechanismus das Ergebnis der Interventionsstudie unterstützen. Neben individuellen Studien können Bewertungen von wissenschaftlichen Gremien und Organisationen, Entscheidungen von Behörden, Lehrbücher, Meta-Analysen, kritische Reviews oder auch Erkenntnisse aus dem traditionellen Gebrauch bei der Bestimmung des Evidenzgrades herangezogen werden. Höchste Evidenz genießen Bewertungen oder Berichte anerkannter wissenschaftlicher Organisationen (z. B. WHO, FNB, DGE 18 ) oder Behörden (EFSA, BfR, FDA19).20 15

siehe hierzu die Auseinandersetzung um die Begriffe „scientific data“ versus „scientific knowledge“ dargestellt bei Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behrs’s Verlag Hamburg, Loseblatt, Art. 5, Rnr. 4 16

siehe hierzu OLG Karlsruhe, ZLR 2006, 290

17

zu einer gleichen Auffassung kommt auch die AG Fragen der Ernährung der Lebensmittelchemische Gesellschaft in ihrer „Stellungnahme zur wissenschaftlichen Absicherung gesundheitsbezogener Angaben bei Lebensmitteln“, in Lebensmittelchemie 56:117-118, 2002. 18

WHO = Weltgesundheitsbehörde, FNB = Food and Nutrition Board, DGE = Deutsche Gesellschaft für Ernährung

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13

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

Tab. 3.2.5-1 Kategorien von wissenschaftlichen Studien nach PASSCLAIM21

Kategorie

Studientyp

Interventionsstudien

Randomisierte kontrollierte Studien Klinische Untersuchungen Physiologische und psychologische Untersuchungen

Prospektive Kohorten-Studien Beobachtungsstudien Querschnittsstudien (Epidemiologische Fall-Kontrollstudien Studien) Unterstützende Studien

Tierstudien In vitro-Studien (Zellkultur, Molekularbiologie)

Mechanistische Studien

3.2.6

Nährwertkennzeichnung (Art. 7 HCV)

29 gesundheitsbezogene Angaben

Art. 7 Satz 1 HCV legt fest, dass bei gesundheitsbezogenen Angaben auch eine Nährwertkennzeichnung im Sinne der RL 90/496/EWG zu erfolgen hat. Ausgenommen hiervon sind produktübergreifende Werbeaussagen wie z. B. „Obst ist gesund“. Gemäß Art. 7 Satz 2 HCV sind bei der Verwendung gesundheitsbezogener Angaben jedoch stets die so genannten „big eight“ gemäß Art. 4 Abs. 1 Gruppe 2 RL 90/496/EWG anzuführen. Die Kennzeichnung gemäß Art. 7 Satz 3 HCV legt fest, dass die jeweilige Menge der Stoffe, auf die sich die nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe bezieht, in demselben Sichtfeld in unmittelbarer Nähe der Nährwertkennzeichnung anzugeben sind. Hinsichtlich des Begriffs des Sichtfelds kann auf § 3 Abs. 3 Satz 3 LMKV verwiesen werden.

30 angereicherte Lebensmittel

Bei bloßen nährwertbezogenen Angaben bleibt es im Übrigen bei den Vorschriften der RL 90/496/EWG bzw. der Umsetzung in der bundes-

19

EFSA = Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, BfR = Bundesinstitut für Risikobewertung, FDA = Food and Drug Administration 20

siehe hierzu eingehend Haber/Meisterernst, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr’s Verlag Hamburg, Loseblatt, Art. 6, Rnr. 1 bis 29 sowie Art. 13, Rnr. 41 bis 58 21

P. Agett et al. PASSCLAIM Consensus on Criteria, Eur J Nutr (2005) [Suppl 1] 44 : I/5–I/30

14

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Genotypisierungsstudien

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

deutschen NKV. Zu beachten ist allerdings, dass soweit es sich um mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Lebensmittel handelt, gemäß Art. 7 AnreicherungsVO wiederum eine Kennzeichnung mit den „big eight“ zu erfolgen hat. Ab dem 13.12.2014 gilt die LMIV.

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Bei Nahrungsergänzungsmitteln besteht keine Pflicht zur Kennzeichnung gemäß Art. 7 HCV.

31 Nahrungsergänzungsmittel

Die Kennzeichnung der charakteristischen Stoffe in NEM richtet sich ausschließlich nach § 4 Abs. 3 NemV. Die Vorschrift des Art. 7 Abs. 3 HCV verwendet insoweit auch den Begriff der „Nährwertkennzeichnung“ und bringt damit zum Ausdruck, dass die kennzeichnenden Stoffe eines Nahrungsergänzungsmittels gem. § 4 Abs. 2 Ziff. 1 NemV auch mengenmäßig gem. § 4 Abs. 3 auf dem Etikett eines Nahrungsergänzungsmittels angegeben werden müssen. Bereits aus diesem Grunde ist eine gesonderte mengenmäßige Kennzeichnung gem. Art. 7 HCV nicht notwendig. Die Vorschriften der LMIV über die Nährwertdeklaration gelten gem. Art. 29 Abs. 1 Buchst. a LMIV nicht für Nahrungsergänzungsmittel, so dass es abschließend bei den Kennzeichnungsvorschriften des § 4 Abs. 3 NemV hinsichtlich der in einem NEM enthaltenen kennzeichnenden Nährstoffe und anderer Substanzen verbleibt.

3.2.7

Nährwertprofile (Art. 4 HCV)

Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur für Lebensmittel bzw. Lebensmittelkategorien gemacht werden, die bestimmten Nährwertprofilen entsprechen. Diese Regelung war im Gesetzgebungsverfahren einer der am stärksten umstrittenen Punkte, da es folglich zu einer Unterscheidung in „gute“ und „schlechte“ Lebensmittel kommt, obwohl dies laut Kommissionsvorschlag angeblich nicht angestrebt wurde.22 Nachdem der Kommissionsvorschlag noch als reine Verbotsnorm formuliert war, wurden im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens aus politischen Opportunitätsgründen die Regelungen im Wortlaut offener gestaltet und um Ausnahmebedingungen für nährwertbezogene Angaben ergänzt. 23 Trotzdem stellt dieser Kopplungsansatz letztendlich eine politisch gewollte Beschränkung der Kommunikations- und Werbemöglichkeiten dar.24, 25 Artikel 4 Abs. 1 HCV legt aber nicht fest, dass für alle Lebensmittel oder Lebensmittelkategorien Nährwertprofile aufgestellt werden

22

vgl. Begründung der Kommission zum VO-Vorschlag vom 16.7.2003, KOM (2003) 424 endg., Nr. 14 23

siehe auch Loosen, ZLR 2006, 532

24

siehe auch Loosen, ZLR 2006, 521 ff.

25

siehe auch Epping/Greifeneder, WRP 2006, 830 ff.

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15

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

müssen. Bestimmte Lebensmittelkategorien, deren regelmäßiger Verzehr in einer ausgewogenen Ernährung empfohlen wird, könnten von verpflichtenden Nährwertprofilen ausgenommen sein. Nach der Ernährungspyramide der DGE erwünschte Lebensmittelgruppen sind z. B. Obst und Gemüse (inkl. Fruchtsäfte), Vollkornprodukte (inkl. Vollkornbrot), Wasser (inkl. Mineral- oder Tafelwasser), Fisch oder fettarme Milchprodukte.26 Des Weiteren erscheint es sinnvoll, dass Lebensmittelgruppen, die aufgrund rechtlicher Vorschriften fest vorgegebene Zusammensetzungen haben müssen, von den Regelungen zu Nährwertprofilen ausgenommen werden. Als Beispiele wären hier u.a. diätetische Lebensmittel wie z. B. Säuglingsanfangs- und Folgenahrung, bilanzierte Diäten oder Reduktionsdiäten zu nennen.

Der letzte Entwurf der Kommission für eine Regelung der Nährwertprofile stammt vom 17.03.2009.

3.2.8

Nährwertbezogene Angaben

3.2.8.1

Begriffe

32 Definition

In Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4 HCV wird der Begriff der nährwertbezogenen Angabe definiert als „jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird“, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt. Die besonderen positiven Nährwerteigenschaften sind weiterhin in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4 a HCV im Hinblick auf den Energiegehalt des Lebensmittels und zum anderen in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4b HCV im Hinblick auf die Nährstoffe oder andere Substanzen definiert. Der Begriff des Nährstoffs ist wiederum in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 HCV, der der anderen Substanz in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 3 HCV eigens geregelt.

32a Abgrenzung zur Kennzeichnung gem. NemV

Gem. § 4 Abs. 2 Ziff. 1 NemV sind die „Namen der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind oder eine Angabe zur Charakterisierung dieser Nährstoffe oder sonstigen Stoffe“ auf dem Etikett anzugeben. Die Benennung dieser Stoffe stellt demnach regelmäßig keine nährwertbezogene Angabe i.S.d. HCV dar. Im Hinblick auf etliche nährwertbezogene Angaben wie z. B. „Reich an Vitamin C“ oder „Calciumquelle“ wird die

26

16

Stehle et al. 2005 Ernährungsumschau 52: 129-136

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Gleiches sollte für Nahrungsergänzungsmittel gelten, die Mikronährstoffe und andere ernährungsphysiologisch wirksame Substanzen in konzentrierter Form liefern. Abgesehen von den enthaltenen Mikronährstoffen und anderen Substanzen ist ihr Beitrag zur Gesamtenergie- und -nährstoffaufnahme vernachlässigbar gering.

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

Frage der Abgrenzung von nährwertbezogenen Angaben und Angaben gem. § 4 Abs. 2 Ziff. 1 NemV rechtlich nicht erheblich. Interessant ist sie allerdings bei Zutaten, für die es keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben gibt. Würde es sich dabei um Angaben i.S.v. „enthält“ gem. Anhang zur HCV handeln, bedürfte deren Verwendung eines Nachweises über die positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung gem. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a HCV. Dies kann im Einzelfall strittig sein. Richtigerweise kommt es darauf jedoch nicht an, da die Benennung der kennzeichnenden Zutaten eines Nahrungsergänzungsmittels allein der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Buchst. a NemV unterliegt.

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3.2.8.2

Positive Nährwerteigenschaften

Die besonderen positiven Nährwerteigenschaften können gemäß der Definition im Energiegehalt sowie dem Inhalt von Nährstoffen und anderen Substanzen liegen. Es muss sich aber jedenfalls um besondere positive Nährwerteigenschaften handeln, denn gemäß Erwägungsgrund 5 sollen ausdrücklich nährwertbezogene Angaben mit negativen Aussagen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Gedacht war auch hier an die britische Ampelkennzeichnung; allerdings beinhaltet diese auch, soweit die Ampel grün ist, Aussagen über positive Nährwerteigenschaften.27 Entsprechende nationale Vorschriften sollen, soweit sie gemäß RL 98/34/EG notifiziert worden sind, zulässig sein. In der neuen LMIV finden sich nunmehr gesonderte Regelungen für derartige nationale Kennzeichnungssysteme. Diese unterliegen gem. Art. 35 LMIV detaillierten Voraussetzungen, auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Absicherung. Ob und wie sich die ab dem 13. Dezember 2014 geltenden Vorschriften auf die bestehenden Systeme auswirken, bleibt abzuwarten.

