2 Die Entstehung der Karzinome

2 Die Entstehung der Karzinome. rale Ursachen zusammen und zwar so, daß in manchen Fällen die lokalen, in anderen dagegen die humoralen Ursachen haupt...
Author: Mona Reuter
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2 Die Entstehung der Karzinome. rale Ursachen zusammen und zwar so, daß in manchen Fällen die lokalen, in anderen dagegen die humoralen Ursachen hauptsächlich an der Entstehung des Karzinomes die Schuld tragen. Es gibt einzelne Fälle, in denen die lokalen Ursachen vielleicht mit etwa 90pCt. an der Entstehung des Krebses beteiligt sind (Krebs bei Xeroderma pigmentosum, großen Brandnarben junger Leute z. B.); in anderen Fällen tritt dagegen die Bedeutung der lokalen Ursachen zurück hinter denen allgemeiner Natur) (Karzinom durch langjährigen Arsengebrauch z. B.). — Ich teile also die Ursachen des Karzinoms ein in

Unter diesen ist als besonders wichtig obenanzustellen der Einfluß des Gr ei se n alters auf die Entstehung des Krebses. Dies ist wohl dasjenige ätiologische Moment, das am längsten bekannt ist. — Die meisten Geschwülste haben bezüglich ihrer Entstehung ein bestimmtes Prädilektionsalter. Sarkome z. B. kommen am häufigsten in der Jugend vor, Ovarialkystome finden sich mit Vorliebe in den Zeiten, in denen die Frauen noch menstruieren und zwar häufiger in der ersten Hälfte dieser Epoche; das Myom ist eine Krankheit, die ausschließlich im mittleren Lebensalter und zwar vor allem in den 30 er und 40 er Jahren entsteht, es existiert kaum ein einziger einwandsfreier Fall, in dem der Beginn derselben in der Kindheit oder im Greisenalter beobachtet worden wäre. Umgekehrt ist der Krebs vor allem eine Krankheit des höheren Lebensalters. Nach der großen Mehrzahl der statistischen Untersuchungen steigt mit zunehmendem Alter auch die Krebssterblichkeit an (Walshe, Kiar, F.Kolb, englische Statistik 1891—97, Dollinger u. A.). Freilich ist die absolute Zahl der Krebskranken zwischen 50 und 60 Jahren größer als etwa zwischen 70 und 80, da es ja viel mehr Menschen gibt, die sich im 6. als im 8. Dezennium ihres Lebens befinden. Es muß natürlich die Zahl der Krebskranken einer jeden Altersstufe auf die Zahl der Lebenden im gleichen Alter berechnet werden. Wenn man nach diesem Grundsatz verfährt, dann wird man finden, daß im allgemeinen die Disposition zur Krebserkrankung in direktem Verhältnis zur Höhe des Lebensalters steht. Manche Autoren sind wohl geneigt, für das höchste Lebensalter eine Ausnahme zu machen; sie stellen

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A. Lokale Ursachen.

die Behauptung auf, daß nach dem 70. Lebensjahre die Disposition zur Krebserkrankung wieder abnehme. Selbst wenn dies A) Lokale Ursachen. 3 richtig wäre, so wäre damit wieder bloß auf die Tatsache hingewiesen, d e von Niemandem bezweifelt wird, daß eben außer dem Alter auch noch andere Faktoren bei der Entstehung des Karzinoms beteiligt sind. Außerdem erleben ja natürlich von den zum Karzinom Disponierten viele das höhere Lebensalter nicht, weil sie ja schon vorher an Krebs sterben, so daß in das achte Dezennium natürlich eine verhältnismäßig kleinere Anzahl von zum Krebs disponierten Menschen eintreten. Das Greisenalter als physiologische Erscheinung kann nicht die alleinige Ursache eines Karzinoms abgeben, wohl aber ist es geeignet, sowohl die örtlichen als die allgemeinen Ursachen der Entstehung des Karzinoms zu verstärken. Ich beabsichtige, die Beeinflussung des Krebses im Greisenalter durch humorale Einwirkungen später zu besprechen und will zunächst nur das Ergebnis meiner Forschungen über den Einfluß des vorgerückten Alters auf die lokale Disposition schildern. Es ist von vornherein wahrscheinlich, daß die Beeinflussung der lokalen Disposition zum Karzinom durch das vorgerückte Alter verursacht wird durch Veränderungen in der Struktur der Gewebe an der Grenze zwischen Epithel und Bindegewebe, denn dort pflegt ja das Karzinom bekanntlich zu entstehen. In Gemeinschaft mit meinem Assistenten H. Edelberg Fig. 1. 8 jähriger Knabe mit zellreichem Bindegewebe.

habe ich große Serien von mikroskopischen Schnitten aus Stücken von Haut und Schleimhaut der verschiedenen Lebensalter verglichen. Wir haben hierbei eine Reihe von Tatsachen gefunden, die in der normalen Anatomie z. T. schon bekannt waren, deren Bedeutung für die Entstehung der „schrankenlosen Epithelwucherung“ bis jetzt meines Wissens jedoch noch nicht genügend gewürdigt wurde : Das Bindegewebe hat beim Fötus einen außerordentlich großen Gehalt an Zellen und eine

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spärliche Interzellularsubstanz; beim Kinde nimmt der Gehalt des Bindegewebes an Zellen allmählich etwas ab, an Interzellularsubstanz zu, doch enthält das Bindegewebe des Kindes noch sehr zahlreiche Zellen (s. Fig. 1) ; mit der Zunahme der Jahre nimmt die Zahl der Bindegewebszellen immer mehr ab (s. Fig. 2). Fig. 2. 61 jährige Frau mit zellarmen Bindegewebe. Im allgemeinen geht wohl mit der Abnahme der Zahl der Zellen auch eine Atrophie derselben und eine Verminderung ihrer Proliferationsfähigkeit Hand in Hand; umgekehrt findet man bei sehr zahlreichem Auftreten der Zellen im Bindegewebe auch eine Vergrößerung derselben, ihrer Kerne und eine Vermehrung ihrer Fortpflanzungsfähigkeit. Sehr wichtig scheint mir auch die Art der Verteilung der Bindegewebszellen. Dieselben finden sich bei jungen und alten Leuten am zahlreichsten und am dichtesten beisammenstehend überall da, wo das Epithel recht nahe liegt. In großer Entfernung vom Epithel sind sie viel spärlicher. Der Blutgehalt der subepithelialen Gewebe. 5 Im Epithel sind gröbere Zeichen ausgeprägterer regressiver Metamorphosen bei zunehmendem Alter nicht zu erkennen.

Im allgemeinen laufen den Veränderungen des Zellgehaltes des Bindegewebes in den verschiedenen Lebensaltern Variationen in der Blutversorgung parallel. Als Regel kann es gelten, daß die Menge des in einer bestimmten Flächeneinheit des Bindegewebes der gleichen Körpers teile unter gleichen physiologischen Verhältnissen zirkulierenden Blutes umso größer ist, je jünger das Individuum. Wie schon bemerkt, hat außer dem Lebensalter auch die Stärke der Funktion des Organs einen großen Einfluß auf die Blutversorgung. Ceteris paribus beansprucht das stark funktionierende Organ einen größeren Blutrèichtum als das weniger funktionierende. Hierdurch erklären sich manche Ausnahmen von jener Regel. Unsere Erfahrungen zeigen nun weiter, daß in den Geweben der einzelnen Organe die Größe der Disposition zum Krebse in umgekehrtem Verhältnis steht zum Reichtum des Bindegewebes an

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Der Blutgehalt der subepithelialen Gewebe.

Zellen und zur Menge des Blutes in demselben. Schon vor einer Reihe von Jahren habe ich den Satz aufgestellt, daß die Verschiebung des Gleichgewichtes zwischen Epithel und Bindegewebe ein wichtiger Faktor bei der Entstehung des Krebses ist. Die eben mitgeteilten Tatsachen sprechen für die Richtigkeit dieser These. — Schon länger haben einzelne Aerzte die Beobachtung gemacht, daß bei den spontanen Rückbildungsvorgängen der Karzinome sich eine Bindegewebsvermehrung herausbildet. Sie sprachen deshalb die Meinung aus, daß „die Zunahme der Menge des Bindegewebes“ bei der Heilung des Karzinoms eine Rolle spielt. Diese Beobachtung ist, wie ich glaube, nur teilweise richtig. Die Eigenschaft des Bindegewebes, Epithelzellen in ihrem Vordringen zu hemmen, ist verschieden, je nach der Struktur des Bindegewebes. Je mehr sich die Interzellularsubstanz breit macht, und je spärlicher die Zellen sind, umsoweniger vermag das Bindegewebe das Vordringen von Epithelzellen zu hindern und umgekehrt. Das zellreiche Bindegewebe besitzt die Eigenschaft, das Vordringen der Epithelzellen zu hemmen in sehr hohem Grade und zwar ceteris paribus umso stärker, je reicher es an Zellen ist. Es erklärt also diese Beobachtung den Umstand, daß das alternde (also zellenarme) Bindegewebe, ebenso wie das Bindegewebe in Narben, das Vordringen des Epithels beträchtlich erleichtert.

Also nicht das „Bindegewebe £ hindert das Vordringen des Epithel, sondern das reichliche Vorhandensein von Zellen im Bindegewebe. Diese Unterscheidung ist für das Verständnis der Entstehung des Krebses sehr wichtig. Zahlreiche Beobachtungen, die wir z. T. später anführen werden, sprechen dafür, daß bestimmte Vorrichtungen vorhanden sind, die es verhindern, daß regulär das Epithel seine Grenzen überschreitet. Wären solche Hindernisse nicht vorhanden, so würde das Epithel bei seiner großen Neigung zur Proliferation sehr häufig weit ins Bindegewebe hineinwuchern. Dies wird gewöhnlich durch die im Bindegewebe befindlichen Zellen verhindert. Die Epithelzelle, die ins Bindegewebe hineinwächst, ist „gewebsfremd“. Ebenso wie Blut beim Eindringen von „blutfremden“ Elementen, so reagieren auch die Gewebe beim Eindringen von „gewebsfremden“ Elementen mit der Produktion von Abwehrkörpern. Gegen diese gewebsfremden Epithelzellen pflegen also im normalen Zustande im Bindegewebe sehr rasch

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„Abwehrkörper“ in genügender Menge zu entstehen. Hierdurch wird es verhindert, daß die Wucherung der Epithelzellen im Bindegewebe überhand nimmt. Diese Abwehrkörper werden offenbar von den im Bindegewebe befindlichen Rundzellen und Bindegewebszellen geliefert; es besteht also eine Art „Grenzkrieg“. Im Greisenalter wird die schrankenlose Wucherung des Epithels, die „karzinomatöse Degeneration“ erleichtert, weil im „Grenzkriege zwischen Epithel und Bindegewebe“ die die Defensive vertretende Armee von Bindegewebszellen so spärlich geworden ist, daß sie der vordringenden Armee von Epithelzellen zuweilen nicht mehr Widerstand zu leisten imstande ist und letztere unaufhaltsam das fremde Land überschwemmt. Es sind also die Abwehrkötper des Bindegewebes gegenüber den dasselbe in seiner Textur bedrohenden Epithelzellen gebunden an die Bindegewebszellen, die Leukozyten, Lymphozyten u. s. f. Die Menge dieser Verteidigungsmittel nimmt mit zunehmendem Alter infolge der Abnahme der Zahl der zelligen Elemente des Bindegewebes ab, hierin hätten wir also einen der Faktoren, die „die schrankenlose Wucherung der Epithelzellen“ begünstigen. Die Anaemie des Bindegewebes ist ein weiterer Faktor für die Entstehung des Karzinoms, den ich bei meinen Untersuchungen nie vermißte. Ich habe zahlreiche Karzinome der Mamma, des Rectum, des Uterus unterDer Einfluß der Anämie des Gewebes. 7 sucht, habe viele Schnitte in der Umgebung des Karzinoms angelegt und stets gefunden, daß überall in der Umgebung des Fig. 3. Ca corp. ut. Gefäße in der Umgebung. Fig. 4. Enge Gefässe in der Umgebung eines Uteruscarc. eine Nullipara. 8 Die Entstehung der Karzinome.

