2 Ergebnisse der Interviews und der Dokumentenanalyse

54 „Keine Angst vor der Schule“ (Fallstudie 3) „Keine Angst vor der Schule!“ Kinder lernen die Schule schon vor Schuleintritt kennen Claudia Gietle...
Author: Imke Winter
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„Keine Angst vor der Schule“ (Fallstudie 3)

„Keine Angst vor der Schule!“

Kinder lernen die Schule schon vor Schuleintritt kennen Claudia Gietler

Die vorliegende Fallstudie beschreibt die intensive und gute Zusammenarbeit zwischen einem Kindergarten und einer Volksschule. Im Schuljahr 2013/14 wurde mit der Zusammenarbeit begonnen und diese soll aufgrund des guten Erfolgs auch nach Ende des Netzwerkprojekts weitergeführt werden. Kindergarten und Volksschule befinden sich nunmehr im selben Gebäude, was aufgrund von Interventionen der Schulleitung beim Bürgermeister in die Wege geleitet wurde. Es kam zu Baumaßnahmen, um den Kindergarten in der Volksschule unterbringen zu können. Zu den Themen „Sprachförderung“ und „Transition“ wurden wichtige Vorhaben (wie gegenseitige Besuche, Kindergartenkinder lernen die Klassen kennen und gemeinsame Feste) umgesetzt. Durch das frühzeitige Kennenlernen der zukünftigen Schulkinder konnte ein großer Schritt in Richtung einer gemeinsamen Schuleingangsphase gesetzt werden. Die Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule brachte gegenseitige Wertschätzung, Kooperation und Kontakt auf Augenhöhe. Den größten Gewinn erzielen aber die zukünftigen Schulkinder, da sie nun ihre Schule und ihre Lehrer/ innen bereits vor Schuleintritt kennenlernen und dadurch gegebenenfalls vorhandene Ängste minimiert werden können.

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Beschreibung des Datenmaterials

An der Schule wurden der Schulleiter (SL) sowie eine Klassenlehrerin (LP) interviewt, im Kindergarten fand ein Interview mit einer Kindergartenpädagogin (KP) statt. Die Interviews dauerten jeweils rd. fünfzig Minuten und wurden in Form von Einzelinterviews durchgeführt. Außerdem wurde mit allen Befragten ein Netzwerkdiagramm angefertigt. Es liegen keine schriftlichen Dokumente von Kindergarten und Schule für die Dokumentenanalyse vor.

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Ergebnisse der Interviews und der Dokumentenanalyse

2.1 Kurzbeschreibung des Umfelds sowie Rahmendaten zu Kindergarten und Schule Kindergarten und Schule befinden sich in einer ländlichen Ortschaft mit rund 430 Einwohnerinnen bzw. Einwohnern. Das Umfeld von Kindergarten und Schule ist von bäuerlicher Struktur bzw. wird als Wohngebiet genutzt. Es gibt in diesem Ort nur diese eine Schule und diesen einen Kindergarten.

„Keine Angst vor der Schule“ (Fallstudie 3)

Kindergarten

Volksschule

Träger/Erhalter

öffentlich

öffentlich

Spezielle Schwerpunkte

Bewegung und Natur

Zweisprachiger Unterricht: Deutsch/ Slowenisch

Anzahl der Gruppen/Klassen

3

8

Anzahl der Kinder gesamt

66

108

Anteil der Kinder mit anderen Erstsprachen (in %)

26 %

keine Angabe

In das Projekt einbezogene Gruppen/ Klassen

die Gruppe der Kinder des letzten Kindergartenjahrs

die beiden ersten Klassen

In das Projekt involvierte Personengruppen

 Kindergartenleiterin

 Schulleiter

 Kindergartenpädagogin

 Klassenlehrerin  DaZ-Lehrerin  Sprachheilpädagogin

Ressourcen für das Projekt

keine

keine

Schriftliche Dokumente, in die das Projekt bzw. die Kooperation Eingang gefunden hat

keine

keine

Entfernung zwischen Kindergarten und Volksschule: im selben Gebäude Dauer der Kooperation seit: 2014