33 positive Nährwerteigenschaften

Die besonderen positiven Nährwerteigenschaften, die sich aus einer Aussage oder Darstellung ggf. auch nur mittelbar ergeben können, müssen sich entweder auf den Energiegehalt des Lebensmittels oder auf den Gehalt an Nährstoffen oder anderen Substanzen beziehen. 3.2.8.3

Nährstoff

Die besonderen positiven Eigenschaften können sich auf die in dem Lebensmittel enthaltenen, in verminderter und erhöhter Menge enthaltenen oder nicht enthaltenen Nährstoffe beziehen. Dabei ist der Begriff des Nährstoffs gemäß Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 HCV als Protein, Kohlenhydrat, Fett, Ballaststoff, Natrium, eines im Anhang der RL

34 Begriff des Nährstoffs

27

Diese Kennzeichnung wäre allerdings, soweit die Erzeugnisse zugleich mit zulässigen Angaben beworben oder gekennzeichnet würden, als zulässige Angabe anzusehen.

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17

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

90/496/EWG aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe sowie jeder Stoff, der zu einer dieser Kategorien gehört oder Bestandteil eines Stoffes einer dieser Kategorien ist, definiert. Misslich ist dabei, dass der europäischen Gesetzgeber zunehmend den Begriff des Nährstoffs in verschiedenen Gesetzgebungsakten verschieden auslegt. So ist z. B. der Begriff des Nährstoffs gemäß RL 2002/46/EG28 lediglich auf Vitamine und Mineralstoffe beschränkt. Bei einem Vergleich bezüglich des Gehalts von Nährstoffen bzw. einer verminderten oder erhöhten Menge an Nährstoffen sind die weiteren Vorschriften des Art. 9 HCV für vergleichende Angaben zu beachten.

35 Begriff der „anderen Substanz“

Andere Substanzen

Der Begriff der „anderen Substanz“ ist in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 3 HCV als anderer Stoff als ein Nährstoff im Sinne der vorstehenden Definition beschrieben, der eine ernährungsbezogene Wirkung oder eine physiologische Wirkung hat. Die Begriffe der „ernährungsbezogenen Wirkung“ und/oder der „physiologischen Wirkung“ sind in der Verordnung nicht weiter definiert. Auch die Erwägungsgründe geben hierüber keinen weitergehenden Aufschluss. Zwar werden in Erwägungsgrund 8 andere Substanzen genannt – jedoch systematisch ungenau, da hier unter den Begriff auch Vitamine und Mineralstoffe, essentielle Fettsäuren sowie Ballaststoffe gezogen werden, die nach der Definition des Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 HCV bereits dem Begriff des Nährstoffs unterfallen. Weiterhin werden auch hier nur die Begriffe „ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung“ angesprochen, ohne sie weiter zu erläutern. Letztendlich wird man zur Beurteilung der ernährungsbezogenen oder physiologischen Wirkung auf die entsprechende Rechtsprechung zur Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln29, auf die subjektive Zweckbestimmung durch den Hersteller/Inverkehrbringer und die allgemeine Auffassung der Verbraucher unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung abstellen müssen. Da mit der Verordnung Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos als Wirkaussage für Lebensmittel zugelassen werden, sind nunmehr derartige Wirkungen vom Gemeinschaftsrecht als ernährungsbezogene und physiologische Wirkungen eingestuft; eine pharmakologische Wirkung, die zur Einstufung als des Produkts als Arzneimittel führen würde, kann darin per definitionem nicht liegen.

18

28

Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie

29

so OLG Hamburg, ZLR 2009, 246, 253

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3.2.8.4

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

Andere neuere Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, wie die VO (EG) 1925/2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen zu bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (AnreicherungsVO) greifen diese Begrifflichkeit der HCV nicht auf, sondern regeln eine „andere Substanz“ nur hinsichtlich der Quantität der Aufnahme.30 Dabei sind die Begriffe „andere Substanz“ gemäß Art. 2 Abs. 2 Ziff. 3 HCV und „anderer Stoff“ gemäß Art. 2 Abs. 2 AnreicherungsVO Synonyme. Die unterschiedlichen Begriffe in den beiden zeitgleich entworfenen und beschlossenen Verordnungen ergeben sich aus einer abweichenden Übersetzung des englischen Begriffs „substance“.

36 Parallele zur AnreicherungsVO

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Wie sich aus einer Zusammenschau des Erwägungsgrunds 8 der HCV sowie Erwägungsgrunds 20 der AnreicherungsVO ergibt, ist hier der Begriff des „Stoffs“ oder „Substanz“ dahingehend auszulegen, dass es sich um einen bestimmten einzelnen Stoff oder ein Stoffgemisch handeln muss. Erwägungsgrund 20 der AnreicherungsVO führt hierzu aus: „Eine normale und abwechslungsreiche Ernährung umfasst viele Zutaten, die ihrerseits aus vielen Stoffen zusammengesetzt sind. Die Aufnahme dieser Stoffe oder Zutaten bei normaler und herkömmlicher Verwendung und in der üblichen Ernährung wäre nicht bedenklich und braucht nicht geregelt zu werden. Einige andere Stoffe als Vitamine und Mineralstoffe oder Zutaten, die diese enthalten, werden Lebensmitteln als Auszüge oder Konzentrate zugesetzt und können dazu führen, dass sie in deutlich höherer Menge aufgenommen werden als bei einer angemessenen und abwechslungsreichen Ernährung.“ Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei Verwendung des Begriffs „Stoff“ bzw. „Substanz“ davon ausging, dass es sich dabei um zugefügte oder natürlich vorhandene Bestandteile von Lebensmitteln handelt. Vollständige Lebensmittel, die als Zutaten eines Lebensmittels verwendet werden, fallen daher nicht unter den Begriff des „Stoffs“ und damit der „anderen Substanz“. Ansonsten müssten auch Angaben wie „enthält Olivenöl“ bei Ölsardinen gemäß Anhang zu Art. 8 HCV i.V.m. Art. 5 HCV wissenschaftlich abgesichert sein.

37 enge Auslegung

Der Begriff des Stoffs ist somit entgegen der weiten Verwendung in Art. 2 VO (EG) 178/2002 hier eng im Hinblick auf die Funktion auszulegen. Auch an dieser Stelle zeigt sich wieder die inkonsistente Verwendung von Begriffen durch den europäischen Gesetzgeber. Beispiele: • körpereigene Wirkstoffe und Stoffwechselprodukte: Kreatin, L-Carnitin, Coenzym Q10, Inosin, Cholin, Inositol

30

38 Beispiele

vgl. Art. 8 Abs. 1 AnreicherungsVO

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19

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

• Fette: Konjugierte Linolsäure (CLA), mittelkettige Triglyceride (MCT) • Aminosäuren: verzweigtkettige Aminosäuren (BGAA), Tryptophan, Taurin, Asparaginsäure, Arginin, Ornithin • Sekundäre Pflanzenstoffe: Flavonoide, Phytosterine • Enzyme: Bromelain, Papain • Alkaloide: Koffein. 3.2.8.5

Im Anhang geregelte nährwertbezogene Angaben

39 zulässige Angaben

Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn sie den Bestimmungen der Verordnung entsprechen und danach zulässig sind (Art. 3 HCV). Dieses Verbot mit Erlaubnisvorbehalt wird auch in Art. 8 HCV bei den Spezialregelungen zu nährwertbezogenen Angaben wieder aufgegriffen. Nach Art. 8 Abs. 1 HCV dürfen nur nährwertbezogene Angaben gemacht werden, die im Anhang der HCV enthalten sind. Nährwertbezogene Angaben, die nicht in dieser Positivliste enthalten sind, dürfen ab dem 1.7.2007 unter Berücksichtigung der Übergangsfristen nur gemacht werden, wenn sie aufgrund anderer Vorschriften zulässig (siehe hierzu Erwägungsgrund 22) oder obligatorisch sind. Ausgenommen sind damit auch produkthaftungsrechtliche Warnhinweise wie z. B. „Dieses Produkt kann Spuren von Nüssen enthalten“. Auch Informationen über Allergene stellen keine nährwertbezogenen Angaben dar.31

40 Bedingungen müssen eingehalten werden

Für die jeweiligen Angaben sind im Anhang spezifische Bedingungen festgelegt, die bei der Verwendung der Angaben eingehalten werden müssen. Diese Bedingungen wurden laut Verordnungsgeber in Einklang mit nationalen, internationalen und gemeinschaftsrechtlichen Regelungen erlassen. 32 Als wichtigste internationale Regelung kann die vom Codex Alimentarius verabschiedete Leitlinie über nährwertund gesundheitsbezogene Angaben angesehen werden, deren für nährwertbezogene Angaben festgelegte Kriterien weitestgehend in der EU-VO übernommen wurden.33

31

ALS Stellungnahme 2006/34 zu “Hinweise auf die Abwesenheit eines Allergens in Lebensmitteln”, J. Verbr. Lebensm. 1 (2006), S. 374

20

32

Erwägungsgrund 21 VO

33

CAC/GL 23-1997, REV. 1-2004 Guidelines on Nutrition and Health Claims

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Art. 8 HCV legt im Zusammenspiel mit dem Anhang fest, unter welchen Bedingungen nährwertbezogene Angaben gemacht werden dürfen. Darüber hinaus regelt er das Verfahren zur Änderung der Listen der erlaubten nährwertbezogenen Angaben.

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

Die im Anhang aufgeführten nährwertbezogenen Angaben sind nicht als starre, festgeschriebene Formulierungen zu verstehen. Vielmehr ist jede andere Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, zulässig. Das Prinzip, dass auch synonyme oder gleichsinnige Angaben verwendet werden können, steht in Einklang mit den Festlegungen gemäß Codex Alimentarius. 34 Synonyme Bezeichnungen35 dürfen nicht irreführend (Art. 3 HCV) sein und müssen den allgemeinen Grundsätzen der Verordnung entsprechen.

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3.2.8.6

41 Synonyme

Im Anhang nicht aufgenommene Angaben

Eine ganze Reihe bislang verwendeter nährwertbezogener Angaben wurde in die Positivliste des Anhangs zu Art. 8 nicht aufgenommen. Hierzu gehören Angaben wie „cholesterinarm“ und „cholesterinfrei“, die nach den Leitlinien des Codex Alimentarius für nährwertbezogene Angaben möglich sind.36

42 fehlende Angaben

Werden Angaben als produkthaftungsrechtlich gebotener Warnhinweis für bestimmte Verbrauchergruppen auf dem Etikett angebracht, fallen sie nicht unter den Begriff der Angabe und somit nicht unter den Regelungsumfang der HCV. So werden z. B. Hinweise auf die Abwesenheit eines Allergens (z. B. „glutenfrei“ oder „sojafrei“) nicht als nährwertbezogene Angaben im Sinne der HCV angesehen.37 Laktose ist zwar kein allergener Stoff, könnte aber in Analogie zu dem Hinweis auf Abwesenheit eines Allergens ebenfalls als qualitativer Hinweis angesehen werden.