Fig. 5. Nulli para. Uterus. Gefäße in der Umgebung des Karzinoms.

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Karzinoms sich in ziemlich weiter Ausdehnung verengte Gefäße mit verdickter Wandung und engem Lumen fanden (s. Fig. 3, 4, o, 6, 7). Eine Ausnahme machte die Stelle, wo die reaktive Hyperämie in unmittelbarer Nähe des Karzinoms sich fand.

Wenn bei gut ernährtem Bindegewebe das Epithel in die Tiefe dringt und sich an Stellen festsetzt, in denen früher die Bindegewebszellen ihren Sitz hatten, so pflegt sofort infolge des Umstandes, daß das Epithel im Bindegewebe wie ein Fremdkörper wirkt, Hyperämie sich einzustellen. Die Folge ist Rundzelleninfiltration und Steigerung der Proliferation der Bindegewebszellen i. e. Vermehrung der Abwehrmittel gegen Epithel. Es wird hierdurch wieder eine Barriere gegen das weitere Vordringen der Epithelzellen geschaffen. Der „Kampf ums Dasein“ endigt meist mit einem Siege der Bindegewebszellen. Dieses Aufwerfen neuer Befestigungswälle, dieses Vorschieben neuer Hilfstruppen zur Verteidigung des Besitzstandes des Bindegewebes, wird für den Organismus ceteris paribus umso schwieriger, je anämischer das Bindegewebe ist, je mehr für die Gefäße infolge von Atheromatose und dergl. die Möglichkeit starker Erweiterung erschwert ist, je Der Einfluß der Anämie des Gewebes. 9 Gefäß Fig. 6. Nullipara. Uteruskarzinom. Gefäße in der Umgebung. Fig. 7. Gefäße in der Umgebung eines Uteruskarzinoms einer Nullipara.

schlechter die Blutzirkulation, der Stoffwechsel und die Herztätigkeit ist. Im alternden Organismus leiden alle diese Faktoren. Ich sehe also in der Anämie einen zweiten Faktor, der den Eintritt der schrankenlosen Epithelwucherung begünstigt. Diese schlechte Ernährung der Gewebe, diese Atheromatose der Gefäße — sie sind Faktoren, die umso häufiger in die Erscheinung treten, je älter das Individuum ist. Die „lokale Disposition“ zum Alterskarzinom besteht also nach meiner Auffassung in einer schlechten Blutversorgung der Gewebe, verbunden mit beträchtlicher Verringerung der Anzahl der im Bindegewebe befindlichen Zellen und der Herabsetzung ihrer Proliferationsfähigkeit. Das vermittelnde Element ist wohl die durch diese Faktoren verursachte Herabsetzung der Abwehrkörjcer gegenüber dem Eindringen der Epithelzellen. — Auf die durch das Greisenalter begünstigten Veränderungen des Blutes,

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die die Entstehung des Karzinomes erleichtern, werden wir weiter unten zu sprechen kommen. Der Einfluß des Klimakteriums auf die Entstehung der Karzinome. Daß ein Zusammenhang zwischen den „Wechseljahren der Frau“, dem sogenannten Klimakterium und der Entstehung, dem Wachstum und der Rückbildung mancher Geschwülste besteht, wird ernstlich wohl von Niemandem in Abrede gestellt. — Untersucht man die Geschlechsteile einer Frau, die sich in den präklimakterischen Jahren befindet, so finden wir schon makroskopisch die Zeichen der mehr oder weniger stark ausgeprägten Atrophie. Was die Gebärmutter betrifft, so sind die Zeichen der regressiven Metamorphose in den präklimakterischen Jahren an deren Halse meist schon ziemlich stark ausgesprochen, während sie am Corpus uteri in dieser Zeit makroskopisch gewöhnlich viel geringer oder gar nicht nachweisbar sind. Dementsprechend ist in den präklimakterischen Jahren häufig schon eine starke Disposition zum Krebs des Gebärmutterhalses vorhanden; dagegen entsteht der Kiebs des Gebärmutterkörpers viel seltener im Praeklimakterium, er entsteht meist erst nach der Menopause, im Postklimakterium. Auch an den übrigen Organen des Beckens (Ovarien, Scheide, Schamlippen etc.) und an der Mamma entwickeln sich im Klimakterium atrophische Zustände, kombiniert mit Stenosierungen der Gefäße. Mikroskopisch finden wir, daß die Zellen des Bindegewebes spärlich geworden sind, an der Schleimhaut ist das Bindegewebe

verschmälert, faserreich, zellarm, dabei sind die Zellkerne häufig geschrumpft, an den Epithelien sind regressive Veränderungen meist nicht in bemerkenswertem Maße vorhanden. Die arteriellen Gefäße sind spärlicher als früher, ihre Lumina sehr häufig verengt; die Wände verdickt. Vergleichen wir damit die Beschaffenheit der Bindegewebszellen und der Blutgefäße am Uterus und an den übrigen Genitalorganen jugendlicher Individuen, so zeigen sich bemerkenswerte Kontraste in ähnlicher Weise wie zwischen dem Bindegewebe und den Blutgefäßen von Greisen und von jugendlichen Individuen. Auch bei der klimakterischen Disposition der Genitalien zum Karzinom bestätigt sich also wieder der Satz, daß die Größe dieser

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Einfluß des Klimakteriums auf die Entstehung der Karzinome. 11

Disposition im umgekehrten Verhältnis zur Menge der Zellen im Bindegewebe und zur Quantität des in den Genitalien zirkulierenden Blutes steht, resp. daß der vermittelnde Faktor zwischen Klimakterium und Krebs gebildet wird von der durch das Klimakterium verursachten Anämie der Gewebe und dem Mangel des Bindegewebes an Zellen. Die eben geschilderten, durch das Greisenalter und durch das Klimakterium bedingten Veränderungen allein sind nicht genügend, zur Entstehung der Karzinome Veranlassung zu geben. Hierfür sind noch weitere Ursachen notwendig. Eine sehr wichtige Ursache bilden die Narben, und zwar sind es meist Narben, die schon sehr lange bestehen, häufig, aber nicht immer, bei alten Individuen. Im allgemeinen müssen wir bei den Veränderungen, die nach einer Verletzung eines Organs entstehen, unterscheiden zwischen den Traumen, die eine Durchtrennung der Continuität der äußeren Bedeckungen mit sich führen und den Traumen, die nur eine Quetschung der Gewebe veranlassen, ohne einen Defekt in den äußeren Bedeckungen zu schaffen, also zwischen den „Contusiones apertae“ und „Contusiones oecultae“. Die Narben nach Contusiones apertae wirken ebenso wie die Narben nach Geschwüren, Fisteln etc. prädisponierend für die Entstehung des Karzinoms. Untersucht man die Narben verschiedenen Alters histologisch, so findet man genau die gleichen Variationen wie beim Bindegewebe. Sehr junge Narben sind ebenso wie das Bindegewebe sehr junger Individuen reich an Zellen und Gefäßen, sie disponieren wenig zum Krebs. Alte Narben zeigen das histologische Bild, das auch die 1 2 Die Entstehung der Karzinome. Haut und die Schleimhaut alter Individuen zeigt, nur noch in ausgesprochenerem Grade; sie sind sehr arm an Bindegewebszellen und Blutgefäßen. Letztere sind eng, haben verdickte Wandungen (s. Fig. 8).

Je älter die Narbe, je spärlicher ihre Zellen, und geringer ihre

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Fig. 8. Zellarmo Narbe.

Blutversorgung — und um so größer ihre Neigung zur karzinomatösen Degeneration. Die Bedeutung der Narbe als solche wird sehr verschieden bewertet. Auch betreffs der Häufigkeit der Beeinflussung der Krebsbildung durch die Narbe sind die Ansichten verschieden. Bezüglich des letzteren Punktes scheint es mir, als ob die Narbe weit häufiger die Veranlassung zum Krebs gebe, als man gewöhnlich glaubt. Wenn wir den Krebs zu Gesicht bekommen, so ist eben doch nicht allzu selten die die Veranlassung bildende Narbe bereits so unkenntlich gemacht, daß deren frühere Existenz (namentlich an inneren Organen) zuweilen nicht mehr mit Sicherheit nachweisbar ist. Hierbei dürfen wir nicht vergessen, daß es manche Erkrankungen, namentlich an inneren Organen gibt, die so wenig Symptome machen, daß sie lange Zeit von Seiten der Patienten gar keine Beachtung finden. So ist es z. B. eine bekannte Tatsache, daß das Magengeschwür sehr häufig ohne alle Symptome verläuft.— Bezüglich der Bedeutung der Narbe an und für sich hat man eingewendet. daß unter vielen Tausenden von Narben erst einmal eine

einzige sich befindet, die in Wirklichkeit zur Entstehung von Krebs Veranlassung gibt. Dem gegenüber ist zu betonen, daß dieser Satz allerdings für einzelne Formen von Narben gilt, daß es dagegen ganz bestimmte Kategorien von Narben gibt, bei denen ein späteres Auftreten von Krebs etwas sehr häufiges ist. Beginnen wir mit der ersteren Kategorie, mit Narben, die nie oder nur ganz außerordentlich selten Veranlassung zur Entstehung des Krebses geben. Hier haben wir z. B. die Narben imHymen, Nahezu alle älteren weiblichen Personen besitzen solche Narben, und doch sieht man primären Krebs am Hymen niemals oder fast niemals. In den Eierstöcken trägt jede Frau einige hundert Narben; denn bei den meisten Frauen platzen per Jahr 12 bis 13 Gr aaf’sehe Follikel. ImVerhältnis zur Häufigkeit dieser Narben ist der Eierstockkrebs recht selten und es ist ncch fraglich, ob und wie oft er aus den Narben dieser Follikel hervorgegangen ist. — Jede Frau, die ein reifes Kind geboren hat, besitzt Narbeninder Scheide. Primäre Scheidenkrebse sind jedoch außerordentlich selten. Im Gegensatz hierzu ist zu bemerken, daß die Verletzungen des Gebärmutterhalses gar nicht selten den Anstoß zur Krebsentwicklung geben. Jeder ältere Mensch hat zahlreiche kleine, allerdings oft mit

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Einfluß der Narben auf die Entstehung der Karzinome. 13

bloßem Auge nicht sichtbare Narben an den Händen; ganz besonders zahlreich haben solche z. B. Schneider, Schuster, Näherinnen, die sich täglich stechen, Metzger, Köchinnen, die sich sehr häufig in die Hände schneiden; daß hieraus ein Krebs entsteht, ist jedenfalls enorm selten. Die Männer, die nicht Vollbärte tragen, erleiden beim Rasieren häufige Verletzungen; daß aus diesen sich Carcinome entwickeln, ist ebenfalls außerordentlich selten. Die Männer, die Universitäten besucht haben, tragen zu ca. 1/i Narben im Gesicht infolge der Mensuren; Krebsbildung an diesen Narben wird fast nie beobachtet. Die Bauern und Arbeiter in den Gegenden, in denen das Barfußgehen Sitte ist, haben trotz der durch das Barfußgehen bewirkten Verdickung der Epidermis zahlreiche Narben an den Fußsohlen; Krebs wird daselbst sehr selten gesehen. Das Durchstechen der Ohrläppchen behufs Einsetzen von Ohrringen wird bei Millionen von Mädchen vorgenommen; daß daraus einmal ein Krebs entstanden wäre, habe ich noch nicht gehört. Jeder Mensch hat sich häufig auf die Zunge gebissen; im Verhältnis zur Häufigkeit dieser Bisse ist jedenfalls der Zungenkrebs sehr selten. Jeder ältere Mensch hat in seinen Kiefern zahlreiche Narben 14 Die Entstehung der Karzinome. entstanden durch das Ausfallen der Zähne; alte Leute tragen oft bis 32 solcher Narben; die Entwicklung eines Krebses an diesen Narben ist sehr selten. Auch die vielen Millionen von Narben, die durch die rituelle Beschneidung bei den Juden und anderen orientalischen Völkern gesetzt wurden, scheinen absolut keine Disposition zum Karzinom zu schaffen. Bei den Juden wenigstens ist der Penis-Krebs außerordentlich selten. — Nehmen wir im Gegensatz hierzu die Narben, von denen wir wissen, daß sie häufig Veranlassung zur Krebsentwicklung geben, so ist wohl am längsten bekannt die Entstehungmancher EormenvonHautkrebsausHautnarben. Recht häufig ist es in der Haut

die krebsig degeneriert. Die Literatur darüber ist bei der Häufigkeit dieser Kombination eine außerordentlich große. Es wurden