Tabelle 1: Rahmendaten zu Kindergarten und Schule

2.2 Ziele, Schwerpunkte und Erwartungen in Zusammenhang mit dem Projekt Im Hinblick auf Ziele, Schwerpunkte und Erwartungen in Zusammenhang mit dem Projekt werden von den Befragten verschiedene Aspekte genannt. Der Schulleiter sieht in diesem Projekt die Chance, das Kind mehr in den Mittelpunkt zu stellen sowie den Angstabbau, das Kennenlernen der Schule und ­deren Infrastruktur vor der offiziellen Schülereinschreibung zu ermöglichen. Das Kennenlernen der Schule bereits ein Jahr vor Schulbeginn bringt aus der Sicht der Schulleitung eine „Zeitersparnis“ von vier Wochen mit sich: „Alles, was die Kinder erst in vier Wochen normalerweise in der Schule lernen, haben sie bei uns bereits im Jahr vor der Schule gelernt, durch die Anwesenheit, die dauernde Anwesenheit der Schule!“ (SL) Für die Klassenlehrerin besteht ein Ziel bzw. Schwerpunkt des Projekts darin, die Kolleginnen des Kindergartens, ihre Arbeit und die zukünftigen Schulkinder kennenzulernen. In diesem Zusammenhang ist es für sie auch wichtig, die Erfahrung zu machen, welchen Leistungsstand und w ­elche Aufmerksamkeitsspanne die Kinder im Jahr vor dem Schuleintritt haben. Zudem sieht sie eine positive Erfahrung darin, die Vorfreude der Kinder auf die Schule zu erleben: „Es war auch schön zu sehen, wie sich die Kinder auf die Schule freuen und dass sie sich freuen.“ (KL) Die Kindergartenpädagogin beschreibt als ein wesentliches Ziel des Projekts die Wertschätzung ihres Berufs: „Wir sind wichtig genommen und auch gefragt worden!“ (KP) Wichtig ist für sie auch, dass die Kinder allfällige Ängste im Hinblick auf die Schule abbauen können und dass sie den „innerbetrieblichen“ Ablauf der Schule bereits vor Schuleintritt kennenlernen.

2.3 Im Projekt umgesetzte Maßnahmen Im Rahmen des Projekts wurden verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung des Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen dem Kindergarten und der Schule gesetzt. Im Vordergrund standen zunächst bauliche Maßnahmen, um den Kindergarten in das Gebäude der Volksschule zu integrieren. Es gab in jedem Projektjahr einen anderen Schwerpunkt – im ersten Jahr lag der Schwerpunkt auf gemeinsamen Klassenbesuchen, im zweiten Jahr wurde ein gemeinsames Musikprojekt umgesetzt.

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Überblick über die Maßnahmen:  Bauliche Maßnahmen, um auch räumlich den Kindergarten in die Schule zu integrieren  Neugestaltung der Schülereinschreibung  Sprachförderung sowohl für Kindergartenkinder als auch für Schüler/innen  Gemeinsame Konferenzen mit Kindergartenpädagoginnen  Gemeinsamer Unterricht von Schülerinnen/Schülern und Kindergartenkindern zum Schwerpunkt

sprachliche Bildung (Materialien des Bildungsministeriums, Gedichte und Lieder)

 Gegenseitige Besuche der Pädagoginnen/Pädagogen  Gemeinsames Musikprojekt (Erstellen einer CD mit

Kinderliedern in verschiedenen Sprachen)

2.3.1 Begleiteter Übergang/Kooperation Kindergarten – Volksschule

Durch die Teilnahme am Projekt wurde der Austausch zwischen den beiden Institutionen intensiviert und auch die gegenseitige Anerkennung der Beteiligten beider pädagogischen Professionen ge­festigt. Für die Schulleitung war der wichtigste Schritt der Umbau und die damit verbundene räumliche Zusammenführung von Kindergarten und Schule in einem Gebäude, um damit die Zusammenarbeit beider Institutionen zu fördern und dem Projekt auch einen äußeren Rahmen zu geben. Der Schulleiter betont, dass die Zusammenarbeit beider Berufsfelder nicht immer auf positive Reaktionen gestoßen ist. Er führt dies vor allem auf das Problem der unterschiedlichen Bezahlung der beiden Berufsgruppen zurück. Durch die intensiven und häufigen Begegnungen passiert die Kommunikation mittlerweile auf einer gemeinsamen Ebene und es ist bei beiden Berufsgruppen ein Gefühl der Gleichwertigkeit entstanden. Weiters hebt der Schulleiter hervor, dass es für eine Begegnung auf Augenhöhe entsprechende Rahmenbedingungen braucht: „Auf gleicher Augenhöhe begegnen kann nur gelingen, wenn die gesetzlichen Rahmenbedienungen geschaffen werden: Gleichberechtigung beider Pädagoginnen und gleichwertige Bezahlung.“ Überblick über umgesetzte Maßnahmen am Übergang vom Kindergarten in die Volksschule:  Jede

