2 Funktionen einer Variablen

2 Funktionen einer Variablen Wir haben im letzten Kapitel allgemeine Abbildungen zwischen beliebigen Mengen betrachtet. Hier wollen wir uns nun mit ...
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Funktionen einer Variablen

Wir haben im letzten Kapitel allgemeine Abbildungen zwischen beliebigen Mengen betrachtet. Hier wollen wir uns nun mit dem Fall besch¨aftigen, dass sowohl der “input” als auch der “output” eine reelle Zahl ist. Wir betrachten also Abbildungen R → R.

2.1

Einfu ¨ hrende Beispiele

Kostenfunktion und St¨ uckkostenfunktion: Das Unternehmen Miel produziert hochwertige Waschmaschinen. Es hat monatliche Fixkosten von 170.000 ¤. Die sind unabh¨ angig von der produzierten Menge. Pro produziertem St¨ uck fallen variable Kosten (vor allem Material und L¨ohne) von 500 ¤ an. Die monatlichen Gesamtkosten des Unternehmens (in ¤) betragen dann K(x) = 170.000 + 500x, wobei x die Anzahl der im Monat produzierten Waschmaschinen ist. Bei 100 Waschmaschinen fallen also Gesamtkosten an in H¨ohe von K(100) = 220.000, bei 1000 St¨ uck K(1000) = 670.000. K heißt die Kostenfunktion. Wenn man nicht an den Gesamtkosten K interessiert ist, sondern an den Kosten pro produziertem St¨ uck, so erh¨alt man die St¨ uckkostenfunktion S(x). Sie ergibt sich aus der Kostenfunktion K(x) einfach durch S(x) =

K(x) . x

In obigem Beispiel ist S(x) =

170.000 + 500x 170.000 = 500 + . x x

Bei 100 produzierten Waschmaschinen ist das also S(100) = 2200, bei 1000 Maschinen S(1000) = 670. Weitere ¨ okonomische Funktionen sind Nachfrage-Funktion (Preis-Absatz-Funktion): Sei p der Preis eines Gutes, N die nachgefragte (abgesetzte) Menge. Die Nachfragefunktion ist dann N (p).

49

¨ Ublicherweise wird N (p) kleiner, wenn der Preis p steigt. So k¨onnte z.B. (p ausgedr¨ uckt in ¤) N (p) = 100.000 − 500p (2.1) sein. Das heißt, bei einem Preis von 10 ¤ betr¨agt die Nachfrage 95.000 St¨ uck, bei einem Preis von 13 ¤ nur 93.500 St¨ uck. Oft wird auch umgekehrt die Funktion p(N ) betrachtet. Angebotsfunktion: Sei p der Preis eines Gutes, A die vom Produzenten zu dem Preis auf den Markt gebrachte Menge. Die Angebotsfunktion ist dann A(p). Angebotsfunktionen sind typischerweise monoton steigend. Erl¨ osfunktion: F¨ ur N abgesetzte G¨ uter zum St¨ uckpreis p(N ) ist der Erl¨os in Abh¨ angigkeit von der Menge N E(N ) = N · p(N ). Hierbei ist ber¨ ucksichtigt, dass der Preis p von der Nachfrage N abh¨angt, typischerweise mit hoher Nachfrage steigt. In Abh¨ angigkeit vom Preis p ist die Erl¨osfunktion E(p) = N (p) · p. Wenn wir die Nachfragefunktion (2.1) benutzen, erhalten wir E(p) = 100.000p − 500p2. Eine typische Frage ist: F¨ ur welchen Preis p wird der Erl¨os E(p) maximal. Solche und a ¨hnliche Fragen werden wir mit etwas mathematischer Theorie beantworten k¨ onnen.