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die Lupusnarbe,

solche Fälle beschrieben von Wechselmann, Werter, Steinhäuser, Lang, Kaposi, Volk mann, Pick, Durand, Langenbeck, Taylor, Holla e n d e r. Levy-Dorn gibt noch die Kombination mit Diabetes an. Martschke hat an der Braun sehen Klinik 10 Krebse beobachtet, die aus Lupus hervorgegangen waren. Im ganzen hatte er 293 Fälle von Krebs gesammelt, die auf der Basis von Lupus und chronischen Geschwüren entstanden sind. Ashihara hat 122 solche Beobachtungen gesammelt. Bezüglich der Frage, ob das Karzinom sich auch auf floridem Lupus entwickeln könne, meint Bidault ebenso wie ich, daß das Karzinom sich nur auf Lupusnarben entwickelt, und daß das Vorkommen desselben auf nicht narbigen Stellen als große Ausnahme anzusehen sei, da auch auf solchen Stellen, die scheinbar keine Narben zeigen, dennoch solche vorhanden sind. — Wichtig für unsere Auffassung sind noch folgende Tatsachen : Es ist nicht allzu selten, daß mehrere Lupuskarzinome gleichzeitig auftraten. Auch Steinhäuser betont die auffallend große Zahl der einzelnen Karzinome. Der Sitz des Lupuskarzinoms ist am häufigsten da, wo auch der Lupus am häufigsten getroffen wird, nämlich im Gesicht. Dasselbe wurde in 90 pCt. der Fälle vom Lupuskarzinom betroffen und zwar sind es hier vornehmlich die Wangen, die den Lupuskrebs aufweisen. Meist trat die Entwicklung Einfluß der Narben auf die Entstehung der Karzinome. 15 des Krebses erst nach sehr langem Bestände des Lupus auf, durchschnittlich etwa nach 30 Jahren. Von den Fällen, die Ashihara gesammelt hat, trat der Krebs nur in 7 von 79 Fällen nach 10 jährigem Bestände des Lupus auf. Die kürzeste Zeit aber war 4, die längste 55 Jahre.

der Haut haben ebenfalls recht häufig Veranlassung zur Entstehung von Krebs gegeben. Es wurde von einzelnen Autoren, namentlich von Esmarch betont, daß die Syphilis als ein allgemein prädisponierendes Moment für die Karzinomentwicklung anzusehen sei. Esmarch fand in gewissen Gegenden, in welchen hereditäre Lues grassierte, auffallend häufig zugleich bösartige Neubildung bei den Trägern der luetischen Erkrankung bezw. deren Nachkommen;

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Syphilitische Narben

doch steht viel sicherer fest die Tatsache des Zusammenhangs von Krebs mit Narben aus gummösen Geschwüren und syphilitischen Verschwärungen der äußeren Haut. Solche Fälle sind veröffentlicht von Lang, Doutrelepont, Langenbeck, L u blinsky, Joos, Pinner, Schäfer, Bohnstedt, Wittrock, Overbeck, Bahre usw. Brandnarben haben dann häufig Veranlassung zur Krebsentwicklung gegeben, wenn sie sehr ausgedehnt und tief waren. Löwenthal allein hat 23 solche Brandnarbenkarzinome gesammelt. In Kashmir besteht unter den Eingeborenen die Sitte, bei kaltem Wetter heiße Wärmflaschen auf der Haut des Bauches zu tragen; aus den Narben, die zuweilen hierdurch entstehen, entwickelt sich sehr häufig Krebs. P her son erzählt, daß die Eingeborenen Bengalens zur Verhütung der Milzschwellung häufig mit Glüheisen behandelt werden. Aus den Narben entwickelt sich oft Krebs. Krebs an Brandnarben von Syphilitischen beschreiben : J a boulay, Montgomery, Sherman und H o r a n d. Narben aus chronischen H autgeschwüren gaben ebenfalls häufig Veranlassung zur Krebsentwicklung, und zwar ist es meist die vordere Fläche der Tibia, die diese Komplikation auf weist. Fisteln der Haut, die zu kariösen und nekrotischen Knochen führen oder in alten Sequesterhöhlen endigen, veranlaßten ebenfalls

häufig die Entstehung von Krebs. V o 1 k m a n n hat 128 Fälle von krebsiger Entartung von Fisteln der Auskleidung alter Sequesterhöhlen gesammelt. Seitdem sind viele neue Fälle noch beschrieben worden. Auch nach langjährigem Bestehen von Eiterungen infolge von Haarseilen wurden Krebse beobachtet, ebenso nach ausgedehnten Erfrierungen. Erwähnenswert ist vor allem die Tatsache, daß der Krebs ganz besonders gern da auftritt, wo die Narbe am Knochen festfixiert ist, also am Schädeldach

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16 Die Entstehung der Karzinome.

und an der Vorderfläche der Tibia, was schon von Billroth betont wurde. Die Krebse der Mundhöhle, des Rachens, Kehlkopfs, der Speiseröhre, der Nase gehen ebenfalls nicht selten aus Narben hervor. Ganz besonders häufig sah man den Krebs da entstehen, wo kariöse Zähne viele Jahre lang zu Ulzeration Veranlassung gegeben hatten. Auch die tuberkulös erkrankte Schleimhaut hat zuweilen die Krebsentwicklung begünstigt. Narben nach syphilitischen Geschwüren haben, ebenso wie die Leukoplakia syphilitica sehr häufig Veranlassung zur Entstehung des Krebses gegeben. 30 pCt. der Krebse des Mundes waren bei den Patienten von Hutchinson syphilitischen Ursprungs. Nasenkrebs wurde nach Ozaena und nach Empyem der Highmorshöhle, Ohrenkrebs nach chronischer, meist langjähriger Mittelohreiterung beobachtet. Magenkrebs entwickelt sich häufig auf Grund alter Geschwüre im Magen. Das Prozentverhältnis dieser Art der Entstehung wird von einzelnen Autoren sehr verschieden angegeben : L e u b e nimmt für nur 5 pCt. einen derartigen Zusammenhang an, Sönnichsen bei 16 pCt., Reimers bei 23 pCt. Payr fand bei den von ihm durch Resektion operierten Magengeschwüren in 26 pCt. beginnendes oder vorgeschrittenes Karzinom. Man darf bei der Verschiedenartigkeit der Frequenz bei den einzelnen Autoren allerdings nicht vergessen, daß in den zur Sektion kommenden Magenkarzinomen die Ausbreitung des Krebses meist schon derartig ist, daß der primäre Entstehungsort bezw. der Ursprung aus einer Narbe häufig nicht mehr erkenntlich ist. Einfluß der Narben auf die Entstehung der Karzinome. 17

Darmkarzinome

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Für unsere Auffassung wichtig ist auch der Umstand, daß nach Hauser die Magenkarzinome vor allem bei großen, sogenannten ohrförmigen Geschwüren entstehen.

wurden ebenfalls öfter auf tuberkulösen Geschwüren und Narben von denselben beobachtet, außerdem auch bei Geschwüren und Narben infolge von Syphilis, ferner bei Actinomyces (Burckh a r d t ). Auf Grund von statistischen Untersuchungen habe ich konstatiert, daß das Mastdarmkarzinom häufig bei hohen Beamten sich findet. Zwei Arten der Erklärung liegen hier nahe: 1. ist es bekannt, daß gerade in den Kreisen der hohen Beamten infolge der geringen Körperbewegung sich Hämorrhoiden häufig finden, in deren Gefolge sich ja oft Erosionen, Ulzerationen der Schleimhaut und entzündliche Veränderuugen derselben herausbilden; 2. kann die Koprostase allein schon schädlich auf die Zirkulation in der Schleimhaut einwirken oder, was das Wahrscheinlichste ist, es werden in vielen Fällen die Koprostase und die Hämorrhoiden den Boden für die Karzinomentwicklung vorbereiten. Mit der Entstehung des Karzinoms nach Appendicitis beschäftigen sich zahlreiche Publikationen: Hackerz. B. fand in zwei Fällen von Appendixkarzinomen eine vorausgegangene Appendicitis, die er in Zusammenhang mit dem Karzinom bringt. Land au fand 58 Karzinome nach Appendicitis. Norris gibt an, daß man anamnestisch in 60 pCt. der Krebse des Wurmfortsatzes eine vorausgegangene Appendicitis konstatieren könne. Bellontoni macht noch besonders darauf aufmerksam, daß der Appendixkrebs in einem früheren Alter als die übrigen Karzinome auf tritt ; es ist das wohl in einen gewissen Zusammenhang zu bringen mit der gleichfalls mehr das jugendliche Alter bevorzugenden Appendicitis. Er fand, daß unter 100 Appendicititen ein Karzinom auftrat.

Th e ilh ab e r. Karzinom. 2

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Auch A. Dietrich beschreibt fünf Fälle von atypischen epithelialen Neubildungen der Appendix. Alle hatten Beziehungen zu entzündlichen Erkrankungen, betrafen jüngere Individuen und waren von klinischer Gutartigkeit.

18 Die Entstehung der Karzinome. Die Krebse der Gallenblase stehen ebenfalls im Zusammenhang mit Erosionen, Ulzerationen und Narben in der Gallenblase und ihren Ausführungsgängen, wie sie vor allem durch die Steine hervorgebracht werden. Allerdings hat Frerichs die Steine als Folge des Krebses und des durch ihn hervorgerufenen Gallenblasenkatarrhs erklärt. Dagegen läßt sich anführen: 1. daß bei sekundärem Gallenblasenkrebs selten sich Steine nachweisen lassen; 2. der Umstand, daß Frauen, die doch an Gallensteinen häufiger leiden, auch eine viel größere Frequenz an Gallenblasenkrebs aufweisen. S i e g e r t fand unter 99 Fällen von primärem Gallenblasenkrebs 96 mal Steine; dagegen unter 13 Fällen von sekundärem Krebs der Gallenblase nur zweimal Steinbildung. Auch Johnson betont, daß Gallensteine nur in einem seiner Gallenblasenkrebse fehlten. Zenker fand unter 48 Fällen von primären Karzinomen der Gallenblase 41 mal Steine, J ankowsky unter 40 Fällen 40 mal Steine, Tie de mann ,, 74 ,, 49 ,, ,, Courvoisier ,, 84 ,, 74 ,, ,, Frerichs ,, 11 ,, 9 ,, ,, F üt t er e r hatte in 78pCt., S c o 11 in 90pCt., Tr e ut lei n in 92 pCt. der Gallenblasenkarzinomfälle Gallensteine. Bezüglich des Unterschiedes im Auftreten der Karzinome bei den Geschlechtern fand Zenker, daß in 40 Fällen Frauen und nur in 8 Fällen Männer vom Gallenblasenkrebs befallen wurden. Ein gleiches Resultat hatte Siegert. Das Auftreten von Krebs nach Gallensteinen und Blasensteinen wird von einzelnen Autoren als chemisches Irritament, das die Karzinomentstehung begünstigte, angegeben ; nach meiner Anschauung sind auch diese Fälle mit großer Wahrscheinlichkeit durch die geschwürigen Prozesse und deren Narben als Folge der Steine veranlaßt.

tritt sehr häufig im Anschluß an eine vorausgegangene Mastitis auf.