43 Warnhinweise

Bei im Anhang nicht aufgeführten Angaben ist im Einzelfall zu prüfen, ob diese als Beschaffenheitsangaben nicht der HCV unterliegen38 oder ob deren Verwendung aus anderem Grunde gerechtfertigt ist (so z. B. die Bezeichnung als „koffeinfrei“ als Teil der Verkehrsbezeichnung und damit einer Pflichtangabe bei einem Colagetränk).

34

CAC/GL 23-1997, Rev. 1-2004 Guidelines on Nutrition and Health Claims

35

Beispiele bei Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr’s Verlag, Loseblatt , Art. 8, Rnr. 5 bis 28 36

CAC/GL 23-1997, Rev. 1-2004 Guidelines on Nutrition and Health Claims

37

so auch der ALS in seiner Stellungnahme 2006/34 zu Hinweisen auf die Abwesenheit eines Allergens in Lebensmitteln, J Verbr Lebensm (1) 2006, S. 374. 38

siehe hierzu Meisterernst in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr’s Verlag, Loseblatt, Art. 2, Rn. 15a

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I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

Vergleichende Angaben (Art. 9 HCV)

44 Lebensmittel derselben Kategorie

Art. 9 HCV normiert besondere Voraussetzungen für vergleichende nährwertbezogene Angaben. Ergänzend zur Richtlinie 2006/114/EG wird dort in Abs. 1 festgelegt, dass ein Vergleich zwischen Lebensmitteln derselben Kategorie und unter Berücksichtigung einer Reihe von Lebensmitteln dieser Kategorie zulässig ist. Der Begriff der Kategorie ist nicht definiert. Sobald sie vorliegen, kann zur Ausfüllung des Begriffs auf die in Bezug auf Nährwertprofile gebildeten Lebensmittelkategorien zurückgegriffen werden. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 HCV legt fest, dass bei vergleichenden Angaben der Unterschied in der Menge eines Nährstoffs und/oder im Brennwert anzugeben ist, und dass sich der Vergleich auf dieselbe Menge des Lebensmittels beziehen muss. Aus letzterer Regelung ist zumindest zu entnehmen, dass es sich um Produkte handeln muss, die der Art ihrer Verwendung nach vergleichbar sind, so z. B. Getränke. Aus der Verpflichtung, den „Unterschied in der Menge“ anzugeben, ist abzuleiten, dass Vergleiche, die ein adäquates Verhältnis zum Ausdruck bringen, von der Regelung nicht erfasst sein sollen, so z. B. eine Angabe wie „enthält so viel Vitamin C wie drei Zitronen“.

45 Markterhebung notwendig

Der Verwender muss die vergleichenden Angaben unter Berücksichtigung einer Reihe von Lebensmitteln abfassen, d. h. letztendlich im Rahmen einer Markterhebung die durchschnittlichen Mengen eines Nährstoffs oder eines Brennwerts in den Vergleichslebensmitteln ermitteln. Die weitere Regelung des Art. 9 Abs. 2 HCV ist sprachlich verunglückt. Die gesamte Regelung des Art. 9 HCV betrifft ausschließlich nährwertbezogene Angaben, sodass die Inbezugnahme von „vergleichenden nährwertbezogenen Angaben“ in Art. 9 Abs. 2 HCV überflüssig ist und unnötigerweise einen von Art. 9 Abs. 1 HCV abweichenden Regelungsgehalt suggeriert. Die Regelung zielt darauf ab, dass in den Vergleich auch solche Lebensmittel mit einbezogen werden müssen, „deren Zusammensetzung die Verwendung einer Angabe nicht erlaubt“, d. h. von Lebensmitteln, die aufgrund eines ungünstigen Nährwertprofils gemäß Art. 4 Abs. 1 HCV keine nährwertbezogenen Angaben tragen dürfen. In Bezug genommen werden müssen dabei auch Lebensmittel anderer Marken. Im Anhang zur HCV sind vier vergleichende nährwertbezogene Angaben ausdrücklich geregelt, nämlich „energiereduziert“, „reduzierter [Name des Nährstoffs]-Anteil“ sowie „erhöhter [Name des Nährstoffs]-Anteil“ sowie schlussendlich „leicht“. Insgesamt ergibt sich folgende Checkliste für den Gebrauch vergleichender nährwertbezogener Angaben

22



Was ist zu vergleichen: Lebensmittel der gleichen Kategorie



Wie ist zu vergleichen: Eine Reihe von Lebensmitteln, auch andere Marken

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3.2.9

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV



Wie ist zu vergleichen: Dieselbe Menge mit einem Durchschnitt einer Reihe von Lebensmitteln; am besten Dokumentation in einem Dossier



Kennzeichnung: Der Unterschied ist in der Menge zu kennzeichnen.

3.2.10

Gesundheitsbezogene Angaben

Kernstück der Verordnung ist neben der Regelung der nährwertbezogenen Angaben die Harmonisierung der gesundheitsbezogenen Bewerbung von Lebensmitteln. 3.2.10.1

Gesundheitsbezogene Angabe

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In Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 HCV ist der zentrale Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe wie folgt definiert: „... jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“. Die gesundheitsbezogene Angabe kann sich demnach sowohl auf eine Kategorie von Lebensmitteln wie z. B. „Obst“, „Gemüse“, aber auch auf engere Kategorien wie z. B. „Fruchtsaft“, auf ein konkretes Lebensmittel („Orangensaft“) oder eines seiner Bestandteile („Vitamin C“) beziehen. Diese Bestandteile werden in der Regel entweder Nährstoffe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 HCV oder andere Substanzen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Ziff. 3 HCV darstellen. Der Begriff der Gesundheit ist in der HCV nicht definiert. Die WHO definiert Gesundheit wie folgt: „Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“.39 Eine Aufnahme dieser Definition in den Verordnungstext wurde von Rat und Kommission aber ausdrücklich abgelehnt.

46 WHO-Definition

Die Erwägungsgründe erläutern den Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe und damit den der „Gesundheit“ nicht weiter. Dass Angaben, die sich auf das allgemeine Wohlbefinden beziehen, nicht unter den Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe fallen und somit auch nicht der Zustand des allgemeinen Wohlbefindens unter den Begriff der Gesundheit zu ziehen ist, ergibt sich aber aus der Zusammenschau mit der Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 HCV und der Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren. Im HCV-Entwurf 40 waren gemäß Art. 11

47 Regelung im Entwurf

39

WHO, 1949

40

KOM (2003) 424 endg. vom 16.7.2003

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23

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

48 Presseerklärung der Kommission

Die Kommission reagierte bereits am 01.10.2003 mit einer Presseerklärung, die mit „Myths & Misunderstandings“ überschrieben war, auf die harsche öffentliche Kritik. Dort erklärte die Kommission, dass diskutierte Werbesprüche wie „Haribo macht Kinder froh“, „Red Bull verleiht Flügel“, „Qualität ist das beste Rezept“, „Melitta macht Kaffee zum Genuss“, „Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt“ oder „So wertvoll wie ein kleines Steak“ weder eine nährwertbezogene noch eine gesundheitsbezogene Angabe darstellen. Als verbotswürdige „vague claims“ wurden Werbeaussagen wie „reinigt Ihren Organismus“, „hält Sie jung“, „verlangsamt den Alterungsprozess“ etc. angeführt.44

49 Änderung des Entwurfs

Im gemeinsamen Standpunkt des Rates und der Kommission45 wurden daraufhin die im ursprünglich vorgeschlagenen Art. 11 HCV aufgeführten Verbote abgeändert. Das Verbot des Art. 11 Ziff. 1a HCVEntwurf wurde in Art. 10 Abs. 3 HCV verschoben. Um die Position der Kommission zu verdeutlichen, wurde dabei der Wortlaut entscheidend geändert. Dort wird nunmehr auf das „gesundheitsbezogene Wohlbefinden“ und nicht mehr auf das „Wohlbefinden“ im Allgemeinen abgestellt. Diese Änderung war ausdrücklich als einschränkende Fassung des zuvor als zu weit empfundenen Begriffs in Reaktion auf die vorstehend dargelegte Kritik gewollt und auch gemeinschaftsrechtlich geboten. Durch den nunmehrigen Wortlaut ist klargestellt, dass das gesundheitsbezogene Wohlbefinden nur einen Ausschnitt des allgemeinen Wohlbefindens darstellt. Damit ist im Umkehrschluss aber zugleich klar, dass der Begriff der Gesundheit nicht auch das allgemeine Wohlbefinden umfassen soll. Ansonsten wäre die Bezugnahme auf das „gesundheitsbezogene Wohlbefinden“ in Art. 10 Abs. 3 HCV sinnlos. 41

Meisterernst, ZLR 2004, 43; GRUR-Fachausschuss Lebensmittelrecht, GRUR 2003, 770; Sosnitza, WRP 2003, 669, 674; Sosnitza, ZLR 2004, 1; Hüttebräuker, WRP 2004, 188, 199; v. Danwitz, ZLR 2005, 201

42

siehe auch v. Danwitz, ZLR 2005, 201, 206

43

siehe Abänderungsantrag 42; allerdings verfolgte das EP ein völlig neues Konzept einschließlich eines Anzeigeverfahrens

44

weitere Beispiele bei Sosnitza, ZLR 2004, 1, 8; Hüttebräuker, WRP 2004, 188, 192

45

gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 3/2006 vom 8.12.2005, Amtsblatt C 80 E vom 4.4.2006

24

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implizite gesundheitsbezogene Angaben aufgeführt, die verboten werden sollten. Hierzu gehören gemäß Art. 11 Ziff. 1a des Entwurfs auch „Angaben, die auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels in Bezug auf allgemeine Gesundheit und Wohlbefinden verweisen“. Dieser Vorschlag begegnete als viel zu weitreichend massiver Kritik.41 Vom Europäischen Parlament wurde er in erster Lesung gestrichen.42, 43

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

Der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe umfasst demnach Angaben,

50 Übersicht

• die unspezifisch die Gesundheit im Allgemeinen in Bezug nehmen (Verwendung mit beigefügtem zugelassenen Claim gemäß Art. 10 Abs. 3 HCV); Beispiel „X ist gesund“ • oder unspezifisch auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden abzielen (Verwendung mit beigefügtem zugelassenen Claim gemäß Art. 10 Abs. 3 HCV); Beispiel „X unterstützt die gesunde Verdauung“

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• sowie spezifische gesundheitsbezogene Angaben, d. h. solche, die gemäß Art. 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 HCV aufgrund ihres Aussagegehalts bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen grundsätzlich zulassungsfähig wären (Verwendung nur nach Zulassung). Welche Aussagen auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden abzielen, lässt sich Art. 13 Abs. 1 HCV und den dort genannten Fallgruppen a) bis c) entnehmen. Angaben, die die dort genannten Funktionen in Bezug nehmen, aber aufgrund ihrer mangelnden Bestimmtheit nicht zulassungsfähig sind, sind als Angaben über das gesundheitsbezogene Wohlbefinden anzusehen 46 . Angaben, die abseits dieser Funktionen auf das Wohlbefinden abzielen, sind dem allgemeinen Wohlbefinden zuzuordnen und daher von den Regelungen der Verordnung nicht betroffen (Beispiel: „Wellness X“, „wohltuend“).47

51 gesundheitsbezogenes Wohlbefinden ≠ allgemeines Wohlbefinden

Entscheidend ist damit, ob die zu beurteilende Aussage zumindest unspezifisch auf eine der in Art. 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 HCV genannten Funktionen Bezug nimmt 48 . Zu fordern ist bei unspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben ebenso wie bei spezifischen ein Funktionszusammenhang zwischen dem in Bezug genommenen Lebensmittel oder Bestandteil eines Lebensmittels einerseits 49 und den angesprochenen Körperfunktionen andererseits. Dabei reicht nicht die Bezugnahme auf irgendwelche Körperfunktionen, sondern es muss mangels einer Definition des Begriffs der Gesundheit auf einer der in den Fallgruppen des Art. 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 HCV beschriebenen Wirkungen abgezielt werden. Dieser insoweit qualifizierte Funktionszusammenhang kommt auch in der Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a HCV zum Ausdruck und wird dort als „positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung“ beschrieben50.