der drei Kindergartengruppen besucht fünf Mal im Schuljahr für zwei Stunden die Schule. In dieser Zeit werden die Kindergartenkinder mit den Schulkindern in der jeweiligen Klasse gemeinsam betreut. Das Thema wird von der Lehrkraft ausgesucht, sodass es für alle passend ist.  Für ein Jahr erfolgt eine frühe sprachliche Förderung der Kindergarten- und Schulkinder durch die Sprachheil- bzw. Sprachförderlehrerin. Die im Rahmen des Projekts umgesetzten Maßnahmen werden von den interviewten Personen durchwegs positiv erlebt. Seitens der Klassenlehrerin wird die Zusammenarbeit mit der Kindergartenpädagogin als positiv und bereichernd empfunden. Ihr ist durch die Arbeit mit den Kindergartenkindern bewusst geworden, dass sie in der ersten Klasse noch viel anschaulicher arbeiten und noch mehr auf Grundvoraussetzungen für Lesen, Schreiben und Rechnen eingehen muss. Auch für die Kindergartenpädagogin ist die Zusammenarbeit positiv. Sie ist froh, dass sie von den Lehrkräften in den gemeinsamen Stunden wahrgenommen wurde und hofft, dass grundsätzlich ein Interesse für ihre Arbeit, die sie mit den Kindergartenkindern in deren letztem Kindergartenjahr durchführt, vorhanden ist. Der Schulleiter meint, dass eine kontinuierliche, wöchentliche Durchführung der im Zuge des Projekts umgesetzten Maßnahmen aufgrund von mangelnden Ressourcen nur sehr schwer stattfinden könne.­ Das Problem, das sich auch für andere Schulen ergeben könnte, sei ein Fehlen einer übergeordneten Organisation, z. B. eine Schulleiterin bzw. ein Schulleiter, welche/welcher freigestellt sei und die Maßnahmen organisieren könne. Um einen begleiteten Übergang vom Kindergarten in die Schule ­flächendeckend einzuführen, müssen aus seiner Sicht deshalb auch unbedingt entsprechende Ressourcen vorhanden sein.

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2.3.2 Sprachliche Bildung und Förderung

Durch das Projekt kann am Standort auch auf den Schwerpunkt Sprache mehr Rücksicht genommen werden. Der Schulleiter beschreibt, dass im Zuge der Neugestaltung der Schülereinschreibung sehr bald erkannt wurde, wo Sprachförderbedarf besteht. Basierend auf den Ergebnissen der Schülereinschreibung wurde mit der Frühförderung begonnen. An dieser Frühförderung, die von der Sprachförderlehrerin bzw. der Sprachheillehrerin durchgeführt wird, nehmen sowohl Kindergartenkinder als auch Schulkinder teil. Auch für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache werden die Fördermaßnahmen sowohl im Kindergarten als auch in der Schule angeboten. Durch den Einsatz des Materialpakets des Bildungsministeriums findet eine Förderung der phono­logischen Bewusstheit statt, die Grundvoraussetzung für Sprache ist und oft zu wenig Berücksichtigung findet. So wird diese nun bei Schulanfängerinnen/-anfängern und Kindergartenkindern gemeinsam trainiert. Aus Sicht des Schulleiters kann dadurch oftmals ein Scheitern beim Lesen und Schreiben in späteren Jahren verhindert werden. Zum Thema Sprache wurde im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule auch eine gemeinsame CD mit Liedern in den verschiedenen Erstsprachen der Kinder erstellt. Es wurden alle Erstsprachen der Kinder aus dem Kindergarten „in Lieder verpackt“ und auch die Eltern der Kinder wurden eingeladen, Lieder mitzubringen. Aus all diesen Liedern wurde eine CD produziert. Die Kindergartenpädagogin nimmt wohlwollend wahr, dass der Schwerpunkt des Öfteren auf der Sprache liegt. Aus ihrer Sicht werden aber zu wenige Maßnahmen im sprachheilpädagogischen Bereich ange­boten.