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Das Mammakarzinom

Sehr wichtig ist die Tatsache, daß in nahezu allen Fällen das Karzinom die früher entzündeteBrust ergriffen hat. Eichel erzählt von einem Falle, in dem doppelseitige Mastitis bestand und später beide Brüste gleichzeitig an Krebs erkrankten. S e i d 1 e r erzählt von einigen Fällen, in denen jahrelang nach der Exstirpation Einfluß der Narben auf die Entstehung der Karzinome. 19 einer gutartigen Brustgeschwulst an der operierten Stelle (in der Narbe) ein Karzinom sich bildete. Die Zeit zwischen Mastitis und Krebsentwicklung schwankte in den Fällen von Angerer (Gebele) zwischen einem halben und 26 Jahren. Fink gibt sogar eine Zeit von 32 Jahren an. Der Krebs des Gebärmutterhalses ist meines Erachtens nur deshalb so häufig, weil die durch die Geburten stark zerquetschte und mit zahlreichen Narben durchsetzte Cervix infolge dieser Eigenschaften einen locus minoris resistentiae darstellt. Für diese Anschauung spricht zunächst die Tatsache, daß im allgemeinen die Frequenz der Cervixkarzinome mit der Zahl der Entbindungen zunimmt, im Gegensätze zum Corpus uteri, das ja bekanntlich durch die Geburt in der Regel keine nennenswerten Verletzungen erleidet; im Gegenteil wird meines Erachtens durch Schwangerschaften ira Gebärmutterkörper die Disposition zum Karzinom herabgesetzt, da ja durch die Schwangerschaft sich die Ernährungsverhältnisse des Gebärmutterkörpers bessern. Nun hat mein Assistent H. Edelberg die Krankengeschichten von 307 Krebsen des Gebärmutterhalses und -Körpers in Bezug auf die Zahl der vorausgegangenen Geburten untersucht, das Ergebnis war folgendes : Tabelle 1 a. Tabelle 1 b. Zahl der Geburten bei Patientinnen mit Cervix- und Corpus-Karzinomen.

0 9 2,9 0 11 27,5

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Zahl Cervix-Karzinome pCt. Zahl Corpus-Karzinome pCt.

1 25 8,1 1 4 10,0 2 29 9,4 2 9 22,5 3 36 11,7 3 5 12,5 4 23 7,4 4 2 5,0 5 34 11,0 5 2 5,0 6 40 13,0 6 3 7,5 mehr mehr als 6 111 36,1 als 6 4 10,0 Die Gesamtzahl der Kranken an Cervix-Ca, 307 , Corpus-Ca. 40. 2* 20 Die Entstehung der Karzinome.

Die durchschnittliche Geburtenzahl einer Frau mit Cervixkarzinom betrug in unseren Fällen über 4,8 pCt. Hofmeier zählte 4,8, Gusserow 4,5, Kruckenberg 5,8, Glöckner 5,9 pCt. Geburten. Die jetzige Durchschnittszahl der Entbindungen einer Frau ohne Karzinom beträgt nach meinen Untersuchungen bei Frauen im Alter von 45—60 Jahren zwischen 3 und 4. Es zeigen also auch diese Zahlen eine entschiedene Disposition der Vielgebärenden. Es befinden sich unter den nichtkrebskranken Frauen über 45 Jahre, die ich behandelte, 19,8 pCt sterile, unter den krebskranken dagegen alle Statistiken zusammengenommen kaum 4 pCt. Es ist also wohl nicht zu bezweifeln, daß der Krebs des Halses der Gebärmutter sich häufiger bei Mehrgebärenden als bei Nulliparen findet. — Gegen unsere Auffassung, daß die Geburtsverletzung der Grund dieser Tatsache sei, wurde neuerdings eingewendet, es sei viel wahrscheinlicher, daß es das höhere Alter der Vielgebärenden sei, denn es sei selbstverständlich, daß eine Frau mit vielen Geburten älter und infolgedessen mehr disponiert zu Karzinomen sei, als eine Frau mit wenig Geburten. Um die Richtigkeit dieses Einwandes zu prüfen, haben wir das Alter aller Nulliparen addiert,

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Wenn wir annehmen, daß von den 111 Patientinnen mit Cervix-Karzinom, die mehr als 6 Kinder hatten, jede durchschnittlich nur 7 Kinder hat, so bekommen wir als Durchschnittszahl der Geburten auf jede Pat. mit Cervix-Karzinom = 4,8 und Corpus-Karzinom = 2,5 pCt.

ebenso aller Frauen mit 1, 2, 3 und mehr Geburten und haben dann das Durchschnittsalter berechnet. Die Resultate sind folgende: Tabelle 2 a. Die einzelnen Zahlen des Alters verteilen sich bei CervixKarzinomen wie folgt: 0 Kinder hatten 9 Patientinnen im Alter von 46—70 Jahren. Gesamtsumme 514 Durchschnittszahl 57,1. 1 Kind hatten 25 Patientinnen im Alter von 34—71 Jahren. Gesamtsumme 1271 Durchschnittszahl 50,8. 2 Kinder hatten 29 Patientinnen im Alter von 35—71 Jahren. Gesamt summe 1399 Durchschnittzahl 48,2. Einfluß der Narben auf die Entstehung der Karzinome. 21

4 Kinder hatten 23 Patientinnen im Ater von 30—70 Jahren Gesamtsumme 1032 Durchschnittszahl 44,8. 5 Kinder hatten 34 Patientinnen im Alter von 32—61 Jahren. Gesamtsumme 1457 Durchschnittszahl 42,8. 6 Kinder hatten 40 Patientinnen im Alter von 28—55 Jahren. Gesamtsumme 1579 Durchschnittszahl 39,8. Mehr als 6 Kinder hatten 111 Patientinnen (bei 5 Patientinnen fehlt Angabe des Alters). Gesamtsumme 5379 Durchschnittszahl 50,9. Die Alterssumme von 302 Patientinnen mit CervixKarzinomen

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3 Kinder hatten 36 Patientinnen im Alter von 31—70 Jahren. Gesamtsumme 1625 Durchschnittszahl 45,1 .

ist 14 290 Die Durchschnittszahl 47,3 Tabelle 2 b. Die einzelnen Zahlen des Alters verteilen sich bei CorpusKarzinomcn wie folgt: 0 Kinder hatten 11 Patientinnen im Alter von 36—64 Jahren Gesamtsumme 158 Durchschnittszahl 47,0. 1 Kind hatten 4 Patientinnen im Alter von 15—56 Jahren. Gesamtsumme 211 Durchschnittszahl 52,7. 2 Kinder hatten 9 Patientinnen im Alter von 51—69 Jahren. Gesamtsumme 547 Durchschnittszahl 60,7. 3 Kinder hatten 5 Patientinnen im Alter von 56—70 Jahren. Gesamtsumme 308 Durchschnittszahl 61,6. 4 Kinder hatten 2 Patientinnen im Alter von . 57—60 Jahren. Gesamtsumme 117 Durchschnittszahl 58,2. 5 Kinder hatten 2 Patientinnen im Alter von 59—65 Jahren. Gesamtsumme 124 Durchschnittszahl 62,0. 22 Die Entstehung der Karzinome.

Es zeigt sich also, daß die sterilen Frauen am Cervixkarzinom im Durchschnitt im 57. Jahre leiden, Frauen, die 1 Kind hatten

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6 Kinder hatten 3 Patientinnen im Alter von 58—66 Jahren. Gesamtsumme 183 Durchschnittszahl 61,0. Mehr als 6 Kinder hatten 4 Patientinnen (bei 2 Patientinnen fehlt Angabe des Alters). Gesamtsumme 145 Durchschnittszahl 72,5. Die Alterssumme von 38 Patientinnen mit Corpuskarzinomen beträgt 2153 Die Durchschnittszahl 56,6.

im 51. und Frauen mit 6 Kindern im 40. Lebensjahre. Das höhere Lebensalter ist also nicht die Ursache der Krebsdisposition der Vielgebärenden, denn wenn auch Frauen mit mehr als 6 Kindern ihre Krebskrankheit im vorgerückten Alter im Durchschnitt akquirierten, so ist dabei zu bedenken, daß allerdings unter dieser Kategorie sich Frauen mit recht hohem Lebensalter befinden müssen; denn in dieser Serie befanden sich eine große Anzahl von Frauen mit 10, 12 und mehr Kindern, die selbstverständlich sich in vorgerücktem Lebensalter befanden. Diese Befunde sprechen dafür, daß das Karzinom um so leichter und früher entsteht, je ausgedehnter die Geburtsverletzungen des Gebärmutterhalses sind, Genau ebenso verhält es sich auch an anderen Körperstellen mit dem „Narbenkrebs“, je ausgedehnter z. B. eine Brandnarbe ist, um so jünger ist das Durchschnittsalter der Patientinnen, die von Krebs auf der Narbe befallen werden. Es genügt eben dann die Narbe allein, um den Krebs hervorzurufen. Wenn jedoch die Narbe nicht sehr ausgedehnt ist, dann ist oft noch ein zweiter Faktor notwendig, das Alter , dann macht die Altersdisposition plus Narbe den Krebs. Der Zusammenhang der GeburtsVerletzungen mit der Entstehung des Cervixkarzinomes wurde von Williams, Fehling u. A. angezweifelt mit der Begründung, daß noch Niemand einen Krebs aus einer Cervixverletzung habe herauswachsen sehen. Gemeint ist hier offenbar der uns so häufig zu Gesicht kommende seitliche Cervixriß. Nun ist es aber unrichtig, zu meinen, daß die Geburtsverletzungen in der Hauptsache an den Seitenteilen des Halses sich befänden. Hier sehen wir allerdings am häufigsten Einfluß der Narben auf die Entstehung der Karzinome. 23

Es ist richtig, daß der Krebs des Gebärmutterhalses mit Vorliebe in der Mitte des Gebärmutterhalses beginnt. Als Ursache der

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die Einrisse. Daß aber für das bloße Auge unsichtbare Narben in ändern, namentlich auch in den mittleren Teilen des Halses sich befinden, ist wohl nicht zu bezweifeln; ist doch die Mitte der Cervix der Quetschung mindestens ebenso stark ausgesetzt, wie die seitlichen Teile. —

größeren Disposition der mittleren Teile nehme ich die schlechtere Blutversorgung derselben an. Wir wissen aus der Anatomie und aus unseren Beobachtungen bei unseren Operationen, daß die seitlichen Teile der Cervix mehr und größere Blutgefäße haben, als die mittleren. Das Gleiche zeigen auch unsere mikroskopischen Präparate. Krebse der Harnblase schließen sich ebenfalls häufig an Blasensteine an. Fengl er hat an der Breslauer Klinik 28 Blasenkrebse beobachtet: Fünfmal fanden sich Blasensteine, zweimal hat eine äußere Gewalt auf den Unterleib eingewirkt. Nierenbeckenkrebse wurden ebenfalls öfter mit Stein in Zusamenhang gebracht. Das Karzinom der Prostata und des Penis sah man nach lang dauernden Gonorrhoen bei weitgehenden Strikturen (also Narbenbildung). S o s o n o w fand einen Zusammenhang von Ulcus penis und Peniskarzinom. Der Lungenkrebs wurde öfter bei Phthisis pulmonum beobachtet (Lubarsch). Krebs in der Wand von tuberkulösen Lungenkavernen fanden Friedländer, Wolf, Schwalbe, u. A. Krebse bei Tieren wurden ebenfalls als Folgen von Narben beobachtet. P1 i c q u é sah die Erkrankung der Oberlippe bei Katzen im Anschluß an wiederholte Verletzungen durch den Biß kleiner Tiere; er zitiert das Mammakarzinom bei Hündinnen, und zwar besonders das der hinteren Mammae, welche häufiger von Mastitis befallen werden. Er erwähnt ferner das Lippenkarzinom der Pferde, besonders an der Kommissur infolge von Druck durch das eiserne Zaumzeug. L o e b bemerkt, daß das Karzinom des Auges, das in den Vereinigten