46

so auch BGH, ZLR 2013, 695 – „Vitalpilze“

47

siehe hierzu eingehend Meisterernst/Haber, Praxishandbuch Health & Nutrition Claims, Behr’s Verlag Hamburg 2007, Art. 10, Rnr. 18 ff; Art. 2, Rnr. 23 ff. 48

so BGH, B. v. 13.1.2011, 1 ZR 22/09, „Gurktaler Kräuterlikör“.

49

ebenso BGH, B. v. 13.1.2011, 1 ZR 22/09, „Gurktaler Kräuterlikör“, Rnr. 9.

50

so auch EuGH, Rs. C-44/10, ZLR 2012, 602 „Deutsches Weintor“

Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

25

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung

51a mittelbare Angaben

Nach der Definition der gesundheitsbezogenen Angabe reicht es aus, wenn der Zusammenhang suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird.

51b Ausnahme: Gesundheit

Allerdings gibt es eine Ausnahme vom Erfordernis eines qualifizierten Funktionszusammenhangs: Wird der Begriff „gesund“ oder „Gesundheit“ im Zusammenhang mit der Bezeichnung, Aufmachung oder Bewerbung eines Lebensmittels oder eines Bestandteils eines Lebensmittels verwendet, liegt immer eine unspezifische gesundheitsbezogene Angabe gem. Art. 10 Abs. 3 HCV vor.

51c weite Auslegung geboten

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass nach den Vorgaben des EuGH51 eine weite Auslegung des Begriffs der gesundheitsbezogenen Angabe geboten ist. Auch der EuGH stellt dabei auf eine positive ernährungsbezogene physiologische Wirkung als Kriterium für das Vorliegen einer gesundheitsbezogenen Angabe ab. Danach sind bei der Beurteilung „sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen“52. 3.2.10.2

Gesundheits- und zugleich nährwertbezogene Angabe

Gesundheitsbezogene Angaben können zugleich nährwertbezogene Angaben darstellen, so z. B. wenn positive Wirkungen eines Nährstoffs auf die menschliche Gesundheit beschrieben werden und zugleich auf das Vorhandensein dieses Nährstoffs in dem Lebensmittel hingewiesen wird. Beispiele: „Getränk X enthält wertvolles Vitamin E, um Ihre Körperzellen zu schützen“ „Lachs enthält wertvolle Fettsäuren, die wichtig für einen gesunden Kreislauf sind“ 3.2.10.3

52 Funktionszusammenhang

Zusammenhang zwischen Gesundheit und Verzehr

Es muss ein Zusammenhang bestehen zwischen der Gesundheit einerseits und der Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder eines seiner Bestandteile andererseits. Dieser Zusammenhang muss im Hinblick auf den Zweck der HCV qualifiziert sein, d. h. auf die Fallgruppen des Art. 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 HCV abzielen. Es handelt sich demnach um einen Funktionszusammenhang. Nicht jede Angabe 51

EuGH, Rs. C-44/10, ZLR 2012, 602, „Deutsches Weintor“; siehe hierzu auch Mylly, EFFL 2013, 271 52

26

EuGH, Rs. C-44/10, ZLR 2012, 602, Deutsches Weintor“, Tz. 38

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3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

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bezüglich der schlichten Aufrechterhaltung der Körperfunktionen im Sinne von „man muss sich ernähren, um nicht zu verhungern“ oder „man muss sich ausgewogen ernähren, um Mangelerscheinungen zu verhindern“, ist als Darstellung eines Zusammenhangs zwischen Lebensmitteln und Lebensmittelkategorien einerseits und der Gesundheit andererseits anzusehen. Der Begriff der Gesundheit ist in der HCV nicht definiert. Der Zusammenhang zwischen dem Bedeutungsgehalt einer Angabe und der Gesundheit kann und muss demnach danach beurteilt werden, ob eine der in Art. 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 HCV genannten Funktionen in Bezug genommen wird. Denn diese eigens geregelten Fallgruppen gesundheitsbezogener Angaben sind vom Gesetzgeber als gesundheitsbezogen festgelegt worden. Angaben, die die dort genannten Funktionen ansprechen, sind demnach als einen Zusammenhang mit der Gesundheit zum Ausdruck bringend anzusehen. Zu fordern ist demnach sowohl bei unspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben als auch bei spezifischen ein qualifizierter Funktionszusammenhang zwischen dem in Bezug genommenen Lebensmittel oder Bestandteil eines Lebensmittels und der angesprochenen Wirkung. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um den in der Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a HCV als positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung beschriebenen Wirkzusammenhang.53 3.2.10.4

52a Fallgruppen maßgeblich?

Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos

Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos werden in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 6 HCV definiert. Sie stellen einen Unterfall der gesundheitsbezogenen Angabe dar. Der Begriff ist weitgehend mit der Definition der gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 HCV identisch (wobei unerklärlich bleibt, warum hier von „Lebensmittelbestandteil“ und in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 HCV von „seiner Bestandteile“ die Rede ist). Zusätzliches Merkmal ist die Angabe über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos, d. h. dass durch den Verzehr „ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich“ gesenkt wird.

53 Begriff

In der Definition ist der Begriff des Risikofaktors nicht weiter erläutert. Zutreffend wird in Erwägungsgrund 27 darauf hingewiesen, dass die Ernährung nur einer von vielen Faktoren ist, die das Auftreten bestimmter Krankheiten beim Menschen beeinflussen. Entsprechend der Definition in Art. 3 Ziff. 9 VO (EG) 178/2002 beinhaltet der Begriff des Risikos „eine Funktion der Wahrscheinlichkeit einer die Ge-

53

Meisterernst, ZLR 2012, 652

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27

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

53a „Green Swan“

Es ist nicht notwendig, dass ausdrücklich mit der gesundheitsbezogenen Angabe zum Ausdruck gebracht wird, dass das Risiko deutlich gesenkt werden muss54. Vielmehr reicht es aus, dass „die Angabe bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen kann, dass die Senkung eines Risikofaktors deutlich ist“55.

54 Beispiele

Beispiel für eine derartige Angabe ist: „Zuckerfreier Kaugummi hilft, die Zahndemineralisierung zu verringern. Die Zahndemineralisierung ist ein Risikofaktor bei der Entstehung von Zahnkaries.“56

3.2.11

Bedingungen für die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben (Art. 10 HCV)

3.2.11.1

Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

Die Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 HCV verbietet grundsätzlich den Gebrauch gesundheitsbezogener Angaben bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung von Lebensmitteln. 55 Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

Gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 13 Abs. 1, 14 HCV unterliegen einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, d. h. sie sind verboten, sofern sie nicht „den allgemeinen Anforderungen“ in Kapitel 2 und den speziellen Anforderungen in Kapitel 4 über gesundheitsbezogene Angaben entsprechen. Weiterhin müssen sie zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14 aufgenommen sein. Die Aufnahme in die Liste gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. c HCV ist demnach konstitutiv, d. h. vor Veröffentlichung gemäß Art. 20 Abs. 3 HCV darf von der betreffenden gesundheitsbezogenen Angabe kein Gebrauch gemacht werden (es sei denn in der Übergangsphase gemäß den vorgesehenen Übergangsfristen gemäß Art. 28 HCV). 3.2.11.2

55a Verhältnis zu § 4 Abs. 2 Nr. 4 NemV

28

Hinweispflichten

Weiterhin müssen Lebensmittel mit gesundheitsbezogenen Angaben bestimmte Hinweise in der Kennzeichnung tragen. Das Verhältnis zu speziellen Hinweispflichten wie z. B. gemäß Art. 6 RL 2002/46/EG für Nahrungsergänzungsmittel ist nicht selbständig 54

EuGH, U.v. 18. Juli 2013, Rs. C-299/12 – „Green Swan“

55

EuGH, a.a.O., Tz. 24

56

Siehe VO (EU) 665/2011

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sundheit beeinträchtigenden Wirkung“, in diesem Falle des Eintritts einer Krankheit.

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

geregelt. Soweit die dortigen Hinweispflichten als abschließend anzusehen sind, greifen die Hinweispflichten des Art. 10 Abs. 2 HCV gemäß Art. 1 Abs. 5 d HCV nicht.57 Um unnötige Diskussionen zu vermeiden, ist dem Verwender allerdings zu empfehlen, den Pflichthinweis gem. Art. 6 Abs. 3 Buchst. c Richtlinie 2002/46/EG (= Art. 4 Abs. 2 Nr. 4 NemV) um einen Hinweis auf die gesunde Lebensweise zu ergänzen. Hinweise sind auf dem Etikett anzubringen, wie dem Durchführungsbeschluss der Kommission vom 24. Januar 2013 (2013/63/EU, Anhang Ziff. 2.1), zu entnehmen ist.