2.2

Grundlegende Begriffe und Bezeichnungen

Eine Abbildung f :R→R

mit D(f ) ⊆ R

heißt reellwertige Funktion einer reellen Variablen (Ver¨ anderlichen) wobei D(f ) der bereits fr¨ uher definierte Definitionsbereich von f ist. Die Menge W (f ) := {f (x) : x ∈ D(f )} heißt der Wertebereich von f . Erinnerung: D(f ) = {x ∈ R : Es gibt y ∈ R mit y = f (x)}, d.h. D(f ) besteht aus all den x, die man “in f einsetzen” kann. Wir nennen x 7→ f (x) die Zuordnungsvorschrift und Gf = {(x, y) ∈ D(f ) × R : y = f (x)} den Graph von f . 50

Beispiel 2.1 • x 7→

• x 7→ x2 hat den Definitionsbereich R.

1 hat den Definitionsbereich R \ {0}. x

• Die schon vorher betrachtete Kostenfunktion K(x) = 170.000 + 500x hat als Definitionsbereich R. In dem betrachteten Beispiel sind allerdings nur nicht-negative ganze Zahlen x interessant (x: Anzahl der Waschmaschinen) und nur bis zu einer gewissen H¨ohe, die durch die Maximalauslastung des Unternehmens gegeben ist. Dieses Beispiel zeigt, dass nicht alle Werte f¨ ur x, die mathematisch sinnvoll sind, auch im ¨okonomischen Sinn sinnvoll sind. Ein Hilfsmittel zur Veranschaulichung einer Funktion f und ihres Graphen ist eine Wertetabelle, in der ausgew¨ahlte Werte von x zusammen mit ihrem Funktionswert f (x) eingetragen werden. Beispiel 2.2 Wir setzen unser Beispiel K(x) = 170.000 + 500x fort: x K(x)

1 170.500

10 175.000

20 180.000

50 195.000

100 220.000

1000 670.000

Beispiel 2.3 f (x) = 3x2 + 2x + 1: x f (x)

-2 9

-1 2

0 1

1 6

2 17

5 86

10 . 321

Eine genauere Methode ist das Zeichnen der Graphen in ein Koordinatensystem. Der Graph zur oben angegebenen Funktion 3x2 + 2x + 1 ist 12

10

8

6

4

2

–2

–1

0

1 x

51

Verkn¨ upfung von Funktionen Aus gegebenen Funktionen k¨onnen durch Verkn¨ upfung mittels der Grundrechenarten neue Funktionen gebildet werden. Seien f, g : R → R Funktionen und λ ∈ R. Dann lassen sich auch die folgenden Funktionen definieren: λf : R → R, mit f ± g : R → R, mit f · g : R → R, mit

f : R → R, mit g

(λf )(x) = λf (x), (f ± g)(x) = f (x) ± g(x), (f · g)(x) = f (x) · g(x), f f (x) (x) = . g g(x)

Die Definitionsbereiche sind D(λf )

= D(f ),

D(f ± g) = D(f ) ∩ D(g), D(f · g) = D(f ) ∩ D(g),   f = {x ∈ R : x ∈ D(f ) ∩ D(g) und g(x) 6= 0}. D g Wir erinnern daran, dass man auch f ◦ g (Verkettung von f und g) bilden kann. Der Definitionsbereich von f ◦ g sind diejenigen Elemente x ∈ R, f¨ ur die g(x) im Definitionsbereich von f liegt. Beispiel 2.4 Seien f (x) = 15x − 3, g(x) = 2x2 − 3x + 1. Dann sind (5f )(x) = 75x − 15, (f + g)(x) = 2x2 + 12x − 2, (f · g)(x) = (15x − 3)(2x2 − 3x + 1) = 30x3 − 51x2 + 24x − 3,

  f 15x − 3 (x) = 2 . g 2x − 3x + 1 Aus dem Definitionsbereich von

f m¨ ussen 1 und 1/2 ausgeschlossen werden, g

weil g(1) = 0 und g(1/2) = 0. Monotonie und Beschr¨ anktheit

52

Seien f : R → R eine Funktion und I ⊆ R ein Intervall im Definitionsbereich von f . Gilt f¨ ur alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 f (x1 ) ≤ f (x2 ) (bzw. f (x1 ) < f (x2 ))