2.4 Wahrnehmung der Zusammenarbeit zwischen den Institutionen und Personen Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Pädagoginnen/Pädagogen und den Leitungen wird von allen interviewten Personen als sehr gut und gewinnbringend bezeichnet. Für den Schulleiter ist die Unterstützung von Ministeriumsseite, aber auch seitens der Pädagogischen Hochschule und seitens des Landesschulrats gegeben und sehr gut organisiert. Leider fehlen für eine optimale Durchführung des Projekts die nötigen Ressourcen. Diesbezüglich hätte das Ministerium aus seiner Sicht besser planen bzw. reagieren müssen. Auch die Klassenlehrerin zeigt sich von der Zusammenarbeit aller Beteiligten begeistert, vor allem spricht sie den Willen der Kolleginnen bzw. Kollegen zur Mitarbeit an. Ebenso stellt sie fest, dass ihr die schulinterne Lehrerfortbildung sehr geholfen hat. Für die Kindergartenpädagogin funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Pädagoginnen/Pädagogen der Schule und ihr gut. Am meisten hat sie sich mit der Sprachförderlehrerin und der Sprachheillehrerin ausgetauscht. Mit weiteren Institutionen wie Landesschulrat und Pädagogischer Hochschule hatte sie weniger Kontakt. Alle Beteiligten äußern, dass die verstärkte Zusammenarbeit von Kindergarten und Schule auch von den Eltern wahrgenommen und positiv bewertet wird.

2.5 Ergebnisse und Veränderungen durch das Projekt bzw. die Kooperation 2.5.1 Veränderungen für die Pädagoginnen/Pädagogen bzw. die pädagogische Praxis

Auf die Frage hin, welche Ergebnisse bzw. Veränderungen das Projekt bzw. die Kooperation mit sich gebracht hat, werden in den Interviews verschiedene Aspekte genannt. Die befragten Personen aus dem Kindergarten und der Schule sind der Meinung, dass dieses Projekt sehr hilfreich und unterstützend für die Kindergartenkinder wie auch für Schulkinder sei. Der Schulleiter würde dieses Projekt auch ohne Begleitung des Ministeriums weiterhin durchführen,­da es für die Schulanfänger/innen von großem Nutzen sei. Dennoch ist er der Meinung, dass die Umsetzung der Maßnahmen nur unter Einsatz von zusätzlichen Ressourcen optimal bewältigt werden könne. Außerdem sei es erforderlich, dass eine übergeordnete Person die Leitung übernimmt, wobei dies aus

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s­ einer Sicht nur die Schulleiterin bzw. der Schulleiter sein kann. Sollte diese/dieser nicht freigestellt sein, könnte es zu Schwierigkeiten kommen. Hinsichtlich der Sichtweisen der Lehrkräfte haben sich ebenfalls Veränderungen ergeben: Durch die Zusammenarbeit mit dem Kindergarten ist z. B. die Notwendigkeit der Anschaulichkeit im Unterricht in den ersten Klassen klarer und bedeutender geworden. Auch das Kennenlernen der zukünftigen Schulanfänger/innen und ihrer Probleme hilft den Lehrkräften in der Schule bei der Planung ihres Unterrichts. Ebenso rückt die sprachliche Förderung in den Mittelpunkt und kann durch die Projektmaßnahmen schon früher einsetzen. Dadurch ergibt sich eine durchgängige Sprachförderung, was den Kindern, vor allem jenen mit nichtdeutscher Muttersprache, sehr zugute kommt. Für die Kindergartenpädagoginnen/-pädagogen hat das Projekt in zweifacher Hinsicht Veränderungen mit sich gebracht: Zum einen erhalten sie Anerkennung und ihre Arbeit wird als wertvoller Beitrag für die Entwicklung der Kinder wahrgenommen. Durch den Austausch mit den Lehrkräften entsteht zum anderen oft eine gute Zusammenarbeit und sie erhalten Einblick, was in der Schule verlangt wird. Auf diese Weise können die Kinder bereits im Kindergarten auf die mit dem Schuleintritt bevorstehenden Veränderungen vorbereitet werden. 2.5.2 Veränderungen für die Kinder