55b Ort

Den dortigen – insoweit verbindlichen – Darstellungen ist zu entnehmen, dass die Informationen gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. a bis d Teil der Kennzeichnung des Lebensmittels sein müssen58. Die Leitlinie wird nachfolgend auszugsweise wiedergegeben (Ziff. 2.1. der Leitline):

55c Leitlinie der Kommission

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„a) Damit eine gesundheitsbezogene Angabe den Vorschriften des Art. 10 Abs. 2 entspricht, müssen die Pflichthinweise in der Kennzeichnung des Lebensmittels ausgewiesen werden, auf das sich die Angabe bezieht. b) Fehlt eine solche „Kennzeichnung“, so sind die Pflichthinweise in der „Werbung“ oder der Aufmachung des Lebensmittels auszuweisen, über das die gesundheitsbezogene Angabe gemacht wird. Wird beispielsweise eine gesundheitsbezogene Angabe in einer allgemeinen Werbung für ein Lebensmittel verwendet (z. B. Olivenöl, Milchprodukte, Fleisch usw.), die nicht auf ein bestimmtes Produkt Bezug nimmt, das eine „Kennzeichnung aufweisen würde“, dann müssen die Pflichthinweise ebenfalls in der „Werbung“ und der „Aufmachung“ dieses Lebensmittels erscheinen.“ Die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a bis d HCV genannten Hinweise sind in ihrem Wortlaut nicht vorgeschrieben, sodass Abwandlungen, die den Sinngehalt der Hinweispflicht abdecken, zulässig sind. 3.2.11.2.1

56 Wortlaut nicht vorgeschrieben

Abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung

Gemäß Art. 10 Abs. 2 a HCV ist ein Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise vorgeschrieben. Die Formulierung ist sprachlich verunglückt. Denn es fehlt die Bezugnahme darauf, für was die abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung und gesunde Lebensweise eine Bedeutung haben soll, so z. B. für ein langes Leben oder eine gute Gesundheit. Die unmittelbare sprachliche Umsetzung dieser

57 sprachlich verunglückt

57

siehe hierzu Meisterernst/Haber, Praxishandbuch Health & Nutrition Claims, Behr’s Verlag Hamburg 2007, Art. 10, Rnr. 7, 11, 15 58

Anhang zum Durchführungsbeschluss vom 24. Januar 2013 (2013/63/EU), 2.1

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29

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

Hinweispflicht ergibt daher keinen tieferen Sinn, so z. B. mit „eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensweise sind bedeutsam“; oder abgewandelt „eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensweise sind wichtig“. 3.2.11.2.2

Verzehrsmuster

58 abhängig von Bedingungen

Soweit die Festlegung derartiger Bedingungen seitens der EFSA nicht als erforderlich erachtet wird, um eine behauptete positive Wirkung zu erzielen, muss ein Hinweis im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Buchst. b HCV nicht erfolgen, weil in diesem Fall eine diesbezügliche Information nicht „erforderlich“ ist. So ist z. B. bei der Verwendung einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe für ein Vitamin i.d.R. eine Information zur Menge des Lebensmittels und des Verzehrsmusters nicht erforderlich.

58a Leitlinie der Kommission

Die Leitlinie der Kommission gemäß Durchführungsbeschluss vom 24. Januar 2013 (2013/63/EU) ist in diesem Punkt nicht ganz klar. Die dortigen Ausführungen gem. Ziff. 2.2.b sollen wohl aussagen, dass Fallkonstellationen denkbar sind, bei denen ein Hinweis gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. b HCV auch dann notwendig ist, wenn für eine gesundheitsbezogene Angabe keine Verwendungsbedingungen festgesetzt worden sind. Dies wird allerdings ein seltener Ausnahmefall sein.

58b pauschale Kennzeichnungsbedingungen

Soweit Angaben nur von einer pauschal festgesetzten niedrigen Menge wie z. B. 15 % der empfohlenen Tagesdosis gem. Anhang zur NKV bzw. zukünftig gem. Anhang XIII Teil A Ziffer 1 zur VO (EU) Nr. 1169/2010 über die Information der Verbraucher (LMIV) abhängen, sind weitergehende Verzehrshinweise zur Menge des Lebensmittels nicht „erforderlich“. Mit der Bezugnahme der jeweiligen Referenzwerte auf eine bestimmte Menge des Lebensmittels (100 g bzw. 100 ml) ist bereits von Gesetzes wegen ein Verzehrmuster intendiert, das aufgrund seiner normativen Festsetzung auch als ausreichend anzusehen ist. Hinweise auf einem Etikett dahingehend, dass ein Erzeugnis nur z. B. 15 % der Referenzmenge für Vitamin C pro 100 g liefert, und zum Erreichen von 100 % der empfohlenen Tagesdosis noch weitere 85 % aus anderen Quellen oder aus einem mehrfachen Verzehr dieses Lebensmittels erzielt werden sollten, bieten keinerlei Informationswert für den Verbraucher und wären überdies u. U. irreführend, da es sich nur um Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr handelt (so die Terminologie der VO (EU) Nr. 1169/2011). Die Menge dieser Nährstoffe werden im Rahmen einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung ohnehin aufgenommen. Ein einzelnes Lebensmittel liefert

30

Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

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Gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. b HCV sind weiterhin Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrsmuster erforderlich. Diese sollen sich darauf beziehen, welche Mengen in welchem Verzehrsmuster notwendig sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen.

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

somit nur einen komplementären Beitrag und ist nie geeignet, die „behauptete positive Wirkung zu erreichen“. Nahrungsergänzungsmittel müssen gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. b RL 2002/46/EG eine empfohlene tägliche Verzehrsmenge in Portionen des Erzeugnisses angeben, sowie Art. 6 Abs. 3 Buchst. c RL 2002/46/EG einen Warnhinweis tragen, dass diese angegebene empfohlene Tagesdosis nicht überschritten werden soll. Auch diese Regelungen sind als spezielle obligatorische Angaben den Hinweispflichten gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. b HCV gegenüber vorrangig. 3.2.11.2.3

58c keine Anwendung auf NEM

Fehlende Eignung für bestimmte Personen

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Gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. c HCV ist ggf. ein Hinweis zu geben, wenn das betreffende Lebensmittel für bestimmte Personen nicht geeignet ist, und diese es vermeiden sollten, das Lebensmittel zu verzehren. Ein derartiger Hinweis wird sich oftmals auch schon aus produkthaftungsrechtlichen Gründen empfehlen. 3.2.11.2.4

Übermäßiger Verzehr

Produkte, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten, sollen gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. d HCV mit einem geeigneten Warnhinweis versehen werden. Diese Hinweispflicht kann nur dann greifen, wenn eine derartige Gesundheitsgefahr handgreiflich entstehen könnte. Bezüglich des Begriffs der Gesundheitsgefahr ist auf die Definition des Art. 3 Ziff. 14 VO (EG) 178/2002 abzustellen. Bei einer „Gefahr“ handelt es sich demnach um „ein biologisches, chemischer oder physikalisches Agens in einem Lebensmittel oder Futtermittel oder einen Zustand eines Lebensmittels oder Futtermittels, der eine Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen kann“. Letztendlich handelt es sich demnach bei der Beurteilung der Gesundheitsgefahr um das Ergebnis einer Risikoanalyse im Sinne der VO (EG) 178/2002.59

3.2.12

Angaben gemäß Art. 10 Abs. 3 HCV

Gemäß Art. 10 Abs. 3 HCV sind bestimmte Verweise auf Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels, die als gesundheitsbezogene Angaben verstanden werden könnten, zulässig, soweit eine zugelassene spezifische (spezielle) gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Durch die Verwendung des Begriffs „Verweise“ bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass es sich dabei nicht um spezifische gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 13 Abs. 1 HCV handelt.

59

siehe hierzu Meyer, EFFL 2006, 146

Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

31

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung

59 pauschale Angaben

Die Verweise müssen sich „auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile“ beziehen. Es handelt sich somit um Aussagen, die aufgrund ihres pauschalen Charakters nicht Gegenstand einer Zulassung gemäß Art. 13 oder 14 HCV sein könnten. Gemeint sind damit Aussagen, die sich demnach zwar auf die Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 a HCV, die psychischen Funktionen oder Verhaltensfunktionen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 b HCV, schlankmachende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften des Lebensmittels im Sinne des Art. 13 c HCV beziehen oder als Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos im Sinne des Art. 14 Abs. 1, 2 Abs. 2 Ziff. 6 HCV verstanden werden könnten, die aber aufgrund ihrer unspezifischen und allgemeinen Formulierung im Wortlaut nicht zugelassen werden können.60

59a räumliche Anordnung

Nicht geregelt ist in der Vorschrift, in welcher Form spezielle zugelassene gesundheitsbezogene Angaben beizufügen sind. Insbesondere fehlen Vorschriften über besondere räumliche Anordnungen (wie z. B. im gleichen Sichtfeld – vgl. § 3 Abs. 3 LMKV – oder im gleichen Werbemedium). Gemäß dem Durchführungsbeschluss der Kommission vom 24. Januar 201361, Ziffer 3, 1. Absatz, „sollte die dem Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile für die Gesundheit beigefügte zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe neben oder unter diesem Verweis angebracht werden“. Die Formulierung lässt Raum für eine Einzelfallbetrachtung. Jedenfalls wird man aber verlangen müssen, dass Verbraucher die zugelassene spezifische Angabe ohne Weiteres wahrnehmen können, z. B. durch Beifügen der spezifischen in unmittelbarer räumlicher Nähe zur unspezifischen Angabe.

59b Wo Beifügen?

Es ist davon auszugehen, dass bei einem Verweis in der Kennzeichnung die zugelassene gesundheitsbezogene Angabe auch in der Kennzeichnung beigefügt werden muss. Bei Verwendung einer unspezifischen Angabe z. B. in einer Werbeanzeige ist die spezifische zugelassene Angabe nur auf dem Etikett bzw. in der Aufmachung beizufügen.

59c Vergleich zu Art. 1 Abs. 3 VO

Zwar enthält die Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 HCV keine weitere Konkretisierung, wo und wie das „Beifügen“ zu erfolgen hat. Aufschlussreich ist allerdings ein Vergleich mit der Vorschrift des Art. 1 Abs. 3 HCV, der das Beifügen nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben bei Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen regelt. Dort ist eindeutig festgelegt, dass die Koppelung in „der betreffenden Kennzeichnung, Aufmachung oder Wer-

32

60

so auch BGH, ZLR 2013, 695 – „Vitalpilze“

61

2013/63/EU, abgedruckt in Anhang A I 1.3

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3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

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bung“ zu erfolgen hat. Nachdem eine derartige Konkretisierung bei Art. 10 Abs. 3 HCV fehlt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber es bei der grundsätzlichen Regelungssystematik belassen wollte, die ebenso wie bei den Pflichthinweisen gemäß Art. 10 Abs. 2 HCV (siehe hierzu die Kommentierung bei Rnr. 6 ff.) eine Wiedergabe auf dem Etikett ausreichen lässt. Erkennbar geht auch die Leitlinie der Kommission gemäß dem Durchführungsbeschluss vom 24. Januar 2013 62 von einem Beifügen auf dem Etikett aus, wenn dort ausgeführt wird, dass die beigefügte gesundheitsbezogene Angabe „neben oder unter diesem Verweis“ angebracht werden soll. Diese Wortwahl nimmt ausschließlich die Gestaltung eines Etiketts in Bezug, für typische Fälle wie z. B. Rundfunkwerbung oder TV-Werbung gibt sie keinerlei Sinn. Will man der Kommission nicht unterstellen, dass sie diese wichtigen Werbeformen völlig außer Acht gelassen hat, ist davon auszugehen, dass sie das Beifügen der spezifischen Angabe nur in der Etikettierung oder Aufmachung eines Lebensmittels vorausgesetzt hat.