(2.2)

dann heißt f (streng) monoton wachsend in I. Gilt f¨ ur alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 f (x1 ) ≥ f (x2 ) (bzw. f (x1 ) > f (x2 )) dann heißt f (streng) monoton fallend in I. Die Funktion f heißt (streng) monoton wachsend auf dem ganzen Definitionsbereich, wenn die Bedingung (2.2) f¨ ur alle x1 , x2 ∈ D(f ) mit x1 < x2 erf¨ ullt ist. Entsprechendes gilt f¨ ur (streng) monoton fallend. ist streng monoton fallend. AnDie St¨ uckkostenfunktion S(x) = 500 + 170.000 x schaulich bedeutet das: Je mehr St¨ ucke produziert werden, umso geringer sind die St¨ uckkosten, umso effizienter ist also die Produktion. Wir halten folgenden interessanten Zusammenhang zwischen Monotonie und Injektivit¨ at fest: Ist f streng monoton wachsend (oder streng monoton fallend) dann ist f injektiv, hat also eine Umkehrfunktion. Beispiel 2.5 Die Funktion f (x) = 2x2 + 4x − 30 ist auf [0, ∞) streng monoton wachsend, auf (−∞, −2] streng monoton fallend. Wo genau sich das Wachstumsverhalten umkehrt, ist am Graphen nicht genau zu erkennen. Das werden wir sp¨ ater mit mathematischen Methoden ermitteln k¨onnen. Ist die Funktion f : R → R injektiv, hat den Definitionsbereich D und den Wertebereich W , so ist f : D → W bijektiv. Dann heißt f −1 : W → D , y 7→ x wobei x ∈ D mit f (x) = y die Umkehrfunktion zu f . Der Graph Gf −1

= =

{(y, x) ∈ W × D | y = f (x)} {(y, x) ∈ W × D | (x, y) ∈ Gf }

entsteht aus Gf durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden mit der Gleichung x = y.

53

Beispiel 2.6 Wir betrachten wieder die St¨ uckkostenfunktion S(x) = 500 +

170.000 . x

F¨ ur welche St¨ uckzahl ergibt sich 1500 ¤? Wir l¨osen hierzu 500 +

170.000 = 1500 x

nach x auf und erhalten 170.000 = 1000, x x = 170. Das ist die gesuchte St¨ uckzahl, denn es ist nun S(170) = 1500. L¨osen wir allgemein die Gleichung 170.000 500 + =y x nach x auf, so erhalten wir 170.000 x= y − 500 und dies ist gerade die Umkehrfunktion, also

170.000 . y − 500

S −1 (y) =

Mit ihr l¨ asst sich zu beliebigen St¨ uckkosten die zugeh¨orige St¨ uckzahl ermitteln. 2 Beispiel 2.7 Die Funktion f : R+ → R+ 0 mit f (x) = x ist bijektiv. Ihre √ 0 −1 Umkehrabbildung ist f (y) = y. 4

3

y2

1

0

1

2 x

54

3

4

Beachte: Die Funktion f (x) = x2 kann auch f¨ ur alle x ∈ R betrachtet werden, ist dann aber nicht injektiv, folglich gibt es dann auch keine Umkehrfunktion. K¨ onnen Funktionen nicht beliebig groß oder klein werden, spricht man von beschr¨ ankten Funktionen: Sei f : R → R eine Funktion und sei D der Definitionsbereich. Gibt es ein c ∈ R mit f (x) ≥ c (bzw. f (x) ≤ c) f¨ ur alle x ∈ D, dann heißt f nach unten (bzw. oben) beschr¨ ankt. Ist f nach unten und nach oben beschr¨ankt, dann heißt f beschr¨ ankt. Anders formuliert: Der Wertebereich W (f ) ist beschr¨ankt, also W (f ) ⊆ [a, b] f¨ ur geeignete a, b ∈ R. Beispiel 2.8 Die Funktion f (x) = x2 − 4 mit dem Graphen

4

2

–3

–2

–1

1

2

3

x

–2

–4

ist nach unten beschr¨ ankt, weil f (x) ≥ 4 f¨ ur alle x ∈ R. Die Funktion ist aber nicht nach oben beschr¨ ankt. Beispiel 2.9 Die Funktion f (x) = x3 ist weder nach oben noch nach unten beschr¨ ankt.

