Wintersemester 2001/2002 Vorlesung:
Semiotik Mittwoch, 18 – 2o h, Hs. C Lorenz Engell
11. Vorlesung (23. 1. 2002): Peirce und Deleuze: Die Bildzeichen des Films
Tabelle 1: Zeichenklassen nach Peirce 1)
1.1
2.1
3.1
„rhematisch- iconisches Qualizeichen“: „Azur“, „Orange“ Filmbild: Lichtführung, „Glamour“, „Schlagschatten“. Montage: Begrenztheit einer Einstellung in der Zeit (Dauer).
2)
1.2
2.1
3.1
„rhematisch- iconisches Sinzeichen“: Fingerabdruck Filmbild: erkennbares Gesicht. Montage: Anfang und Ende einer konkreten Einstellung.
3)
1.2
2.2
3.1
„rhematisch- indexikalisches Sinzeichen“: Schrei Filmbild: Gesichtsausdruck. Montage: „Zusammenstoß“ zweier Einstellungen.
4)
1.2
2.2
3.2
„dicentisch- indexikalisches Sinzeichen“: Wetterfahne, Rauch Filmbild: Gesicht eines identifizierbaren Stars. Montage: Verkettung aufeinanderfolg. Einstellungen (und dann, und dann)
5)
1.3
2.1
3.1
„rhematisch- iconisches Legizeichen“: die „typische“ Fieberkurve einer speziellen Erkrankung. Filmbild: „typischer“ Gesichtsausdruck als Charakterisierg. einer Figur Montage: Umschnitt im Raum, Wechsel der Einstellungsgröße, Einfügung,
6)
1.3
2.2
3.1
„rhematisch- indexikalisches Legizeichen“: Zeigehandlung, Bense: Kunstwerk. Filmbild: Gesichtsausdruck als Gefühlsausdruck in einer Situation Montage: Schnitt, der einen Zeit-, Raum- oder Modalitätssprung bezeichnet
7)
1.3
2.2
3.2
„dicentisch- indexikalisches Legizeichen“: Verkehrsschild Filmbild: Gesichtsausdruck als Reaktion. Montage: Schnittgefüge
8)
1.3
2.3
3.1
„rhematisch-symbolisches Legizeichen“: Wort; Nationalflagge Filmbild: Gesichtsausdruck als Aussage, Kommentar usw. Montage: „abstrakter“ Schnitt
9)
1.3
2.3
3.2
„dicentisch-symbolisches Legizeichen“: Satz; Filmbild: Interaktion zwischen Dialogpartnern. Montage: abstrakte „Gedankensequenz“
10)
1.3
2.3
3.3
„argumentisch-symbolisches Legizeichen“: Schlußfolgerung, Gesetz, Gewohnheit. Filmbild: „mimische Grammatik“. Montage: Montageschemata in der Art der Montagetheorie Eisensteins, der „Großen Syntagmatik“ Metz’.
Tabelle 2: Zeichenklassen und Inklusionsstufen nach Peirce
Zeichenklasse
entspricht
Inklusionsstufe
und realisiert („Realität“)
1 1 1 (rhemat.- icon. Qualizeichen)
Zeichen als Mittel
reine Erstheit
2 1 1 (rhemat.- icon. Sinzeichen)
unmittelbares Objekt
Erstheit mit Zweitheit
2 2 1 (rhemat.- indexikal. Sinzeichen)
dynamisches Objekt
Zweitheit mit Erstheit
2 2 2 (dicent.- indexikal. Sinzeichen)
dynamischer Objekt-Bezug reine Zweitheit
3 1 1 (rhemat.- icon. Legizeichen)
unmittelbarer Interpret.
3 2 1 (rhemat.- indexikal. Legizeichen)
Zeichen: Umfassende Relation
3 2 2 (dicent.- indexikal. Legizeichen)
dynamischer Interpret.
Zweitheit mit Drittheit
3 3 1 (rhemat.-symbol. Legizeichen)
dynami. Interpret.-Bezug
Drittheit mit Erstheit
3 3 2 (dicent.-symbol. Legizeichen)
finaler Interpret.