59d Leitlinie

Bis zur abschließenden Klärung dieser Frage in der Rechtsprechung sei Verwendern unspezifischer gesundheitsbezogener Angaben jedoch empfohlen, vorsorglich – soweit möglich – bei der Bewerbung von Lebensmitteln mit unspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben eine spezifische Angabe im betreffenden Werbemedium beizufügen.

59e Empfehlung

3.2.13

Angaben im Sinne des Art. 13 Abs. 1 HCV

Art. 13 Abs. 1 HCV definiert gesundheitsbezogene Angaben, die im Verfahren über die Aufstellung einer Gemeinschaftsliste zugelassen werden sollen; entsprechende Angaben können auch nachträglich gemäß Art. 13 Abs. 5 HCV in einem vereinfachten Verfahren nach Art. 18 HCV auf die Liste aufgenommen werden. Die Angaben gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. a, b und c HCV werden den Großteil der von der Verordnung erfassten gesundheitsbezogenen Angaben darstellen. 3.2.13.1

Angaben über Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen

Bemerkenswert ist bei der Definition, dass Wachstum und Entwicklung in erster Linie bei Kindern stattfindet; Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern unterliegen jedoch Art. 14 Abs. 1 lit. b HCV und damit dem Einzelzulassungsverfahren gemäß Art. 15 ff. HCV; sie können demnach nicht auf die Gemeinschaftsliste im Verfahren des Art. 13 Abs. 3 oder Abs. 5 HCV aufgenommen werden. Dies legt eine enge Auslegung des Art. 14 lit. b HCV nahe.

62

60 Wachstum und Entwicklung

2013/63/EU, abgedruckt in Anhang A I 1.3

Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

33

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

Wichtigster Anwendungsfall der gesundheitsbezogenen Angabe ist die Beschreibung der Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für die Körperfunktionen. Im HCV-Entwurf der Kommission wurde noch der Begriff „normale Körperfunktionen“ verwendet. Durch Streichen des Wortes „normale“ sollten auch verbesserte Körperfunktionen erfasst werden.63 Mit Angaben zu einer verbesserten Körperfunktion sind spezifische gesundheitsfördernde Wirkungen bestimmter Nährstoffe oder anderer Substanzen gemeint, die über ihre bekannte Rolle bei Wachstum, Entwicklung und anderen normalen Körperfunktionen hinausgehen.64 3.2.13.2

62 psychische Funktionen

Psychische Funktionen und Verhaltensfunktionen

Art. 13 Abs. 1 Buchst. b HCV nennt psychische Funktionen oder Verhaltensfunktionen als zulassungsfähige gesundheitsbezogene Angaben. Derartige Angaben waren gemäß dem ursprünglichen HCVEntwurf der Kommission65 verboten und wurden von Beginn an kontrovers diskutiert, insbesondere im Hinblick auf die ursprüngliche Formulierung, die psychische Verhaltensweisen in Bezug nahm. Nach diesem weiten Wortlaut war fraglich, ob darunter z. B. auch Werbeslogans wie „Haribo macht Kinder froh“ oder „RedBull verleiht Flügel“ fallen sollten.66 Der Wortlaut wurde auf diese Kritik hin durch das Einbeziehen der Begriffe „Funktionen“ enger gefasst. Hier sollen demnach nur tatsächlich wissenschaftlich überprüfbare psychische Funktionen oder Verhaltensfunktionen einbezogen werden, nicht aber bloße Stimmungslagen. Abgesehen von der Änderung des Wortlauts wurde das vorgesehene Totalverbot aber auch durch die nunmehrige Möglichkeit der Aufnahme in die Gemeinschaftsliste abgeändert. Grund hierfür war, dass in verschiedenen EU-Forschungsprojekten67 gezeigt wurde, dass auch in diesem Bereich genügend valide und spezifische Untersuchungsmethoden existieren, die sich zum Nachweis

63

siehe Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament betreffend den Gemeinsamen Standpunkt vom 13.1.2006, Seite 4: „Mit der Abänderung 44 wird vorgeschlagen, das Wort ‚normale’ vor ‚Körperfunktionen’ zu streichen, damit in dieser Kategorie von wirkungsbezogenen Angaben sowohl normale als auch speziellere Körperfunktionen abgedeckt sind. Dies wird von der Kommission unterstützt und im Gemeinsamen Standpunkt festgehalten“. 64

Diplock A.T. et al. (1999) : Scientific Concepts of Functional Foods in Europe : Consensus Document, Br. J. Nutr. 81 (Suppl. 1): S1-S27 65

Art. 11 Nr. 1 b des Vorschlags für eine Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, KOM (2003) 224 endg. vom 16.7.2003

66

siehe hierzu Meisterernst, ZLR 2002, 569, 578; Sosnitza, WRP 2003, 669, 674

67

Bellisle F. et al. (1998) : Functional Food Science and behaviour and psychological functions, Br. J. Nutr. 80 (Suppl. 1), S173-S193 und Westenhöfer et al. (2004): PASSCLAIM – Mental state and performance, Eur. J. Nutr. 43 (Suppl. 2): II/85-II/117.

34

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61 normale Körperfunktionen

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

spezifischer Effekte von Lebensmitteln auf das Gehirn und daraus folgenden psychischen Funktionen eignen. 3.2.13.3

Schlankheitswerbung

Als dritte Gruppe können Angaben im Bereich „Schlankheitswerbung“ auf die Gemeinschaftsliste nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. c) HCV aufgenommen werden. Auch diese Gruppe von Angaben sollte zunächst nach dem Willen der Kommission als „implizite gesundheitsbezogene Angaben“ verboten sein. 68 Hintergrund für das geplante Verbot waren Befürchtungen, dass der Verbraucher durch solche Angaben irregeführt werden könnte. Jetzt sieht die HCV vor, dass Angaben zum Bereich der Gewichtsabnahme in die Gemeinschaftsliste aufgenommen werden können, sofern sie sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und vom durchschnittlichen Verbraucher richtig verstanden werden. Unter die Regelung fallen:

63 Schlankheitswerbung

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• Schlankmachende Eigenschaften des Lebensmittels • Gewichtskontrollierende Eigenschaften des Lebensmittels • Verringerung des Hungergefühls durch den Verzehr des Lebensmittels • Verstärktes Sättigungsgefühl durch den Verzehr des Lebensmittels • Verringerte Energieaufnahme durch den Verzehr des Lebensmittels In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union war der Bereich der „Schlankheitswerbung“ unterschiedlich geregelt. In Deutschland wurde mit dem Verbot des § 6 NKV eine restriktive Linie verfolgt. Gemäß § 6 Abs. 1 NKV war es verboten, „im Verkehr mit Lebensmitteln oder in der Werbung für Lebensmittel Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen zu verwenden, die darauf hindeuten, dass ein Lebensmittel schlankmachende, schlankheitsfördernde oder gewichtsverringernde Eigenschaften besitzt“.69 Nicht erfasst von der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 NKV waren demnach Aussagen zur Gewichtskontrolle70 und/oder –management und Angaben wie z. B. „für die figurbewusste Ernährung“. Insgesamt war dort die Abgrenzung im Einzelfall aber schwierig. Nicht erfasst waren die Angaben bezüglich verringerten Hungergefühls, verstärkten Sättigungsgefühls und verringerter Energieaufnahme.

64 § 6 NKV

68

Art. 11 Nr. 1c des Vorschlags für eine Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, KOM (2003) 424 endg. vom 16.7.2003

69

siehe hierzu OLG Hamburg, GRUR 1988, 66; OLG Hamm, ZLR 2003, 208

70

OLG Karlsruhe, GRUR 1994, 458

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35

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

3.2.14

Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos gem. Art. 14 Abs. 1 HCV

3.2.14.1

Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos

65 Verhältnis zum Verbot krankheitsbezogener Bewerbung

Gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. a HCV dürfen Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos unter bestimmten Voraussetzungen gemacht werden. Art. 14 Abs. 1 lit. a HCV erlaubt nun derartige Angaben ungeachtet des weiterhin bestehenden Verbots aus der RL 2000/13/EG bzw. zukünftig Art. 7 Abs. 3 LMIV. Systematisch kann daraus gefolgert werden, dass es bei der Grundregel des weitgehenden Verbots der krankheitsbezogenen Bewerbung bleiben soll und die Vorschriften der Verordnung als Ausnahme von dieser Grundregel anzusehen sind. Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sollen ausnahmsweise nur dann zulässig sein, wenn die besonderen Voraussetzungen der Art. 15, 16, 17 und 19 HCV erfüllt sind.

66 Prophylaxe

Mit der Regelung stellt der europäische Gesetzgeber zugleich klar, dass die Wirkung eines Lebensmittels, die in der Verringerung des Risikos einer Erkrankung liegt, nicht als pharmakologische Wirkung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) zu sehen ist. Mit der Regelung wird normativ ein Teilbereich der Krankheitsprophylaxe den Lebensmitteln zugeschrieben. Völlig neu ist dies allerdings nicht: Auch nach der früheren Vorschrift des § 1 LMBG durften Lebensmittel nicht überwiegend einem anderen Zweck als der Ernährung oder dem Genuss dienen. Daraus ergab sich aber im Umkehrschluss, dass ein arzneilicher Nebenzweck eines Lebensmittels durchaus zulässig war und nicht zur Einordnung als Arzneimittel führte.72

67 Problem bei uneinheitlicher Produkteinstufung

Offen ist die Frage, ob eine Zulassung für Angaben möglich ist, die Erzeugnisse betreffen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterschiedlich qualifiziert werden (Beispiel: Melatonin wird in Deutschland als Arzneimittel, in Italien als Nahrungser71

EuGH, Rs. C-239/02, ZLR 2004, 600

72

siehe hierzu Meyer, Lebensmittelrecht, WVG Stuttgart 1997, Kapitel 1, 4.1; BayVGH, ZLR 1997, 468

36

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Auf europäischer Ebene musste sich der EuGH in der Entscheidung „Douwe Egberts“ 71 mit einer vergleichbaren belgischen Regelung befassen. Der EuGH hielt das generelle Verbot mit der Bezugnahme auf das „Schlankerwerden“ in dieser Entscheidung für gemeinschaftsrechtswidrig; ein derartiges Verbot sei nur gerechtfertigt, wenn mit den Angaben der Verbraucher irregeführt werde. Diese Entscheidung mag auch die vorstehend geschilderte Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren beeinflusst haben.

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

gänzungsmittel eingestuft). Hier wird die fehlende Kompetenz der EFSA zur Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln weiterhin in der Praxis Probleme aufwerfen.73 Die Mitgliedsstaaten wollten ungeachtet der Zulassung gesundheitsbezogener Angaben weiterhin in nationaler Kompetenz Stoffe als Arzneimittel einstufen. Insbesondere auf Bestreben der Bundesrepublik Deutschland wurde in die VO (EU) 432/2012 dieser Vorbehalt ausdrücklich in Erwägungsgrund 17 aufgenommen.