55

8

6

4

2

–2

–1

1

2

x –2

–4

–6

–8

Wir betrachten wieder die Kostenfunktion K(x) = 170.000 + 500x auf dem Intervall [0, 2000]. Dort ist K beschr¨ankt, weil K(x) ≥ K(0) = 170.000 K(x) ≤ K(2000) = 1.170.000 f¨ ur alle x ∈ [0, 2000]. Das Intervall [0, 2000] k¨onnte aus ¨okonomischer Sicht relevant sein, wenn etwa die Maximalauslastung bei 2000 produzierten Waschmaschinen liegt. Beispiel 2.10 f (x) = 7

56

8

7.5

7

6.5

6 –3

–2

–1

0

1

2

3

x

Diese Funktion heißt konstant Allgemein heißt eine Funktion mit der Vorschrift f (x) = c, wobei c eine Zahl unabh¨ angig von x ist, konstant. Konstante Funktionen sind nicht injektiv und nicht surjektiv. Beispiel 2.11 f (x) = 10x − 3:

10

–2

x 1

–1

2

0

–10

–20

Die Abbildung f ist injektiv und surjektiv. Eine Funktion der Form f (x) = a · x + b heißt linear. Dabei sind a und b feste reelle Zahlen. Die Kostenfunktion K(x) = 170.000 + 500x ist beispielsweise eine lineare Funktion. Beispiel 2.12 Ein Kopierladen erhebt die Kosten pro Fotokopie in Abh¨angigkeit von der Gesamtzahl der get¨atigten Kopien. Hierbei gelten folgende Preise:

57

Anzahl der Kopien Preis pro Kopie

0 bis 49 0,05¤

50 - 99 0,04¤

ab 100 0.03¤

Die Funktion k, die den Preis pro Kopie beschreibt, ist also gegeben durch    0, 05 falls 0 ≤ x ≤ 49, 0, 04 falls 50 ≤ x ≤ 99, k(x) =   0, 03 falls 100 ≤ x.

Ihr Graph sieht wie folgt aus:

ο

0.05

0.045



0.04

ο

0.035



0.03 0

20

40

60

80

100 120 140 160 180 200 x

Eine solche Funktion nennt man Treppenfunktion. Treppenfunktionen sind weder injektiv noch surjektiv. Achtung: Eigentlich ist unsere Funktion k(x) nat¨ urlich nur f¨ ur ganzzahlige x definiert. Wir haben bei der hier angegebenen Skizze aber x beliebig reellwertig angenommen, was f¨ ur die Visualisierung durchaus angemessen ist. Bei Funktionen mit Spr¨ ungen wie in diesem Beispiel sollte man bei der Visualisierung deutlich machen, welche Punkte an den Sprungstellen zum Funktionsgraphen geh¨ oren. Wir malen einen fetten Punkt, wenn der Punkt dazugeh¨ort, sonst einen nicht ausgef¨ ullten kleinen Kreis. Die Funktion K, die die Gesamtkosten des Kunden in Abh¨angigkeit von der St¨ uckzahl angibt, ist

58

   0, 05x falls 0 ≤ x ≤ 49, 0, 04x falls 50 ≤ x ≤ 99, K(x) =   0, 03x falls 100 ≤ x.