Staaten das typische Karzinom beim Rind ist, stets von

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24 Die Entstehung der Karzinome.

der Karunkel oder ihrer nächsten Umgebung ausgeht. Das ist die Stelle, wo die ins Auge geratenen Fremdkörper aufgehalten werden. MacFadyean berichtet, daß er bei einem australischen Bullen eine Hautgeschwulst, welche nach dem Anbringen eines Brandzeichens entstanden war, untersucht und für krebsig befunden habe {Cancer Bran). E g g e 1 i n g gibt an, daß bei Schweinen der Krebs zwei Lieblingsstellen habe: die eine am Unterkinn dort, wo beim Fressen aus den Trögen leicht Hautabschürfungen auftreten, die andere die Kastrationsnarbe bei weiblichen Tieren. R ö s s 1 e erwähnt, daß die Entstehung von Geschwülsten bei Fischen durch Verletzungen bekannt sei (E berth, Hofer, Marianne P 1 e h n). —

Obenan in Bezug auf die Häufigkeit des Auftretens von Krebs in Narben steht die Magengeschwürsnarbe. Den Grund hierfür sehe ich in folgendem: Hauser und Andere haben nachgewiesen, daß beim Magengeschwür es sich fast immer um Erkrankungen der Gefäßwände handelt. Diese von pathologisch-anatomischer Seite häufig gemachte Beobachtung ist experimentell durch Payr (Deutscher Chirurgenkongreß 1910) bestätigt worden. Payr fand die Ulcusschwiele äußerst gefäßarm. Es bestand eine bis zur Obliteration führende Endarteriitis. — Bemerkenswert ist noch die bereits erwähnte, von Hauser gemachte Beobachtung, daß der Krebs vor allem in großen Magengeschwüren sich bildet. Sehr häufig tritt der Krebs ferner in lange Jahre bestehenden Lupusnarben auf. Auch hier handelt es sich gewöhnlich wieder um sehr ausgedehnte Gewebsdefekte, und es ist erwähnenswert, daß hier oft gleichzeitig mehrere Krebse auftraten. Außerdem ist es wahrscheinlich, daß auch bei den Lupuskranken nicht selten eine schlechte Ernährung der Gewebe im allgemeinen bestand. Häufig wird ferner der Krebs bei Syphilitischen beobachtet. Hier dürfte neben dem Umstande, daß es sich oft um ausgedehnte Zerstörungen handelte, noch weiter ins Gewicht fallen, daß Erkrankungen der Gefäßwände und Stenosierung derselben bei Syphilitischen etwas sehr häufiges sind. Bei Verbrennungen wurde Krebsbildung gewöhnlich ebenfalls nur beobachtet, wenn es sich um sehr breite und tiefgehende Defekte handelte. Je ausgedehnter die Defekte sowohl bei den Verbrennungen

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Schlußfolgerungen in Bezug auf den Zusammenhang von Krebs und Narbe.

Die chronische Entzündung. 25 als bei Lupus, umso größer die Wahrscheinlichkeit, daß zuweilen auch sehr junge Individuen befallen werden. Wenn nach Erfrierungen und bei Beingeschwüren usw. Krebse auftraten, so waren es auch wieder meist umfangreiche Zerstörungen der Gewebe, bei denen diese Komplikation beobachtet wurde. Auch bei dem Vorkommen von Krebs nach Mastitis handelt •es sich um ein Organ, das meist einen großen Substanzverlust erlitten hat. — Ferner sehen wir gewöhnlich, daß die Narbe, wenn sie nicht außerordentlich ausgedehnt ist, bei jüngeren Individuen, wo die Blutzirkulation meist eine gute, die Beschaffenheit der Gefäßwände meist eine normale ist, selten Veranlassung zur Krebsbildung abgibt und nur bei sehr ausgedehnten Defekten. Die Narbe wird jahrzehntelang getragen; erst wenn im höheren Alter Atheromatose und Stenose der Gefäße eintritt, wenn die Zirkulation eine schlechtere wird, erst dann pflegt in der Mehrzahl der Fälle die Krebsbildung einzutreten. — Alle diese Momente erklären sich am leichtesten durch die Annahme, daß ausgedehnte Defekte der mesodermalen Gewebe durch den consecutiven Mangel an Bindegewebszellen und Gefäßen eine Störung hervorrufen, die die Veranlassung zur Entstehung der epithelialen Wucherung gibt. Kleine Defekte haben eine nennenswerte Störung aus naheliegenden Gründen selten im Gefolge, sehr große Defekte relativ häufig, am häufigsten dann, wenn noch weitere Alterationen eintreten durch Aenderungen im Stoffwechsel der betreffenden Gewebe, wie sie die Folge ist von Stenose der Gefäße, Erkrankungen der Gefäßwände, Darniederliegen des Stoffwechsels infolge von Krankheit, Körperschwäche, vorgerücktem Lebensalter. Audi Defekte mittlerer Größe können zur Krebsbildung führen, wenn sie kombiniert sind mit den letztgenannten Momenten, die die Veranlassung zur Entstehung der Stoffwechselstörungen abgeben. Ist der Defekt ein sehr hochgradiger, so kann auch ab und zu schon einmal in der Jugend ein Krebs sich entwickeln. So wurde einzelne Male auf sehr großen Brand- und Lupusnärben schon in der Kindheit Entwicklung multipler primärer Krebse beobachtet. —

ist eine weitere sehr häufige Ursache der Karzinomentwicklung. Eingehende Studien über den Zusammenhang von chronischer

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Die chronische Entzündung

Entzündung und Karzinom hat Felix Theilhaber in den Jahren 1909 und 1910 gemacht. Das Ergebnis war folgendes:

Aus naheliegenden Gründen ist am bekanntesten der Zusammenhang von chronischen Entzündungen der äußeren Körperteile mit Krebs und ganz besonders häufig wurde über den Zusammenhang von chronischen Hautentzündungen mit Hautkarzinomen berichtet. Schon im Jahre 1775 hat Percivall Pott auf einen Hautkrebs aufmerksam gemacht, der am Hodensack von Schornsteinfegern vorkommt und durch den Reiz des in den Hautfalten sich festsetzenden Russes bedingt wird (Schornsteinfegerkrebs). Unter dem Einflüsse des Reizes, den der Ruß ausübt, bilden sich zunächst chronische Hautentzündungen von vorwiegend hyperplastischem Charakter, platte, papilläre Bildungen oder warzige mit Borken bedeckte Knoten, die dann später multipel krebsig ausarten, jedoch meist lange lokal bleiben. Von englischen Chirurgen wurden in der Folge noch zahlreiche andere, ähnliche Beobachtungen publiziert (Bell, Earle, Cooper, Paget, Curling). R. Volkmann hat dann Beobachtungen über den Teer - und Paraffinkrebs veröffentlicht. Er hatte bei Arbeitern in Braunkohlen-, Teer- und Paraffinfabriken Hautkrebse beobachtet, die auf dem Boden langjähriger, chronischer Hautentzündungen entstanden waren und große Ähnlichkeit mit dem Schornsteinfegerkrebs aufwiesen. In jener Arbeit ist über drei Fälle von Hautkrebs am Hodensack von Paraffinarbeitern berichtet. Die Patienten mit den Hodenkrebsen zeigten auch an Händen, Armen und Oberschenkeln das Bild einer vielgestaltigen Dermatitis. Schuch ardt teilte noch eine größere Anzahl von Fällen von Paraffinkrebs mit. Er betont ausdrücklich, daß an der dem Tumor benachbarten Haut wie an den excidierten Hautstücken des gesunden, nicht krebsigen anderen Armes sich überall chronische Entzündung der Cutis fand. Die Beschäftigung mit Paraffin schwankte zwischen 11 und 21 Jahren. Die Dermatitis bestand ebenfalls jahrelang vor dem Ausbruch des Krebses. V olkmann hat auch auf die seborrhagischen H autkarzinome aufmerksam gemacht. Diese Form des Hautkrebses findet sich vor allem bei der senilen Form der Seborrhoe. Schuchardt teilt 5 solcher Fälle mit. Seine Patienten befanden sich im Alter von 65—76 Jahren.

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26 Die Entstehung der Karzinome.

Kaposi hat unter dem Namen Xeroderma pigmentosum eine Hautkrankheit beschrieben, welche stets in früher Jugend auftritt, und welche in einer eigentümlichen Atrophie der Haut mit merkwürdigen Pigmentverschiebungen besteht, bei

welcher des öfteren Gefäßstenosen konstatiert wurden, und welche ferner durch die fast regelmäßig eintretende Komplikation mit multipel auftretenden Epithelialkarzinomen ausgezeichnet ist. Auch der Lupus erythematodes führt zuweilen zum Karzinom. Fälle von Karzinom auf dem Boden von Lupus erythematodes beschrieben z. B. Michelsonu. Pautrier. Histologisch findet man bei dieser Krankheit häufig, aber nicht immer, die Bildung einer großzelligen riesenzellenhaltigen Wucherung des Papillarkörpers, welche später in eine starke, narbenartige Atrophie desselben ausgehen kann. (Schmauß). Zuweilen hat man ferner Krebsbildungen nach vieljährigem Bestehen von chronischen Ekzemen beobachtet. J o s e p h beschreibt die Veränderungen beim chronischen Ekzem folgendermaßen: Es erfolgt nach einer anfänglichen Neubildung von Bindegewebe Schrumpfung desselben mit Atrophie der Talg- und Schweißdrüsen. Der Papillarkörper ist sehr gering entwickelt. Auf weite Strecken bildet die Grenze zwischen Epithel und Cutis eine gerade Linie, ähnlich wie es wir bei Narben finden. Die Retezapfen sind weit, aber nicht lang. Es fehlt jede Spur von Kernteilung etc. — Viel besprochen in der neueren Literatur ist die Paget Disease. Die Mehrzahl der Autoren ist der Meinung, daß es sich hier um eine dem chronischen Ekzem ähnliche Erkrankung der Brustwarze handle, die dem Karzinom vorausgehe. Auch die Psoriasis hat zuweilen zu Krebs Veranlassung gegeben (R e h n). Die Krebsentwicklung erfolgt bei der Mehrzahl der Dermatititen erst nach vieljährigem Bestände der chronischen Hautentzündung, meist erst im höheren Alter der Patienten. Häufig handelt es sich um Dermatititen, bei denen wenigstens für einen Teil der Fälle „Atrophie der Haut“, „Cirrhose der Cutis“ etc. schon nachgewiesen ist. Der Krebs der Mundhöhle, der Zunge, Lippen, Wangen, des Rachens, der Kehlkopf Schleimhaut und der Speiseröhre wird ganz besonders häufig im Zusammenhang mit chronisch entzündlichen

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Die chronische Entzündung. 27

Prozessen gebracht. Und zwar werden als ursächliche Momente in erster Linie betont: Starkes Rauchen, Tabakkauen, alkoholische Getränke und in zweiter Linie Syphilis. Für die Bedeutung der ersteren Momente spricht vor allem der Umstand, daß alle diese Karzinome bei Männern weit häufiger sind als bei Frauen, ein Resultat, das auch die von mir und meinen Assistenten angefertigte 28 Die Entstehung der Karzinome. Statistik der Stadt München wieder bestätigt hat. Ebenso ist das Verhältnis in der Oberlausitz, wie beifolgende Statistik von Felix Theilhaber zeigt. Es war die Krebssterblichkeit dortselbst 1907/1909 bei den Männern Frauen An Kehlkopf und Lippe 8 1 An Speiseröhre 19 3 Tillmanns fand in den Statistiken von P e n n e 1, Sachs und P o 11 o n i unter 245 Zungenkarzinomen 230 Männer und nur 15 Frauen. Nach Warten (bei Tillmanns) fanden sich von 77 Lippenkarzinomen 73 bei Männern, nur 4 bei Frauen, von denen aber drei rauchten. Ganz besonders häufig geht dem Krebs der Zungen- und Mundschleimhaut eine chronische Entzündung der Schleimhaut voraus, die Psoriasis oder Leukoplakia buccalis genannt wird. Letzterer Zustand kann sehr lange, 30 Jahre und länger ohne besonderen Nachteil bestehen. Dann entsteht manchmal daraus ein Krebs. N e d o p i 1 beschreibt aus der Billroth sehen Klinik 15 Fälle von Psoriasis lingualis et buccalis mit Uebergang in Krebs. Er fand an einzelnen Stellen Verengerung der Gefäße, an anderen Stellen Schrumpfung des Gewebes, dichtes narbiges Bindegewebe. Er sagt : Man sieht in vielen Fällen eine bedeutende Zunahme des fibrösen Narbengewebes. Die meisten Kranken waren starke Raucher.