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3.2.14.2

Hinweispflicht

Die Verwendung von Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos zieht besondere Hinweispflichten gemäß Art. 14 Abs. 2 HCV nach sich. Der Hinweis muss erklären, dass die Krankheit, auf die sich die Angabe bezieht, durch mehrere Risikofaktoren bedingt ist und dass die Veränderung einer dieser Risikofaktoren eine positive Wirkung haben kann oder auch nicht. Der Wortlaut ist nicht vorgeschrieben, sodass auch eine sinngleiche Angabe erfolgen kann. Der Hinweis muss in der Kennzeichnung des Lebensmittels erfolgen. Falls diese Kennzeichnung fehlt, also bei unverpackter Ware, muss der Hinweis in der Aufmachung und zusätzlich in der Werbung erfolgen.

3.2.15

Angaben über die Entwicklung und Gesundheit von Kindern

3.2.15.1

Historie

Angaben über die Entwicklung und Gesundheit von Kindern wurden in zweiter Lesung auf Initiative des Europäischen Parlaments in die Regelung des Art. 14 Abs. 1 HCV aufgenommen. Die Regelung ist sprachlich verunglückt. Die Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 1 Buchst. b RL 2000/13/EG greift bei Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern nicht, da dort nur das Verbot krankheitsbezogener Werbung für Lebensmitteln genannt ist. Mit der Entwicklung und Gesundheit von Kindern befasste sich die genannte Vorschrift der RL 2000/13/EG nicht.

68 besondere Hinweispflichten

69 Initiative des EP

Der ursprünglich vom Europäischen Parlament in erster Lesung vorgebrachte Vorschlag, Angaben, die sich ausschließlich an Kinder richten, nur nach wissenschaftlicher Prüfung zuzulassen, wurde nicht übernommen. Die Zielrichtung der Vorschrift ist allerdings auch jetzt der besondere Schutz von Kindern vor unzutreffenden Angaben. Daher sollten derartige Angaben nicht dem vereinfachten Verfahren des Art. 13 Abs. 5 HCV überlassen werden. 73

siehe hierzu Meisterernst/Ballke, Arzneimittel&Recht, 2006, 68

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37

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

3.2.15.2

Kinder

70 Definition von „Kind“ fehlt

Die UN-Kinderrechtskonvention definiert in Art. 1 als Kind „jeden Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt“. Ob mit Art. 14 Abs. 1 HCV tatsächlich Kinder bis zu dieser Altersgrenze erfasst werden sollten, ist im Hinblick auf den Zweck der Schutznorm fraglich. Denn diese Definition bezieht die Volljährigkeit als rechtlichen Tatbestand ein. Naheliegender scheint es, da die Vorschrift auf die kindliche Entwicklung und Gesundheit Bezug nimmt, auf die medizinische Unterscheidung von Lebensabschnitten abzustellen. Danach spricht man bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres von Kindern, danach von Jugendlichen.74 Ob auch die ungeborene Leibesfrucht als Kind anzusehen ist, ist fraglich. Die UNKinderrechtskonvention spricht von der Vollendung der Geburt an von Kindern. Auch in Medizin75 und Recht76 wird auf den Zeitpunkt der Geburt abgestellt. 3.2.15.3

Nennung des Begriffs Kinder

71 Kinder müssen genannt werden

Die Kommission ging ursprünglich davon aus, dass es sich nur dann um Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern handelt, wenn der Begriff „Kinder“ verwendet wird; allgemeine Angaben über Entwicklung und Gesundheit, die auch Kinder umfassen, würden danach keine Angaben im Sinne des Art. 14 Abs. 1 HCV darstellen. In diesem Sinne hat sich auch das BVL in seiner Bekanntmachung vom 14.12.2006 bezüglich des Listenaufstellungsverfahrens gemäß Art. 13 Abs. 2 HCV geäußert („Angaben, die sich nur indirekt auf die Entwicklung und Gesundheit von Kindern beziehen, ohne das Wort ‚Kinder’ zu verwenden, sollen zunächst in die Liste aufgenommen werden“).77

72 „Kinderjoghurt“ zulässig

Die bloße Nennung des Begriffs „Kinder“ reicht aber im Umkehrschluss nicht aus, um eine Angabe der Vorschrift des Art. 14 Abs. 1 HCV zu unterwerfen. So kann z. B. auch ein Nahrungsergänzungsmit74

Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage 2004, Stichwort „Lebensabschnitte“ 75

Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage 2004, Stichwort „Lebensabschnitte“ 76

§ 1 BGB: „Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt“

77

38

Bundesanzeiger Nr. 235 vom 14.12.2006

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In den Erwägungsgründen befinden sich bezüglich der weiteren Erläuterung des Begriffs „Kinder“ keine Angaben. Lediglich Erwägungsgrund 16 nimmt die spezielle Verbrauchergruppe der Kinder unter dem Blickwinkel der Irreführung in Bezug.

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

tel mit einer speziell auf den kindlichen Bedarf abgestimmter Vitaminmischung weiterhin als Nahrungsergänzungsmittel für Kinder vermarktet werden, auch wenn die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 HCV nicht erfüllt sind. Es handelt sich dann um eine Angabe im Sinne des § 4 Abs. 2 Ziff. 1 NemV zur Charakterisierung des Erzeugnisses. Auch die Bezeichnung als „Kinderjoghurt“ oder „Kinderdrink“ führt noch nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 HCV einzuhalten wären. Hinzukommen muss eine spezifische Inbezugnahme der Gesundheit und Entwicklung von Kindern, wie z. B. „Lecithin fördert die Lern- und Konzentrationsfähigkeit Ihres Kindes“. Aber auch soweit sich eine gesundheitsbezogene Angabe nicht ausdrücklich auf Kinder bezieht, kommt eine Einstufung als „KinderClaim“ in Betracht, wenn das Produkt aus der Sicht des verständigen Durchschnittsverbrauchers objektiv für Kinder bestimmt ist (siehe hierzu Meisterernst, „Das Märchen vom Rotbäckchen“, ZLR 2014, 189).

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3.2.15.4

Entwicklung und Gesundheit

Art. 14 Abs. 1 HCV erfasst Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern. Diese Begriffe sind denkbar weit und würden an sich auch unspezifische gesundheitsbezogene Angaben für Kinder abdecken. Wie der Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 HCV zu entnehmen ist, gibt es auch unspezifische gesundheitsbezogene Angaben, die sich auf Kinder beziehen. Um die beiden Gruppen des Art. 10 Abs. 3 und Art. 14 Abs. 1 Buchst. b HCV definitorisch auseinander zu halten, sind demnach die Fallgruppen des Art. 13 Abs. 1 HCV in den Art. 14 Abs. 1 Buchst. b HCV mit hineinzulesen, d. h. soweit spezifische Angaben des Art. 13 Abs. 1 HCV auf Kinder bezogen werden, handelt es sich um Angaben über die Entwicklung und Gesundheit von Kindern i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Buchst. b HCV. Unspezifische Angaben, die sich auf Kinder beziehen, unterliegen der Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 HCV, d. h. es ist eine spezifische Angabe gem. Art. 14 Abs. 1 Buchst. b HCV beizufügen (siehe hierzu Meisterernst, ZLR 2012, 652).

3.2.16

72a objektive Zweckbestimmung

72b Abrenzung von unspezifischen Kinder-Claims

Verbote des Art. 11 und 12 HCV

Die Vorschrift des Art. 11 HCV enthält positiv eine Öffnungsklausel für nationale Regelungen für Empfehlungen oder Bestätigungen von nationalen Vereinigungen von Fachleuten der Bereiche Medizin, Ernährung oder Diätetik oder karitativen gesundheitsbezogenen Einrichtungen. Im Umkehrschluss kann aus dieser Vorschrift gefolgert werden, dass, solange spezifische Gemeinschaftsvorschriften bezüglich der Bewerbung mit derartigen Empfehlungen und Bestätigungen fehlen, auch die einschlägigen nationalen Verbote, so insbesondere die des § 12 LFGB greifen. Demgegenüber bringt auch Art. 12 Buchst. c HCV klar zum Ausdruck, dass Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe und von

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73 spezielle Werbeverbote

39

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

Vereinigungen, die nicht in Art. 11 HCV genannt werden, verboten sind. Neben dem bislang geltenden Verbot des § 12 Abs. 1 Ziff. 2 und Ziff. 5 LFGB sind demnach Empfehlungen und Bestätigungen von nationalen Vereinigungen der Bereiche Ernährung, Diätetik oder karitativen gesundheitsbezogenen Einrichtungen, die auch bislang erlaubt waren, wie z. B. Empfehlungen der DGE, weiterhin erlaubt. Für eine Prüfung am Maßstab der Art. 11, 12 Buchst. c HCV ist allerdings Voraussetzung, dass es sich überhaupt bei der betreffenden Mitteilung um eine „kommerzielle Mitteilung“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 HCV handelt.78

3.2.17

Marken als nährwert- und/oder gesundheitsbezogene Angaben

3.2.17.1

Historie

Ob und inwieweit die Regelungen der HCV auch auf Marken anwendbar sein sollten, war im Gesetzgebungsverfahren umstritten. Nach dem Vorschlag der Kommission sollte die Verordnung uneingeschränkt auf Marken anwendbar sein, während nach Auffassung des Europäischen Parlaments Marken vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen werden sollten. Im Rahmen der Kompromissfindung wurden die Übergangsfristen für bereits vor dem 1. Januar 2005 bestehende Handelsmarken oder Markennamen von 10 auf 15 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung verlängert. Die nunmehrige Regelung des Art. 1 Abs. 3 HCV unterwirft Marken den Regelungen der Verordnung, gewährt aber Ausnahmen, sofern eine zugelassene nährwert- bzw. gesundheitsbezogene Angabe „beigefügt“ ist (so genannte „Koppelungslösung“).79 Die Regelung umfasst Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, also nicht nur eingetragene Marken, sondern auch bloße Namen im Sinne des § 12 BGB sowie sonstige markenmäßige Kennzeichnungen. 3.2.17.2

74 Inhalt maßgeblich

40

Verwendung unter Beifügung einer anderen Angabe

Erfasst werden allerdings nur Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden können. Wie sich dem nachstehen-

78

siehe hierzu Erwägungsgrund 4

79

siehe hierzu auch Epping/Greifeneder, WRP 2006, 830, 832

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Weiterhin verboten ist die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben, die den Eindruck erwecken, durch Verzicht auf das Lebensmittel könne die Gesundheit beeinträchtigt werden sowie mit Angaben über Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme.

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

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den Halbsatz entnehmen lässt, sollen diese „ohne das in dieser Verordnung vorgesehene Zulassungsverfahren verwendet werden“ dürfen, soweit die weiteren Voraussetzungen eingehalten sind. Der Gesetzgeber unterstellt somit, dass es sich um Angaben handeln muss, die an sich entweder als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe zulassungspflichtig wären. Ansonsten wäre eine Umgehung der Zulassungserfordernisse der Art. 10 Abs. 1, 8 Abs. 1 VO leicht möglich. Hieraus ergibt sich auch, dass die beizufügende Angabe mit dem jeweils suggerierten oder mittelbar zum Ausdruck gebrachten Sinngehalt der Angabe im Zusammenhang stehen muss. Dies erfordert, dass ein Kennzeichen, das als nährwertbezogene Angabe zu verstehen ist, auch mit einer zugelassenen nährwertbezogenen Angabe zu versehen ist80 sowie eine gesundheitsbezogene Angabe bei Kennzeichen, die einen Gesundheitsbezug suggerieren, beizufügen ist81.