Für die Kinder hat sich durch den bewussten Übergang ebenfalls einiges verändert:  Durch

die neue Form der Schülereinschreibung kann bereits früh mit Sprachfördermaßnahmen begonnen werden.  Durch gemeinsame Aktivitäten werden die Schüler/innen bereits im letzten Kindergartenjahr mit dem Schulhaus, den Räumlichkeiten und den Lehrpersonen vertraut. Die Kinder aus dem Kindergarten freuen sich, wenn sie in die Schule kommen dürfen, aber auch die Schüler/innen sind stolz darauf, dass die Kindergartenkinder sie besuchen. Der Schulleiter betont, dass es wichtig sei, dass die Kindergartenkinder aktiv am Unterricht teilnehmen können: „Wir wollen ­keinen Vorführunterricht gestalten, sondern Kindergartenkinder sollen aktiv in der Klasse arbeiten, als ­wären sie an diesem Tag Schüler der Schule und nicht Kindergartenkinder, die nur zuschauen können.“ Durch das frühere Kennenlernen von Schule werden zudem eventuell vorhandene Schulängste abgebaut und positive Erwartungen geweckt. Des Weiteren werden die Schulkinder durch die Besuche der Kindergartenkinder an ihre Kindergartenzeit erinnert und dadurch wird ihnen bewusst, wie viel sie schon gelernt haben. Auch die Eltern sind diesem Projekt gegenüber sehr positiv eingestellt, wovon auch die Kinder profitieren.

2.6 Förderliche bzw. hinderliche Faktoren bei der Projektumsetzung Als besonders förderlich für die Umsetzung des Projekts wird von allen beteiligten Personen die Unterstützung seitens der öffentlichen Institutionen wie Bildungsministerium, Pädagogische Hochschule, Landesschulrat und Gemeinde genannt. Ferner wird der wertschätzende Umgang und der Wille aller beteiligten Personen zur Zusammenarbeit sehr hervorgehoben. Dann ist es immer wichtig, dass es einen Willen aller Kollegen zur Mitarbeit gibt, wenn die Kindergartenkinder in die Klasse kommen. Der Lehrer bzw. die Lehrerin muss sich Zeit in seinem Wochenplan dafür nehmen und wie er oder sie diese Stunde planen kann. (KL) Förderlich war schon, wenn der Lehrer oder die Lehrerin vorher gekommen ist und gefragt hat, ob ich auch eine Idee für ein gemeinsames Thema habe. Das finde ich gut, weil ich dann auch schon weiß, was wir in der Klasse sehen bzw. lernen werden. Außerdem kann ich so die Kinder darauf vorbereiten. (KP)

Erschwerend für die Umsetzung des Projekts sind für die Schule die fehlenden Ressourcen zu gewissen gesetzlichen Vorgaben, die von zwar seitens des Bildungsministeriums versprochen, aber von Landesseite nie umgesetzt wurden. Von der Lehrperson wird das Fehlen von Personal, z. B. bei Erkrankung von

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Lehrkräften, und die sich daraus ergebende Supplierverpflichtung in anderen Klassen als großes Problem genannt. Erschwerende Bedingungen sind, wenn die KISCHU-Stunden [Kindergarten-Schule-Stunden, A. d. V.] im Stundenplan angesetzt sind, aber keine Personalreserve zur Verfügung steht. Und auch wenn eine oder mehrere Lehrpersonen erkrankt sind und man vertreten gehen muss, entfallen die gemeinsamen Stunden. (KL)

Außerdem wird auch das Fehlen gegenseitiger Absprachen über den Inhalt der gemeinsamen Stunden als Stolperstein empfunden. Die Kindergartenpädagogin äußert in diesem Zusammenhang, dass es für sie schwierig sei, wenn sie über keine bzw. keine ausreichenden Informationen darüber verfügt, was in den gemeinsamen Stunden passieren soll. Dadurch entstehe das Gefühl „das dritte Rad am Wagen“ zu sein, was nicht sehr angenehm sei.