D e b o v e sieht die Psoriasis buccalis geradezu als eine

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Franz Thomas fand in 50 pCt. der Krebse der Mundschleimhaut weiße Plaques, von denen in mehreren Fällen die Entstehung des Krebses direkt beobachtet wurde.

Cirrhose der Schleimhaut an. Es zeigt sich auch hier wieder, daß meist die chronische Entzündung der Mundschleimhaut ebenso wie die Dermatititen erst dann zum Krebse Veranlassung geben, wenn sie viele Jahre bestanden und wenn die Patienten in ein höheres Lebensalter kommen. Auch der Speiseröhrenkrebs kommt meist bei Männern vor. Petri fand 93,1 pCt. der Speiseröhrenkrebse bei Männern. Es ist nach den vorliegenden Statistiken sehr wahrscheinlich, daß das begünstigende Moment auch hier chronische Entzündung infolge von Nikotin, Alkohol etc. ist.

Larynxkarzinom bei einem jungen Mädchen nach Laryngitis beobachtete Marschic k. DerKiebsdesMagens wird nicht allein häufig durch Magengeschwüre und Magengeschwürsnarben verursacht, sondern auch zuweilen durch chronische Gastritis. Häberlin z. B. beschreibt 4 solche Fälle, in denen es wenigstens wahrscheinlich war, daß ein chronischer Magenkatarrh die veranlassende Ursache des Karzinoms war. Auch Hauser beschrieb Karzinom nach Gastritis. Borst erwähnt die Entstehung von Krebsen des Darms aus chronischem, mit hyperplastischen Wucherungen einhergehenden Darmkatarrh. Burkhardt beobachtete bei Adenokarzinomen des Darms Actinomyces und nimmt an, daß letztere die Entstehung des Krebses begünstigte. Aehnlich sprechen sich einige Autoren bezüglich der Darmsyphilis aus. Häufig beschrieben sind in neuerer Zeit Fälle von Karzinom der Appendix nach vorausgegangener Appendicitis. Es ist fraglich, ob hier das Zwischenglied Geschwüre, Narben oder chronische Entzündung waren. Außerordentlich zahlreich sind die Angaben über Mastdarmkrebs infolge von chronischer Stuhlverstopfung und von Hämorrhoiden. Heuk, Lohnson, Winiwarter fanden unter 43, 27, 23 Fällen von Mastdarmkrebs 6, 7 beziehungsweise 2 mal Hämorrhoiden vor. Es ist wahrscheinlich, daß wenigstens bei den Hämorrhoiden chronische Entzündung der Schleimhaut bestanden hatte. Nach Pfister führt die Bilharzia durch die

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Die chronische Entzündung. 29

Vermittlung einer Proctitis zuweilen zu Karzinomen des Rektums. Der primäre Leberkrebs ist ein ziemlich seltenes Vorkommnis. Hansemann fand unter 258 Leberkarzinomen nur 4 primäre und 2 weitere unsichere Fälle. Nun stimmen die Autoren darin überein, daß ein großer Prozentsatz dieser primären Leberkarzinome mit Cirrhose vergesellschaftet ist. Unter den übrigen Ursachen sind die häufigsten Alkoholismus, Syphilis, Schnürfurchen, Gallenstauung infolge von Gallensteinen und Malaria. Es ist von verschiedenen Statistikern die Häufigkeit jener gleichzeitigen Cirrhose beim Leberkrebs bei mehr als 2/g aller primären Leberkrebsfälle festgestellt worden. Es wäre denkbar, daß der Krebs das Primäre, die Cirrhose das Sekundäre ist. Nun findet sich aber beim sogenannten sekundären Leberkrebs die Cirrhose sehr selten, ferner findet sich auch 30 Die Entstehung der Karzinome.

Lungenkrebse infolge von chronischen Entzündungen sind beschrieben von Lubarsch u. A. Watzni bemerkt, daß chronische Entzündungsvorgänge, unter denen die Tuberkulose die Hauptrolle spielt usw., eine epidermoidale Metaplasie (Pachydermie) der Bronchialepithelien bedingen. Auch die Lungenkrebse der Metallarbeiter, der Arbeiter in Spinnereien und Tabakfabriken

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bei ganz kleinen, primären Leberkrebsen die bindegewebige Wucherung über die ganze Leber verbreitet. Wollte man annehmen, daß der Krebs eine spezifische Wirkung nach dieser Richtung hin ausübt, so müßte doch auch bei den sekundären Leberkarzinomen eine weit verbreitete, die ganze Leber befallende Bindegewebswucherung auftreten, was nicht der Fall ist. Rolleston analogisiert denn auch den Einfluß der Cirrhose auf das Zustandekommen des Leberkrebses mit dem Einflüsse der Mastitis auf den Brustdrüsenkrebs. Die Leberkrankheiten, die vielfach ihre ursächlichen Momente im Alkoholismus haben, sind häufiger Krankheiten des Mannes. Die Frauen dagegen leiden unter dem Einflüsse des Schnürens etc. häufiger an Krankheiten der Gallenblase, Gallensteinen etc. Dementsprechend ist auch der primäre Krebs der Leber häufiger bei Männern, der der Gallenblase häufiger beim weiblichen Geschlechte. Es ist also anzunehmen, daß auch hier die chronische Entzündung das primäre, der Leberkrebs das sekundäre ist.

sind wohl durch chronische Entzündung, Geschwürs- und Narbenbildung etc. infolge der mechanischen Reizung veranlaßt. B e u k e r t fand unter den Bergleuten in Schneeberg eine große Sterblichkeit an malignen Geschwülsten, viele starben an Lungenkrebs. Lungenkrebs unzweifelhaft im Gefolge von Tuberkulose fand Dörnen y. K. Wolff sah 2 Fälle von Lungenkrebs von Cavernen ausgehen. Desgleichen publizierte Friedländer einen analogen Fall, ebenso F. Schwalbe und P ä ß 1 e r. Vielleicht spielt beim Lungenkarzinom das Rauchen eine ähnliche Rolle wie beim Krebs des Rachens. Wenigstens fanden Pfannenstil und Josefson, daß die Männer ein mehr denn zehnmal so hohes Kontingent für diese Erkrankung stellten, denn die Frauen. Auch bei Karzinom der Iris gingen nach LubarschOstertag Irisentzündung voraus. Prof. D e y 1 führt die Karzinome des Sehapparates

auf mechanische Eingriffe, chemische und thermische Reize zurück. Das Karzinom dcrV ul va sah ich zweimal nach jahrelangem bestehenden Pruritus bei Frauen in den 70 iger Jahren. Infolge des häufigen Kratzens war es zu starkem Ekzem und Verdickung der Haut gekommen; nach vieljährigem Bestände des Juckens und des Ekzems entwickelte sich das Karzinom. Ein ähnlicher Prozeß liegt wohl der von B r e i s k y zuerst beschriebenen Kraurosis zugrunde, die nach der Beobachtung sehr vieler Aerzte häufig zu Karzinom führt. Nach B r e i s k y findet sich bei dieser Erkrankung narbenähnliche Beschaffenheit des Papillarkörpers. Das Bindegewebe ist nahezu homogen, stellenweise sklerosiert, die Papillen sind meist niedrig, verschieden groß, die Reteschicht der Haut stellenweise sehr dünn, Talgdrüsen fehlen ganz, Schweißdrüsen fast ganz. Nach Martin ergreift der Schwund der Gewebe alle in der Vulva vorkommenden Gebilde, Drüsen, Gefäße. Der Tubenkrebs entsteht außerordentlich häufig auf dem Boden der chronischen Entzündung. Sänger hat in A. Martins „Krankheiten der Eileiter“ 17 Fälle von primären Tubenkarzinomen zusammengestellt. Er hat stets vorausgegangene,

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Die chronische Entzündung. 31

chronische Salpingitis nachgewiesen. Er sagt: „Es liegt hier auch in allgemeiner pathologischer Hinsicht ein sehr wichtiges Faktum vor, nämlich der sichere, keine Ausnahme erleidende Beweis des Auftretens von Karzinomen auf chronisch entzündlicher Grundlage ... Wir müssen also annehmen, daß der primäre Tubenkrebs stets auf dem Boden einer chronischen, vielleicht meist eitrig gewesenen, aber nicht mehr eitrigen Salpingitis, nachdem dieselbe sehr lange Zeit bestanden hat, erwächst und dies zumeist genau in der klimakterischen Zeit“. In neuerer Zeit hat Orthmann eine Zusammenstellung von 85 Fällen von primären Tubenkarzinomen gemacht. Er sagt „daß 26 mal gleichzeitig eine Saktosalpinx, 10 mal eine Tuboovarialcyste, 7 mal außerdem eine Atresie des Osteum abdominale tubae und 1 mal ausgedehnte, entzündliche Schleimhautveränderungen beobachtet worden sind, daß also mit Sicherheit in 44 Fällen unter 85, d. h. in 51,7p Ct., gleichzeitige Entzündungsvorgänge nachzuweisen waren; selbstverständlich sind diejenigen frischen entzündlichen Erscheinungen, welche als bloße Reaktion auf das Vordringen der karzinomatösen Wucherungen aufzufassen sind, nicht mit in Betracht gezogen. Berücksichtigt man schließlich, daß in einer großen Anzahl der übrigen 41 Fälle einerseits die mangelhafte Beschreibung, andererseits 32 Die Entstehung der Karzinome. das Fehlen einer genauen Untersuchung einen Schluß auf die Abwesenheit jeglicher entzündlicher Veränderungen nicht zuläßt, so ergibt sich immerhin aus den angeführten Tatsachen, daß die Sänger sehe Entzündungstheorie in Bezug auf die Aetiologie des primären Tubenkarzinoms noch als vollkommen berechtigt anerkannt werden muß“.