74a Grundsatz

Soweit Marken nur einen undifferenzierten Bedeutungsgehalt zum Ausdruck bringen, kann der inhaltliche Zusammenhang entsprechend schwach sein.

74b unkonkrete Kennzeichen

Kennzeichen oder Phantasiebezeichnungen, die so konkret ausgestaltet sind, dass sie eine spezifische Angabe im Sinne der Art. 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 VO beinhalten, muss eine spezifische Angabe beigefügt werden, die den Bedeutungsgehalt voll abdeckt. In einem solchen Fall bedarf die mit dem Kennzeichen kommunizierte spezifische gesundheitsbezogene Angabe einer Zulassung, d. h. das Kennzeichen stellt im Grunde nur eine vom Wortlaut der Zulassung abgedeckte Variante der jeweiligen gesundheits- oder nährwertbezogenen Angabe dar.

75 Kennzeichen als spezifische health claims

In den meisten Fällen werden sich Kennzeichen aber als unspezifische gesundheitsbezogene Angaben82 (siehe hierzu die Kommentierung bei Art. 2 Rrn. 25) oder als nährwertbezogene Angabe darstellen. Auch dann muss ein inhaltlicher Bezug zwischen beigefügter Angabe und dem Bedeutungsgehalt des Kennzeichens bestehen.

75a unspezifische Claims

Bei Kennzeichen mit einem sehr schwachen Bedeutungsgehalt sind die Anforderungen geringer. Denn worin sollte der spezifische inhaltliche Zusammenhang zwischen einer Marke wie z. B. „Gesundform“ und einem beigefügten Claim bestehen. Ein ausreichender Zusammenhang ist dann bereits anzunehmen, wenn die beigefügte Angabe die ggf. auch nur assoziierte Aussage der Marke unterstützt.

75b nicht immer inhaltlicher Zusammenhang erforderlich

Wie der Begriff des „Beifügens“ auszulegen ist, ist nichts weiter geregelt. Eine bestimmte räumliche Beziehung zwischen der Handelsmarke, Marke oder Phantasiebezeichnung und der beigefügten Angabe

76 „Beifügen“

80

z. B. die Angabe „Vitamin C-Quelle“ für „Hohes C“

81

so auch BGH, U. v. 26. Februar 2014, Az. I ZR 178/12 – „Präbiotik“

82

siehe auch Meisterernst, ZLR 2012, 652, 655

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I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

wie z. B. Anbringen neben oder unter diesem Kennzeichen anders als bei Art. 10 Abs. 3 HCV nicht vorgeschrieben (s.o. Rn. 59a ff.). Anders als bei Art. 10 Abs. 3 HCV ist allerdings in Art. 1 Abs. 3 HCV vorgesehen, dass das jeweilige Kennzeichen nur verwendet werden darf, sofern „der betreffenden Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung“ eine zugelassene Angabe beigefügt ist. Das Beifügen muss demnach z. B. bei einer Werbeanzeige in der betreffenden Anzeige sowie dem Etikett des Lebensmittels erscheinen.

3.2.18

Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben

77 Zulassungsverfahren

Gesundheitsbezogene Angaben, die sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen, werden auf Vorschlag der Mitgliedsstaaten und nach Prüfung der EFSA in eine Gemeinschaftsliste mit allgemein zugelassenen Angaben gem. Art. 13 Abs. 3 HCV aufgenommen. Angaben, die in dieser Liste nicht enthalten sind und die sich auf neue wissenschaftliche Nachweise stützen oder einen Antrag auf den Schutz geschützter Daten enthalten, werden nach einem beschleunigten Verfahren gem. Art. 18 HCV zugelassen. Für Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos sowie über die Entwicklung und Gesundheit von Kindern gem. Art. 14 Abs. 1 HCV ist ein Einzelzulassungsverfahren nach den Artikeln 15–17 vorgesehen.

Von den Europäischen Wirtschaftsverbänden CIAA, ERNA und RHPM wurde eine gemeinsame Vorschlagsliste gem. Art. 13 Abs. 2 HCV erarbeitet, die über die Mitgliedsstaaten eingereicht wurde. Für zahlreiche Stoffe werden darin Angaben vorgeschlagen. Nachfolgend ein beispielhafter Auszug:

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Die HCV sieht für die Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben drei verschiedene Verfahren vor.

I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung

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3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

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I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

3.2.19

Gemäß Art. 21 HCV besteht die Möglichkeit, einen Zulassungsantrag auf der Grundlage geschützter Daten zu stellen. Die betreffende Angabe ist dann gemäß Art. 21 Abs. 2 HCV für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Datum der Zulassung geschützt, solange ein weiterer Antragsteller nicht aufgrund eigener Daten die Zulassung beantragt. Die Voraussetzungen für den Datenschutz regelt die Vorschrift des Art. 21 Abs. 1 HCV.83

3.2.20 79 Register

Gemeinschaftsregister

Nach der endgültigen Entscheidung informiert die Kommission unverzüglich den Antragsteller über den Ausgang und veröffentlicht die Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union.84 Bei einer Entscheidung, die beantragte Angabe zuzulassen, wird diese in die Liste der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben mit etwaigen Bedingungen für ihre Verwendung gem. Art. 20 Abs. 2 c HCV aufgenommen. Bei einer Ablehnung, die Angabe zuzulassen, wird diese in die Liste abgelehnter gesundheitsbezogener Angaben mit dem Grund für die Ablehnung gem. Art. 20 Abs. 2 d HCV eingetragen. Die in der Gemeinschaftsliste erlaubten gesundheitsbezogenen Angaben können von jedem Lebensmittelunternehmer gleichermaßen benutzt werden, sofern er die in der Liste festgesetzten Bedingungen einhält. Mittlerweile sind durch die VO (EU) 432/2012 sowie etliche Einzelverordnungen zu deren Ergänzung eine ganze Reihe von gesundheitsbezogenen Angaben zugelassen worden. Diese können unter der Adresse http://ec.europa.eu/nuhclaims/ abgerufen werden, ebenso wie die abgelehnten bzw. nicht zugelassenen Angaben.

3.2.21 80 Rechtsschutz

Rechtsmittel

Gegen eine ablehnende Entscheidung der Kommission oder das Festsetzen belastender Bedingungen in einer Zulassungsentscheidung kann der Antragsteller in einem Verfahren gemäß Art. 13 Abs. 5, 18 HCV oder Art. 15 ff. HCV gemäß Art. 230 Abs. 4 EGV Klage erheben. Gegenstand der so genannten Individualklage nach Art. 230 Abs. 4 EGV können allerdings nur Maßnahmen mit verbindlichen Rechts-

83

siehe hierzu Ballke in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Herausgeber Andreas Meisterernst/Dr. Bernd Haber, Behr’s Verlag Loseblatt

84

Online-Ausgabe des Amtsblatt der Europäischen Union unter: http://europa.eu.int/eur-lex

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78 Datenschutz

Datenschutz

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wirkungen für den Kläger sein. Klage kann demnach nur gegen die abschließende Entscheidung, nicht bereits gegen das Gutachten der EFSA erhoben werden.85 Gemäß Art. 225 EGV ist für derartige Klagen gegen Entscheidungen das Gericht erster Instanz (EuG) zuständig.

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3.2.22

Zivil- und strafrechtliche Haftung

Art. 17 Abs. 6 HCV legt fest, dass die Zulassung die allgemeine zivilund strafrechtliche Haftung eines Lebensmittelunternehmers für das betreffende Lebensmittel nicht einschränkt. Es verbleibt demnach bei der Kontrolle gesundheitsbezogener Angaben durch die Straf- und Zivilgerichte der Mitgliedstaaten. Allerdings ist in derartigen Verfahren selbstverständlich zu berücksichtigen, wenn die dort streitigen Angaben nach Bewertung durch die EFSA durch die Kommission zugelassen worden sind. Soweit im Rahmen gerichtlicher Verfahren die Vorschriften der HCV entscheidend sind, besteht die Möglichkeit den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 234 EGV um Auslegung der betreffenden Vorschrift zu bitten. Die Kontrolle, ob Lebensmittelunternehmer von zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben entsprechend den Vorschriften der Verordnung Gebrauch machen, obliegt damit primär weiterhin den Gerichten der Mitgliedstaaten.

3.2.23

81 Haftung

Übergangsvorschriften

Art. 28 enthält die komplizierten Übergangsmaßnahmen bei der Einführung und Umsetzung der HCV. Abs. 1 legt dabei die Grundregel fest, die abschließend in den Absätzen 2 bis 6 von zahlreichen Ausnahmen durchbrochen wird. Abs. 2 beschäftigt sich speziell mit Handelsmarken oder Markennamen, Abs. 3 und 4 mit nährwertbezogenen Angaben, die Absätze 5 und 6 mit gesundheitsbezogenen Angaben.

82 Übergangsvorschriften

Die feinsinnig abgestuften Übergangsfristen bereiteten von Beginn an Probleme. Offen sind nach wie vor etliche Anträge für gesundheitsbezogene Angaben für Kinder, die unter den Übergangsvorschriften des Art. 28 Abs. 6 HCV fallen. Wird von der Übergangsvorschrift durch Verwendung noch anhängiger Anträge Gebrauch gemacht, sind die betreffenden Anträge aber eng auszulegen, so dass anzuraten ist, sich streng an die beantragten Angaben zu halten86. Strittig ist auch, inwieweit die Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 5 noch anwendbar ist. Diese läuft bis zur Verabschiedung der Gemeinschaftsliste gem.

85

so auch von Danwitz, Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben im Visier des Gesetzgebers, GRUR 2005, 896, 903 86

OLG Hamburg, U.v. 01.03.2012, WRP 2013, 99; BGH, U.v. 26. Februar 2014, Az. I ZR 178/12 – „Präbiotik“

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I.3 Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung 3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 – HCV

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Art. 13 Abs. 2 HCV. Nach der Auffassung des BGH87 soll diese erste Teilliste noch nicht zu einem Auslaufen der Übergangsvorschriften des Art. 28 Abs. 5 HCV geführt haben. Anlass hierfür ist, dass die sog. „Botanicals“, d. h. Pflanzenstoffe, auch einer gesonderten Regelung zugeführt werden sollen. Gem. Erwägungsgrund 11 der VO (EU) Nr. 432/2012 sollen diese noch bis zur abschließenden Beurteilung weiter verwendet werden dürfen. Dies wäre aber an sich nur zulässig, wenn die Vorschrift des Art. 28 Abs. 5 HCV für diese beantragten Angaben noch gilt.

87

46

BGH, ZLR 2013, 659 – „Vitalpilze“

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