2.7 Begleitmaßnahmen im Rahmen des Projekts In Bezug auf Begleitmaßnahmen werden von den interviewten Personen folgende Aspekte angesprochen:  Schuleigene

SCHILF-Veranstaltung Diese werden als sehr hilfreich und positiv erlebt.  Gemeinsamer Austausch zwischen Lehrkräften und Kindergartenpädagoginnen/-pädagogen Dieser werden ebenfalls positiv erlebt.  Ressourcenzuweisung von Ministeriumsseite Diesbezüglich wird berichtet, dass die Ressourcen nicht in der Schule angekommen sind, was darauf zurückgeführt wird, dass eine entsprechende Umsetzung auf Landesebene nicht erfolgt ist.  Fortbildungsveranstaltungen Alle Beteiligten äußern sich zufrieden mit dem Angebot.

2.8 Wichtigste Projekterfahrungen Die wichtigste Erfahrung für alle Beteiligten ist, dass die Kinder im Mittelpunkt der Projektmaßnahmen stehen und dass sie die Möglichkeit haben, die Schule schon vor dem offiziellen Schulbeginn kennenzulernen. Außerdem werden einzelne Kindergartenkinder schon vor Schulbeginn gemeinsam mit den Schulkindern sprachlich gefördert. So kann größeren Defiziten schon vor dem offiziellen Schuleintritt begegnet werden. Ebenso kann durch das frühere Kennenlernen des Systems „Schule“ und der Lehrer/ innen eine Zeitersparnis erreicht werden. Als ebenso wichtig wird wahrgenommen, dass die Kindergartenpädagoginnen/-pädagogen und die Lehrkräfte sich gegenseitig kennenlernen und auch die Arbeit des jeweiligen anderen erfahren konnten. Auch frühere Informationen zum Kompetenzstand der Kinder werden für die Arbeit in der Schule als sehr hilfreich eingeschätzt. Auch die gegenseitige Wertschätzung ist auf beiden Seiten ein wichtiges Thema. Diese konnte durch die Zusammenarbeit im Projekt verbessert bzw. erreicht werden: „Für mich war am wichtigsten, dass mein Beruf wertgeschätzt wird und dass die Kindergartenkinder die Schule und deren Ablauf kennenlernen durften.“ (KP) Zudem zeigte sich, dass sich die Kinder auf die Schule freuen, da sie diese schon kennengelernt und positive Erfahrungen gesammelt haben.

2.9 Optimierungsbedarfe und Gelingensbedingungen für die Zusammenarbeit und den begleiteten Übergang Unsicherheiten gibt es weiterhin bei der Übergabe von Informationen zu den Kindern vom Kindergarten an die Schule. Hier sollten gesetzliche Maßnahmen getroffen werden, damit dies nicht im Graubereich geschehen muss. Ebenso sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Kindergartenpädagoginnen/ -pädagogen die Schuleingangsphase gemeinsam mit der jeweiligen Lehrperson planen können. D. h., es bedarf gesetzlicher Grundlagen in Bezug auf Werteinheiten, Vorbereitungszeiten, gemeinsame Konferenzen etc., wobei nach Meinung der Befragten die für die Zusammenarbeit aufgewendete Zeit beiden Berufsgruppen abgegolten werden sollte.

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Auch die räumlichen Gegebenheiten müssen seitens des Gesetzgebers beachtet werden, denn gemeinsame Aktivitäten von Kindergarten- und Schulkindern brauchen Platz, d.  h. ausreichend große Räumlichkeiten. Der wichtigste zu klärende Faktor hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule, der aus den Interviews hervorgeht, ist die Ressourcenfrage. Diese muss vor Inkrafttreten der gemeinsamen Schuleingangsphase geregelt sein.