Ich selbst habe 4 Fälle von primärem Tubenkarzinom beobachtet: dreimal waren Entzündungen vorausgegangen, im 4. Fall waren die Karzinome doppelseitig und so weit vorgeschritten, daß sich über den Zustand der Tuben vor Entstehung des Krebses nichts Bestimmtes sagen ließ. Bei der einen Patientin hatte sich beiderseitige Hydrosalpinx gefunden, außerdem in der rechten Tuba ein taubeneigroßes Karzinom. Bei der Untersuchung der linken, noch nicht krebsig entarteten Hydrosalpinx fanden sich größere Arterienäste, die erkrankt waren. Es fanden sich Verdickung

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Fig. 9.

der Arterienwände, Verengerung des Lumens, atrophische Prozesse im Bindegewebe, Verminderung der Muskelfasern. Siehe Fig. 9. Die Patientinnen Sängers befanden sich meist in den 40 er und 50 er Jahren und zwar waren 10 in einem Alter von 43—50 Jahren, zwei waren je 56 Jahre, je eine 58 und 60 und nur eine einzige befand sich im 30. Lebensjahre; ähnlich verhielt es sich mit dem Alter der Patienten von Orthmann und von mir. Von meinen Patientinnen waren zwei 43, eine 51 Jahre alt. — Andererseits wissen wir, daß die Salpingitis jene Krankheit ist, die in den meisten Fällen in den jungen Jahren auftritt. Scholl berichtet über 76 Fälle von Pyosalpinx aus der Tübinger Klinik. Einer war unter 20, 34 zwischen 20 und 30, 23 zwischen 30 und 40 und 18 zwischen 40 und 50, als sie in Behandlung kamen. Scholls Fälle hatten ein Durchschnittsalter von 31 Jahren, als sie operiert wurden. Bei den 49 Patienten, die ich in den letzten 5 Jahren wegen entzündlicher Tubenerkrankung operierte, war das Durchschnittsalter 27 Jahre ; bei der Operation waren sie 3 Jahre krank gewesen. Es ist also wohl anzunehmen, daß die Krebsentwicklung lange, etwa 15—20 Jahre nach der Entstehung der Salpingitis aufgetreten ist. Der Uteruskrebs wurde ebenfalls sehr häufig in Zusammenhang mit chronischen Entzündungen der Schleimhautgebracht. Ebenso soll er im Zusammenhang mit Myomen des Uterus, mit chronischer Metritis stehen. Den bisherigen Angaben stehe ich skeptisch gegenüber. Ich habe vor 12 Jahren darauf hingewiesen, daß die bisherige Beschreibung der Histologie der Endometritis in vielen Punkten unrichtig war, daß die Mehrzahl der Befunde, die als charakteristisch für eine Entzündung der Schleimhaut angesehen worden waren, in Wirklichkeit nur physiologische Variationen der normalen Schleimhaut des Uterus waren. Meine Befunde wurden in der Folge von vielen Autoren bestätigt und sind heute allgemein acceptirt. Es sind auch die früher veröffentlichten Beschreibungen über Endometritis und Karzinom nicht sehr beweiskräftig. Auch bezüglich der früher herrschenden Lehre von dem Zusammenhang der Myome mit Endometritis habe ich eine Reihe von Tatsachen zusammengestellt, die dafür sprechen, daß ein solcher Zusammenhang in der Regel nicht existiert. Keinesfalls können also Myome, wie dies behauptet

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Die chronische Entzündung. 33

worden ist, durch Vermittlung einer Endometritis Karzinom erzeugen. — Myome finden sich häufig bei Nulliparen. Corpuskarzinome Tkeilkaber, Karzinom. 3 34 Die Entstehung der Karzinome. ebenfalls ; infolgedessen kommen beide Geschwülste manchmal bei derselben Frau vor. Meines Erachtens wird die Entstehung von beiden begünstigt durch Sterilität, nicht aber ist das Corpuskarzinom die Folge des Myoms. Corpuskarzinome im myomatösen Uterus entstehen meist im höheren Alter. Es ist der Hergang dann gewöhnlich folgender : Die Myome sind zur Zeit der Geschlechtsreife entstanden, wo der Uterus noch gut ernährt war. Nach der Menopause wurde der Uterus anämisch und es bildete sich die Disposition zum Karzinom heraus. Cervixkarzinome entwickeln sich bei Myom manchmal schon vor der Menopause, denn auch bei hyperämischem Corpus uteri kann die Cervix in einzelnen Partien anämisch sein, namentlich wenn dieselbe z. B. infolge von Entbindungen stark mit Narben durchsetzt ist. —

Auffallend erscheint zunächst die Tatsache, daß Krebs des Gebärmutterkörpers namentlich in jüngeren Jahren außerordentlich selten ist zum Unterschied von Cervixkrebs. Ersterer tritt meist erst nach dem Klimakterium auf. Ich habe früher in meiner Monographie „Blutungen und Ausfluß aus dem Uterus“ darauf hingewiesen, daß die Gonorrhoe das Corpus uteri sehr häufig befällt. Außerdem haben z. B. Prostituierte fast immer chronische Gonorrhoe und doch sind die Untersuchungen von Duchatelet, Teallier, Collineau, Cullivier und Behrendt über die Häufigkeit der Uteruskarzinome bei

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Wenn Frommei sagt, daß oft profuse Blutungen lange Zeit vor Auftritt der Krebssymptome bestanden haben, und wenn er dies auf chronisch entzündliche Prozesse der Schleimhaut zurücklührt, so ist auch dieser Schluß meines Erachtens nicht mehr gerechtfertigt, seitdem durch meine schon vor 12 Jahren publient en Unteisuchur.gen nachgewiesen worden ist, daß zwischen profusen Uterusblutungen und chronischer Entzündung der Schleimhaut in der Regel ein Zusammenhang nicht besteht.

Prostituierten negativ ausgefallen. — Ich erkläre m r diese Tatsachen in folgender Weise: In jüngeren Jahren schützt die starke Hyperämie, in der sich der Uteruskörper die Hälfte des Monats hindurch befindet, vor Erkrankung an Karzinom. Wenn einmal nach dem Klimakterium sich in einem solchen Uteruskörper ein Krebs entwickelt, so ist der Nachweis, daß früher Gonorrhoe bestanden hat, meist nicht mehr zu erbringen, häufig auch nicht der Nachweis, daß die Betreffende früher eine Prostituierte war. —

Der Krebs des Penis wurde ziemlich häufig bei hochgradiger Phimose beobachtet. So war nach Demarquay unter 59 Peniskarzinomen 42 mal vorher hochgradige Phimose vorhanden. K ü 11 n e r und Wenzel betonen ebenfalls die Phimose als ätiologisches Moment des Peniskrebses. Sticker konstatierte, daß 52 Pferde mit Peniskrebsen sämtlich Wallache waren, die Koinzidenz erklärt er damit, daß nach einiger Zeit bei ihnen die Erektionen auf hören, der Penis konstant in der Vorhaut bleibt und nun das Smegma sich ansammelt, dessen Reiz die feine Epidermis zur Entzündung und Karzinomentwicklung reizt. In der Literatur findet sich des öfteren auch die Angabe, daß bei den Völkern, die die rituelle Beschneidung üben, das Peniskarzinom fast garnicht vorkommt. Andererseits sind die im Vorhautsack angesammelten Massen gelegentlich sogar zu wahren Präputialsteinen geworden. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, daß die chronische Entzündung, die durch das angesammelte Smegma veranlaßt war, die Ursache der Entstehung des Peniskarzinoms war. — Für die Karzinome derProstataunddeshinterenTeilesdesPenis wird von einer Reihe von Autoren die vorausgegangene Gonorrhoe für verantwortlich erklärt. Für letztere Karzinomarten sollen besonders weitgehende Strikturen disponierend wirken. — Auch Harley fand, daß Gonorrhoe, wie überhaupt jede Harnröhrenentzündung, für Karzinom der Prostata prädisponiert. — Der Krebs der Harnblase ist viel häufiger bei Männern als bei Frauen. So hat F e n g 1 e r an der Breslauer Klinik 28 Blasenkarzinome behandelt, die Männer betrafen und nur 2, bei denen es sich um Frauen handelte. F. Theilhaber fand im Zittauer Medizinalbezirk in den Jahren 1907—1909 neun Blasen- und Prostatakarzinome bei Männern, ein Blasenkarzinom bei einer weiblichen Patientin. Es hängt dies wohl damit zusammen, daß langdauernde chronische Blasenkatarrhe viel häufiger

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sich bei Männern finden, als bei Frauen. In den Fällen von F e n g 1 e r haiidelt es sich bei den Harnblasenkrebsen meist um Patienten, in denen mit Sicherheit Gonorrhoe vorausgegangen war. Bei 5 Patienten traf er Blasenstein an. M a r c h a n d erwähnt einen Fall, in dem sich der Krebs auf einer Leukoplakie der Blase entwickelte. Ähnliche Beobachtungen machten A 1 b a r r a n , der vier solcher Fälle beobachtete, W e n d 1 e r und Lubarsch. Einzelne Autoren geben auch an, daß Blasensteine zu Krebs führen können, doch scheint dies nicht häufig zu sein. Ob die von R e h n zuerst auf dem deutschen Chirurgenkongreß 3* 36 Die Entstehung der Karzinome. 1897 bekannt gegebenen Blasentumoren bei Anilinarbeitern durch Vermittlung einer chronischen Entzündung entstehen, ist nicht sicher festgestellt, aber sehr wahrscheinlich, ebenso das von P o s n e r beobachtete Zustandekommen eines Blasenkarzinoms bei einem Teerarbeiter und bei einem Naphtolarbeiter. ’Nierenkrebs schließt sich in einzelnen Fällen an Nierencirrhose an. Für die Entwicklung der Nierenbeckenkrebse ist das Vorhandensein von Steinen als prädisponierend von mehreren Autoren angegeben worden.

Beim Studium der hier angeführten Literatur über chronische Entzündung und Krebs befestigte sich bei mir der Glaube, daß die Entzündung auf folgende Weise Veranlassung zur Entstehung des Krebses gibt : Die chronische Entzündung, ebenso wie die Narbe führen durch schlechte Ernährung der mesodermalen Gewebe zu Atrophie des Bindegewebes mit Mangel an Zellen in demselben und Anämie des Gewebes, wodurch das Ueberwuchern des Epithels begünstigt wird. Diese Atrophie wird durch langen Bestand der Entzündung und durch das höhere Lebensalter ganz besonders begünstigt, wenn auch letzteres nicht unbedingt notwendig für das Zustandekommen der Atrophie ist. In der Tat erfolgt in der großen Mehrheit der Fälle die krebsige Umwandlung der entzündeten Partien erst nach sehr langem Bestand und im vorgerückten

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Resumé beüglich des Zusammenhangs von chronischer Entzündung und Karzinom.

Lebensalter. Die chronischen Entzündungen, für die die Atrophie als besonders charakteristisch bekannt ist, disponieren häufig zum Krebse, z. B. das Xeroderma pigmentosum (es besteht in einer eigentümlichen Atrophie der Haut, siehe oben). Lupus erythematodes gibt häufig zur Krebsentwicklung Veranlassung. Von dieser Erkrankung geben eine Anzahl von Lehrbüchern an, daß er nicht selten in starke narbenartige Atrophie ausgeht.- — Auch vom Ekzem, das für Karzinom disponiert, ist bekannt, „daß es manchmal zur Sklerose der Cutis und der Subcutis führt“. Kraurosis vulvae führt häufig zuKrebs. „Bei ihr findet sich nicht selten narbenähnliche Beschaffenheit des Papillarkörpers, der Haut, das Bindegewebe ist stellenweise sklerosiert.“ — Daß das entzündete Gewebe bei Lebercirrhose, die eine so häufige Ursache des Leberkrebses ist, Anämie herbeiführt, ist bekannt.