Ihr Graph sieht wie folgt aus: 6

5

4

ο

3

• ο



2

1

0

20

40

60

80

100 120 140 160 180 200 x

Nullstellen H¨ aufig interessiert man sich f¨ ur die Werte der unabh¨angigen Variablen einer Funktion, f¨ ur die der Funktionswert 0 ist: Sei f : R → R eine Funktion. Ist x0 ∈ D(f ) eine reelle Zahl mit f (x0 ) = 0, dann heißt x0 eine Nullstelle von f . Der folgende Graph skizziert eine Funktion mit drei Nullstellen (3, 1 und −3):

59

60

40

20

–3

–2

–1

1

2

3

4

x –20

–40

3

Polynome und rationale Funktionen

Eine Funktion P : R → R gegeben durch P (x)

= an xn + an−1 xn−1 + · · · + a1 x + a0 =

n X

ak xk ,

k=0

wobei n ∈ N0 , ak ∈ R und an 6= 0, heißt Polynom(funktion) vom Grad grad(P (x)) = n. Die Funktion P (x) = 0 heißt das Nullpolynom. Wir setzen grad(0) = −∞. Die Zahlen a0 , a1 , . . . , an heißen die Koeffizienten des Polynoms. Ist an = 1, dann heißt P normiert.

60

60

40

20

–3

–2

–1

1

2

3

x

–20

Abbildung 1: Graph von 2x4 − 10x2 + 3x − 10 Division mit Rest Seien S(x), T (x) zwei Polynome, T (x) 6= 0. Dann gibt es eindeutig bestimmte Polynome Q(x) und R(x) mit der Eigenschaft S(x) = T (x)Q(x) + R(x) und grad(R(x)) < grad(T (x)) Die Polynome Q(x), R(x) werden genauso wie beim “schriftlichen Dividieren” berechnet. R(x) heißt Rest von S(x) bei Division durch T (x). Gilt dabei R(x) = 0, so heißt T (x) ein Teiler von S(x). Beispiel 3.13

• Sei S(x) = 6x3 + 17x2 − 4x + 5, T (x) = 3x + 1. Dann ist 6x3 + 17x2 − 4x + 5 = (2x2 + 5x − 3) · (3x + 1) + 8,

also Q(x) = 2x2 + 5x − 3 und R(x) = 8. • Sei S(x) = x2 + x − 12, T (x) = x + 4. Wir erhalten x2 + x − 12 = (x − 3)(x + 4) + 0, also Q(x) = x − 3 und R(x) = 0. Der Buchstabe Q soll andeuten, dass es sich bei Q(x) um den Quotienten und bei R(x) um den Rest handelt. Allgemein gilt f¨ ur x0 ∈ R und T (x) = x − x0 : Die Division mit Rest liefert die Darstellung S(x) = (x − x0 )Q(x) + P (x0 ). Es ist also S(x0 ) = 0 genau dann, wenn S(x) von der Form S(x) = (x − x0 )Q(x) ist, d.h. wenn x − x0 das Polynom S(x) teilt. 61

Satz 3.1 (Nullstellen und Linearfaktoren) Sei P : R → R ein Polynom vom Grad n ∈ N. Dann ist x0 ∈ R eine Nullstelle von P genau dann, wenn es ein Polynom Pe : R → R vom Grad n − 1 gibt, so dass P (x) = (x − x0 ) · Pe (x).

Das Polynom x − x0 heißt dann ein Linearfaktor des Polynoms P (x).

(Vielfachheit von Nullstellen) Sei x0 ∈ R Nullstelle eines Polynoms P (x) 6= 0, und sei k ∈ N die gr¨oßte Zahl, so dass (x − x0 )k das Polynom P (x) teilt. Dann heißt die Zahl k die Vielfachheit der Nullstelle x0 . Beispiel 3.14

• Das Polynom P (x) = (x − 3)4 (x + 2)3 (x2 + x + 1)

hat 3 als Nullstelle der Vielfachheit 4 und −2 als Nullstelle der Vielfachheit 3. Weitere Nullstellen hat das Polynom nicht, weil x2 + x + 1 keine Nullstellen hat. • F¨ ur quadratische Polynome der Form x2 + px + q ist die L¨osungsformel zur Bestimmung der Nullstellen bekannt als p −p ± p2 − 4q falls p2 > 4q, 2 − p2 (doppelte Nullstelle) falls p2 = 4q, keine L¨osung

falls p2 < 4q.