2.10 Potenziale und mögliche Stolpersteine einer gemeinsamen Schuleingangsphase Für die Pädagoginnen und Pädagogen der Schule besteht das Potenzial einer gemeinsamen Schuleingangsphase vor allem darin, dass die Ressourcenproblematik gesetzlich geklärt und geregelt wird. Auch Veränderungen in der Infrastruktur werden angesprochen, wie etwa bauliche Maßnahmen. Wichtig für die Schule wäre auch, mehr Informationen vom Kindergarten über die Stärken und die Schwächen der zukünftigen Schulkinder zu erhalten. Nach Ansicht der Pädagoginnen und Pädagogen kann man dadurch wertvolle Zeit am Schulbeginn gewinnen. Als Potenzial wird weiters ge­sehen, dass Kindergartenkinder den Schulalltag miterleben können und auch durch das „Schnuppern“ im Unterricht etwas lernen können: „Potenzial für die Kindergartenkinder ist auf jeden Fall, dass sie schon früh den Schulalltag miterleben können und sie wissen, was sie in der Schule erwarten wird. Sie werden sich vielleicht schon den einen oder anderen Buchstaben merken.“ (KL) Dennoch werden auch mögliche Stolpersteine einer gemeinsamen Schuleingangsphase angesprochen, wie zum Beispiel die Gruppengröße und Belastbarkeit der Kindergartenkinder, aber auch der Volksschüler/innen durch eventuelle Lärmbelastung. Hier brauchen sowohl die Pädagoginnen/Pädagogen des Kindergartens als auch der Schule Zeit, um die Kooperationsmaßnahmen gut vorzubereiten und ­organisieren zu können. Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang darüber hinaus, dass es wichtig erscheint, die gemeinsamen Aktivitäten von Kindergarten- und Schulkindern zeitlich zu begrenzen. Potenzial ist sicher in den gegenseitigen Besuchen, aber vermischen sollen wir uns nicht! Eine gemeinsame Klasse sollen wir aber nicht sein. Stolpersteine sind sicher in der Organisation; Volksschüler/innen brauchen Ruhe zum Lernen, ich kann aber nicht meine Kleinen auf Dauer ruhig halten; das würde nicht funktionieren. Deshalb ist für mich wichtig, dass diese gegenseitigen Besuche begrenzt bleiben, nicht für immer! (KP)

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Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule am Standort gut funktioniert und von den Beteiligten im Großen und Ganzen positiv bewertet wird. Alle Beteiligten sehen die Transition vom Kindergarten in die Schule als bedeutenden Abschnitt im Leben der Kinder, in dem wichtige Kompetenzen für das zukünftige Leben grundgelegt werden können. Durch eine entsprechende Gestaltung des Transitionsprozesses können Überforderungen und Ängste vermieden werden, da die Kinder auf die Veränderungen, die mit dem Schuleintritt auf sie zukommen, schon vor­ bereitet werden. Sie kennen das Gebäude, die Personen, mit denen sie zukünftig zu tun haben werden und sie wissen Bescheid, was sie in der Schule erwarten wird. Die Projekterfahrungen zeigen aber auch, dass es für das Gelingen der Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule und für eine entsprechende flächendeckende Implementierung weiterer grundlegender Maßnahmen bedarf. So müssen vonseiten des Gesetzgebers einige Bereiche geklärt und gesetzlich verankert werden, wie z. B. die Ressourcenfrage, eventuell notwendige bauliche Veränderungen oder auch das Problem der Datenweitergabe im Sinne einer optimalen Förderung der Kinder. Auch gemeinsame Fortbildungen von Kindergartenpädagoginnen/-pädagogen und Lehrkräften müssen forciert werden. Positiv zu betrachten ist, dass durch das Projekt bzw. durch die intensivere Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule eine Aufwertung des Berufs der Kindergartenpädagogin/des Kindergartenpädagogen erfolgt ist. Zusätzliche Aufgabenfelder, die durch die Zusammenarbeit entstehen (wie die Teilnahme an gemeinsamen Fortbildungen oder Konferenzen), sollten den Kindergartenpädagoginnen/-pädagogen zusätzlich abgegolten werden. Wichtig wäre es auch, dass das

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Thema der Gestaltung des Transitionsprozesses in die Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen/ -pädagogen und der Lehrer/innen entsprechend Eingang findet. Resümierend lässt sich feststellen: Die Netzwerkprojekte sind eine sehr positive Initiative, deren flächendeckende Ausweitung äußerst sinnvoll erscheint. Jedoch muss die Bereitstellung entsprechender Rahmenbedingungen unbedingt gewährleistet werden.

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