Drittheit mit Zweitheit
3 3 3 (argument.-symbol. Legizeichen)
finaler Interpret.-Bezug
reine Drittheit
Erstheit mit Drittheit
„vollst. Mischung“
Tabelle 3: Bildklassen des Films nach Deleuze 1. Wahrnehmungsbild: Bild als Wahrnehmungsereignis oder Wahrnehmungsprozeß. Das Bild realisiert sich als wahrgenommenes, es ist in besonderer Weise in Hinsicht auf seine Wahrnehmung, sein wahrgenommen-Werden gegeben. 2. Affektbild: Bild, das bereits zu einem anderen Bild im Zusammenhang steht (von ihm affektiert wird), ohne aber auf dieses Bild irgendwie einzugehen, auf es zu reagieren oder sich auf es zu beziehen. 3. Triebbild: Bild, das sich auf etwas richtet; auf etwas, das als von ihm getrennt erfahren wird, ein anderes Bild (Vgl. Trieb-Objekt, Freud) 4. Aktionsbild: Bild, bei dem die Relation zwischen zwei Bildern voll ausgeprägt ist; also immer eine Kombination zwischen zwei Bildern, die sich aufeinander beziehen, z.B. Reiz/Reaktion; Ursache/Wirkung usw. a. Sondertyp: Mentales Bild, erfüllt den Zusammenhang nicht, sondern regt ihn an. 5. optisches/akustisches Bild, Deleuze: „reine optische oder akustische Situation“; „Opto- und Sonozeichen“: Bild, das eine Situation reiner Wahrnehmung wiedergibt (wie Wahrnehmungsbild), aber ein vermitteltes Bild bleibt, d.h. eines, dessen Gesehen Werden wiederum sichtbar wird, ohne jedoch in ein Subjekt/ObjektSchema aufgelöst zu werden wie im Aktionsbild. 6. Erinnerungsbild und Traumbild: „unsichtbare“, komplexe Bilder, die sich auf zwei andere Bilder beziehen, nämlich auf das Erinnerte einerseits, das Subjekt der Erinnerung auf der anderen Seite (genauso beim Traum). Sie unterliegen also nicht einer Subjekt-Objekt-Relation, sondern sie stiften sie. 7. Kristallbild: Bilder, in denen zwei andere Bilder zusammenfallen (und einander reflektieren), und zwar so, daß zunehmend das eine mit dem anderen überlagert. Sie bleiben verschieden (keine Identität), aber werden ununterscheidbar. Man kann etwa nicht mehr unterscheiden, welches eine subjektive und welches eine objektive Wirklichkeit ist, was aktuell ist und was „nur“ virtuell (als Bild von etwas nur Vorgestelltem oder nur Möglichen). 8. Wahrheitsbilder (Deleuze: Bilder des Falschen), die ausdrücklich den Zusammenhang zwischen verschiedenen Bildern thematisieren, indem sie erwartbare Bildzusammenhänge stören und zerstören, indem sie dadurch den Zwischenraum zwischen den Bildern selbst zum Thema machen. 9. Denkbilder (Noobilder), die sich selbst als denkenden Gesamtapparat verstehen und auch die Entäußerung des Denkens, das Denken der Welt gleichsam (oder die denkende Welt) ansprechen. 10. „Lektobilder“ : Bilder, die die Hervorbringung der Bilder hervorbringen
Tabelle 4: Zeichenklassen und Inklusionsstufen nach Peirce und Zuordnung zu den Bildklassen des Films nach Deleuze
Zeichenmittel: (rhemat.- icon. Qualizeichen)
Wahrnehmungsbild
reine Erstheit (1. 1. 1.)
Unmittelbares Objekt: (rhemat.- icon. Sinzeichen)
Affektbild
(2. 1. 1.)
Dynamisches Objekt: (rhemat.- indexikal. Sinzeichen)
Triebbild
(2. 2. 1.)
Objektbezug: (dicent.- indexikal. Sinzeichen)
Aktionsbild
reine Zweitheit (2. 2. 2.)
Unmittelbarer Interpretant: (rhemat.- icon. Legizeichen)
reines optisches Bild
(3. 1. 1)
Dynamischer Interpretant: (dicent.- indexikal. Legizeichen)
Erinnerungsbild/Traumbild (3. 2. 2.)
Beziehung zum dyn. Int: (rhemat.-symbol. Legizeichen)
Kristallbild
(3. 3. 1.)
Finaler/logischer Interpretant: (dicent-symbol. Legizeichen)
Wahrheitsbild
(3. 3. 2.)
Interpretantenbezug: (argument.-symbol. Legizeichen)
Denkbild
reine Drittheit (3. 3. 3.)
umfassender Zeichenbezug: (rhemat.- indexikal. Legizeichen)
Lektobild
vollst. Mischung (3. 2. 1.)
Schema 1: Das Zeichen nach Peirce
M
O
I
Schema 2: Zeichentypen, sog. „Trichotomien“ nach Peirce
-
-
Qualizeichen: Erstheit des Zeichenmittels Sinzeichen: Zweitheit des Zeichenmittels Legizeichen: Drittheit des Zeichenmittels
Icon: Erstheit des Objektbezugs Index: Zweitheit des Objektbezugs Symbol: Drittheit des Objektbezugs
- Rhema: Erstheit d. Interpretantenbezugs - Dicent: Zweitheit d. Interpr.-bezugs - Argument: Drittheit d. Interpr.-bezugs
Schema 3: Generierungsschema der Zeichenklassen nach Walther
1. 1. 1.
2. 1. 1.
2. 2. 1.
2. 2. 2.
3. 1. 1.
3. 2. 1.
3. 2. 2.
3. 3. 1.
3. 3. 2.
3. 3. 3.
Schema 4: Generierungsschema der Zeichenklassen in triadischer Form
1. 1. 1.
2. 1. 1.
2. 2. 1.
3. 1. 1.
2. 2. 2.
3. 2. 1.
3. 2. 2.
3. 3. 1.
3. 3. 2.
3. 3. 3.
Schema 5: Generierungsschema in triadischer Form mit Inklusionsstufen
Zeichenmittel
unmittelbares Objekt
dynam. Objekt
Objektbezug
unmittelbarer Interpretant
UMFASSENDE dynamischer Interpret. RELATION/ ZEICHEN
dynamischer Interpret.Bezug
finaler Interpret.
Interpret.Bezug
Schema 6: Generierungsschema der Bildklassen des Films nach Deleuze
Wahrnehmungsbild
Affektbild
Triebbild
Aktionsbild
Reines optisches/akustisches Bild
LEKTOBILD
Kristallbild
Erinnerungsbild/ Traumbild
Wahrheitsbild
Noobild/Denkbild