(siehe auch die p − q-Formel in Abschnitt 1). F¨ ur Polynome vom Grad 3 und 4 gibt es ebenfalls allgemeine L¨osungsformeln zur Bestimmung der Nullstellen, die von einer ¨ahnlichen Form wie die L¨osungsformel f¨ ur quadratische Polynome sind. F¨ ur allgemeine Polynome vom Grad ≥ 5 gibt es solche Formeln (aus prinzipiellen Gr¨ unden) nicht (das wurde 1823 von dem norwegischen Mathematiker Niels Abel bewiesen). • Finde alle Nullstellen von P (x) = x5 + 2x4 − 4x2 − 5x + 6. Durch Probieren findet man die Nullstelle x0 = 1. Division mit Rest liefert P (x) = (x − 1)(x4 + 3x3 + 3x2 − x − 6). 62

Nun sieht man dass x0 = 1 auch Nullstelle des zweiten Faktors ist und Division mit Rest ergibt P (x) = (x − 1)2 (x3 + 4x2 + 7x + 6). Durch Probieren findet man jetzt noch die Nullstelle x1 = −2 und nach Division mit Rest hat man P (x) = (x − 1)2 (x + 2)(x2 + 2x + 3). Der letzte Faktor hat keine Nullstellen und somit l¨asst sich P (x) nicht weiter faktorisieren. Aber nur selten lassen sich die Nullstellen so einfach durch Probieren finden. Man benutzt dann oft N¨aherungsverfahren. Wir fassen einige Eigenschaften u ¨ber die Nullstellen von Polynomen zusammen.

• Ein Polynom vom Grad n hat h¨ochstens n Nullstellen (mit Vielfachheiten gez¨ ahlt). Es gibt nicht-konstante Polynome ohne Nullstellen. • Jedes Polynom l¨ asst sich schreiben in der Form P (x) = (x − x1 )k1 · . . . · (x − xm )km R(x) wobei xi , i = 1, . . . , m, die Nullstellen von P (x) der Vielfachheit ki sind, und R(x) keine Nullstelle hat. • Ein reelles Polynom ungeraden Grades besitzt stets mindestens eine reelle Nullstelle. Mithilfe tiefliegender Ergebnisse der Algebra erh¨alt man sogar folgende Faktorisierung eines Polynoms. Dieser Satz ist die reelle Form des sogenannten Fundamentalsatz der Algebra.

Satz 3.2 Sei P : R → R ein normiertes Polynom vom Grad n. Dann l¨asst sich P (x) eindeutig als Produkt von linearen und quadratischen Faktoren in der folgenden Form schreiben: P (x)

=

(x − x1 )k1 · · · (x − xr )kr · ·(x2 + p1 x + q1 )l1 · · · (x2 + ps x + qs )ls

mit x1 , . . . , xr , p1 , q1 , . . . , ps , qs ∈ R, k1 , . . . kr , l1 , . . . ls ∈ N, p2j < 4qj f¨ ur j = 1, . . . , s (d.h., x2 + pj x + qj hat keine reelle Nullstelle).

63

Oft sind die Koeffizienten der zu betrachtenden Polynome ganzzahlig. Ist außerdem das Polynom normiert, so gibt es ein einfaches Mittel, um die rationalen Nullstellen zu finden.

Satz 3.3 (Nullstellentest) Sei P (x) = xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0 ein normiertes Polynom mit Koeffizienten a0 , . . . , an−1 ∈ Z. Ist x0 ∈ Q eine Nullstelle von P (x), dann ist x0 ganzzahlig und ein Teiler von a0 . Beispiel 3.15

• Sei P (x) = x4 − x3 − 4x2 − x − 10.

Dann kommen als rationale Nullstellen nur die (ganzzahligen) Teiler von 10 in Frage, d.h.: ±1, ±2, ±5, ±10. Einsetzen zeigt, dass von diesen 8 Werten nur −2 eine Nullstelle von P (x) ist. Der Graph von P (x) zeigt aber, dass es mindestens 2 verschiedene Nullstellen gibt. Es muss also noch mindestens eine weitere irrationale Nullstelle geben.

60

40

20

–3

–2

–1

1

2 x

–20

64

3

• Das Polynom x2 − 2 hat u ¨berhaupt keine rationalen Nullstellen.

3.1

Rationale Funktionen

Eine Funktion f : R → R der Form x 7→ rationale Funktion.

P (x) Q(x)

Der maximale Definitionsbereich von f = Sei x0 ∈ R mit Q(x0 ) = 0. Ferner sei P (x) = (x − x0 )k P ∗ (x),

mit Polynomen P (x), Q(x) heißt

P (x) Q(x)

ist D(f ) = {x ∈ R | Q(x) 6= 0}.

Q(x) = (x − x0 )l Q∗ (x),

wobei P ∗ (x0 ) 6= 0, also

Q∗ (x0 ) 6= 0,

P (x) P ∗ (x) = (x − x0 )k−l ∗ . Q(x) Q (x)

P (x) . In der N¨ahe einer Polstelle werden Ist k < l, dann ist x0 eine Polstelle von Q(x) die Funktionswerte sehr groß (oder sehr klein), weil bei Ann¨aherung an x0 der P ∗ (x) Wert von (x − x0 )k−l “gegen ±∞” geht, wohingegen der Ausdruck Q ur ∗ (x) f¨ x-Werte in der N¨ ahe von x0 nicht in die N¨ahe von 0 kommt! Ist k ≥ l, dann ist x0 eine sogenannte hebbare L¨ ucke. Zun¨achst einmal geh¨ort x0 nicht zum Definitionsbereich, weil ja Q(x0 ) = 0 ist. Wir definieren aber einfach  0 wenn k > l     P (x0 ) = P ∗ (x )  Q  ∗ 0 wenn k = l Q (x0 )

Das ist m¨ oglich weil Q∗ (x0 ) 6= 0 und k ≥ l ist.

Beispiel 3.16

• F¨ ur die Funktion f1 (x) =

(x − 1)2 (x + 2) P (x) = Q(x) (x − 1)(x + 3)2

P (x) hat eine hebbare Definitionsl¨ ucke. Der Q(x) Funktionswert f¨ ur x0 = 1 wird definiert als 0. ist (f¨ ur x0 = 1) k > l und

65

4

3

y

2

1

–2

–1

1

2

3

x –1

–2

Beachten Sie aber, dass die Funktion f (x) formal f¨ ur x = 1 nicht definiert ist. • F¨ ur

(x − 1)2 (x + 2) P (x) = Q(x) (x − 1)2 (x + 3)2 P (x) ist (an der Stelle x0 = 1) k = l und wieder hat dort eine hebbare Q(x) 3 . Das folgende Definitionsl¨ ucke. Der Funktionswert ist (per Definition) 16 Bild zeigt den Graph der Funktion f nur in der N¨ahe von x0 = 0. f2 (x) =

0.4

0.2 x –2

–1

1

2

3

–0.2

–0.4 y –0.6

–0.8

–1

Wenn Sie einen gr¨ oßeren Abschnitt auf der x-Achse betrachten, so “sehen” Sie eine Polstelle bei x = −3. 66

x –6

–4

–2

2 0

–2

–4 y

–6

–8

–10

• Ist nun

f3 (x) =

(x − 1)2 (x + 2) P (x) = , Q(x) (x − 1)3 (x + 3)2

so ist k < l (wieder f¨ ur x0 = 1) und die Funktion hat dort eine Polstelle. 4

3

y

2

1

–1

1

2

3

x –1

–2

–3

–4

Beispiel 3.17 Ein typisches Beispiel f¨ ur eine rationale Funktion ist die St¨ uckkostenfunktion aus dem ersten Kapitel dieses Abschnitts. Allgemein ist die Kostenfunktion gegeben durch K(x) = kf + kv x

67

mit den festen (monatlichen) Kosten kf des Unternehmens und den variablen Kosten kv , die pro produziertem St¨ uck anfallen. Dann ist die St¨ uckkostenfunktion kf + kv x kf S(x) = = kv + x x eine rationale Funktion mit einer Polstelle f¨ ur x = 0.

68

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