In der Regel wird es schwer sein, an dem vom Krebs befallenen Organ den Zustand der Gefäße vor der Krebsentstehung ganz einwandfrei nachzuweisen. Es war mir deshalb von großer Wichtigkeit, an einem paarig vorhandenen Organe, das lange Zeit hindurch an chronischer Entzündung gelitten hatte und bei dem das eine der Organe dann vom Krebs befallen war, den Zustand der Gefäße an dem ändern chronisch entzündeten, aber krebsfreien Organe zu studieren. Eine solche Gelegenheit bietet das primäre Tubenkarzinom, wenn es, wie so häufig, auf dem Boden einer Salpingitis entsteht. Es ist dann wenigstens mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß vor der Entstehung des Krebses beide Tuben ähnliche Beschaffenheit ihrer Gefäße hatten. Bei dem oben erwähnten Präparate der Frau R. war die eine Tuba im Zustand der chronischen Entzündung, aber krebsfrei, in der ändern Tuba hatte sich zur chronischen Entzündung ein Karzinom hinzugesellt. In der krebsfreien Tuba zeigten sich nun die Merkmale der chronischen stenosierenden Arteriitis und der Atrophie des subepithelialen Bindegewebes. Daß die älteren Produkte der chronischen Entzündung an der Tuba gefäßarm sind, kann man auch nicht selten bei Operationen beobachten. Es passiert manchmal, namentlich bei vaginaler Exstirpation von Tubensäcken, daß dieselben beim Herausziehen aus dem Becken zerreißen. Nennenswerte Blutungen haben wir auch beim Durchreißen von sehr dickwandigen Säcken niemals beobachten

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Stumpfes Trauma und Geschwulstbildung. 37

können. — Es vergehen im Durchschnitt 15—20 Jahre, bis auf dem Boden der chronischen Tubenentzündung sich der Krebs entwickelt; dafür sprechen die oben mitgeteilten Statistiken, es spricht auch dafür die Tatsache, daß der Krebsentwicklung eine sehr langdauernde Sterilität oder „Onechildsterility“ vorauszugehen pflegte; es handelte sich übrigens bei den beschriebenen Fällen vorwiegend um Frauen aus den niederen Ständen, bei denen, wenigstens bei uns in Deutschland, die absichtliche Verhinderung der Konzeption vor 15 Jahren noch recht selten war, so daß man die geringe Fruchtbarkeit nicht auf absichtliche Schwangerschaftsverhütung zurückführen kann. Stumpfes Trauma und Geschwulstbildung. Nicht bloß die Folgen der Contusiones apertae und der Ulzerationen, sondern auch die Folgeerscheinungen der Contusiones occultae geben häufig Veranlassung zur Entstehung von Tumoren und auch von Krebs. Die Narben nach Kontinuitätstrennungen

der Haut geben fast immer nur Veranlassung zum Krebs. Sehr selten entwickeln sich aus ihnen andere Geschwülste. In den spärlichen Fällen, in denen sich z. B. Sarkome aus Narben bildeten, waren fast immer noch frische Traumata nachweisbar, die auf die Narbe eingewirkt hatten. Es war also die Narbe blutreich geworden. Auch die chronische Entzündung gibt in weitaus den meisten Fällen nur Veranlassung zur Entstehung von Karzinomen. Das stumpfe Trauma ruft, im Gegensatz zur Narbe und zur chronischen Entzündung, sehr verschiedenartige Tumoren hervor, ganz besonders häufig aber Sarkom und Karzinom. Die Zeitdauer zwischen stumpfem Trauma und der Entstehung des Sarkoms einerseits und die Zeitdauer zwischen chronischer Entzündung, Narbe und der Entstehung des Karzinoms andererseits ist verschieden. Narbe und chronische Entzündung disponieren um so mehr zur Entstehung des Karzinoms, je längere Zeit die Narbe und die chronische Entzündung besteht. Ei ne Ausnahme hiervon machen zuweilen außerordentlich ausgedehnte Narben. Umgekehrt pflegt nach Traumen das Sarkom meist ganz kurze Zeit nach der Einwirkung der Verletzung zu entstehen. Auf Grund einer Berechnung bei 472 traumatischen Tumoren,

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die in den Monographien von Löwenthal und Löwenstein gesammelt sind, kam ich zu folgenden Resultaten: Im ersten halben Jahre nach dem Trauma wurden 77 pCt. aller traumatischen Sarkome beobachtet, dagegen nur 47 pCt. der traumatischen Karzinome ; umgekehrt nach länger als 3 Jahren 30 pCt. aller Karzinome und nur 6,7 pCt. der Sarkome. Im Durchschnitt werden die Karzinome nach stumpfen Traumen nach 23/4 Jahren etwa beobachtet, die Sarkome dagegen nach 3/4 Jahren. Die eben mitgeteilten Unterschiede bezüglich der Beeinflussung der Entstehung der Tumoren durch Narbe und chronische Entzündung einerseits und stumpfem Trauma andererseits scheinen mir Argumente für meine Anschauung zu liefern : In alten Narben, in alten Herden von chronischer Entzündung ist meist die Blutzirkulation eine dürftige. Bei der größeren Hälfte der Traumen ist dagegen unmittelbar nach der Einwirkung der Quetschung eine starke Hyperämie der geschädigten Gewebe vorhanden, die häufig später einer schlecht ernährten Narbe Platz macht. Dementsprechend sind die kurz nach einem Trauma entstandenen Tumoren häufiger Sarkome, die lange Zeit nach einem solchen entstandenen häufiger Karzinome.

Die Disposition der einzelnen Organe zum traumatischen Tumor ist sehr verschieden. Natürlich hängt die Frequenz dieser Tumoren zum großen Teile davon ab, ob ein Organ dem Trauma mehr oder weniger ausgesetzt ist. Es ist z.B. nicht auffallend, daß traumatische Tumoren des Pankreas, der Nieren und der Ovarien ziemlich selten sind. Diese Organe sind ja durch ihre Lage vor Verletzungen im allgemeinen geschützt, andererseits ist es nicht wunderbar, daß an den unteren Extremitäten häufig traumatische Tumoren entstehen, denn sie sind Verletzungen sehr leicht ausgesetzt. Aber dadurch allein ist die Disposition nicht vollständig erklärt. Es müssen offenbar noch andere Ursachen mitsprechen. Die Hinterbacken z. B. werden doch außerordentlich häufig von Traumen betroffen. Man denke nur an die vielen Mißhandlungen derselben, an die vielen Peitschenhiebe, die in früheren Jahren zur Zeit der gesetzlichen Prügelstrafe auf dieselben appliziert wurden, an die Wirkungen der Knute im heutigen Rußland — wie selten sind doch Geschwülste daselbst; auch bei recht mageren Leuten und bei Kindern, bei denen die Polsterung der Hinterbacken recht gering ist, auch bei ihnen sind traumatische Tumoren recht selten.

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Stumpfes Trauma und Geschwulstbildung. 39

Die Fußsohlen erleiden sehr zahlreiche Quetschungen bei Barfußgehenden z. B., bei Leuten mit schlecht sitzender Fußbekleidung; sie reagieren auf dieselben mit Schwielen und Hühneraugen ; Geschwülste sind an ihnen recht selten. Auch die Innenfläche der Hand erleidet recht oft Quetschungen ; wie häufig werden die Hände mißhandelt in vielen Handwerken, beim Turnen, Rudern usw. Die Folgen sind Verdickungen der Oberhaut, aber nicht Entstehung von Tumoren. — Das Becken und seine Weichteile erleiden bei den Geburten starke und zahlreiche Kontusionen; die schweren Verletzungen sind wohl imstande, weitgehende Nekrosen der weichen Teile mit ihren Konsequenzen (Fistelbildung usw.) zu erzeugen, aber maligne Tumoren der Beckenknochen infolge des Geburtstraumas gehören zu den allergrößten Seltenheiten. Dagegen sind bösartige Tumoren der Beckenweichteile nach Geburten etwas häufiges, aber es sind fast ausschließlich Karzinome, und zwar fast nur an der Cervix uteri. Sarkome kommen an der Cervix sehr selten vor. Ich bemerke hier ausdrücklich, daß ich hier von der Einwirkung der Quetschung allein spreche und nicht von den Zerreißungen; ich meine, daß die meisten Cervixkarzinome da entstehen, wo die Quetschung eingewirkt hat, in den mittleren Teilen der Cervix, nicht da, wo die Zerreißungen stattzufinden pflegen, letztere entstehen meist in den seitlichen Partien der

Cervix. — Andererseits pflegen in der Scheide und im Scheidenausgange Sarkome als Folge des Geburtstraumas ebenso wie Karzinome außerordentlich selten zu sein. Vielleicht deshalb, weil diese weiteren Partien des Geburtskanals viel weniger ausgedehnte Quetschungen durch den Geburtsakt erfahren, während der Engpaß des Gebärmutterhalses in ganz anderer Weise durch den vordringenden Kopf usw. zerquetscht wird. — Es könnte fast den Eindruck erwecken, als ob sich allmählich Schutzvorrichtungen gegen die Folge der sehr häufig vorkommenden und der physiologischen Quetschungen im Menschengeschlechte gebildet hätten.— Von manchen Seiten wird behauptet, daß bei den unzivilisierten Völkern die Geburten leichter verlaufen, die Kinder kleiner zur Welt kommen, und daß bei ihnen das Cervixkarzinom selten ist. Vielleicht hängt die Seltenheit des Cervixkarzinoms bei den unzivilisierten Völkern z. T. mit den spärlichen Quetschungen bei den leichter verlaufenden Entbindungen zusammen. Auch die Knie erleiden t eim Scheuern vielfache Mißhandlungen,

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sie reagieren auf dieselben mit Entzündungen ihrer Schleimbeutel, aber nicht mit Tumorenbildung. Am häufigsten sind die Brustdrüsen von durch stumpfem Trauma veranlaßten Tumoren betroffen, und zwar in den Statistiken von Löwenthal und Löwenstein mit 158 Fällen. Die unteren Extremitäten rangieren in den gleichen Statistiken mit, 142 auf die gleiche Weise entstandenen Tumoren, die oberen Extremitäten mit 63, der Rumpf mit 48, die Hoden mit 45, Schädel und Gehirn mit 35, die Weichteile des Rumpfes mit 34, die Niere mit 15, Wange, Kinn und Parotis zusammen mit 13, die Nase mit 8, der Penis mit 5, die Lippen mit 4, der Magen mit 4, Auge und Orbita mit 2, die Leber mit 2, der Darm mit 2, das Pankreas mit einem Fall. Die Mamma wird gewiß ziemlich oft deshalb von Traumen getroffen, da sie weit über die Körperoberfläche vorspringt; doch müssen noch andere Faktoren bei der häufigen Entstehung der Mammatumoren mitwirken, denn es sind z. B. sämtliche Tumoren des Rumpfes zusammengenommen nicht so häufig wie die der Mamma allein. Die Mamma hat mehr als doppelt so viele traumatische Tumoren, als die oberen Extremitäten. Auch dies steht nicht im Verhältnis zu der Frequenz der Traumen allein. Ebenso steht in einem gewissen Mißverhältnisse zur Frequenz der Traumen die ziemlich große Häufigkeit der Hodentumoren. Mamma und Hoden zeichnen sich durch große Weichheit ihres Parenchyms Stumpfes Trauma und Geschwulstbildung. 41

Es ist also die Art des Tumors für einzelne Organe eine nahezu spezifische. An der Mamma z. B. sind etwa 93 pCt. aller traumatischen Tumoren Karzinome und nur etwa 7 pCt. Sarkome. Das umgekehrte Verhälitnis zeigen die Extremitäten. Hier sind 97 pCt. aller Fälle Sarkome.

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aus. Infolge davon bewirken Traumen an diesen Organen weitgehende Störungen der Textur — dies ist vielleicht der Grund, weshalb diese Organe so häufig von „traumatischen Tumoren“ befallen werden. Auch bezüglich der Art des Tumors ergeben sich an den einzelnen Organen recht beträchtliche Verschiedenheiten. In den Fällen von Löwenthal und Löwenstein zusammengenommen traten auf:

Ich meine, daß die Verschiedenheiten des histologischen Baues allein die Verschiedenartigkeit im Auftreten der Tumorarten nicht erklären. Es werden doch an den Extremitäten vom Trauma auch zahlreiche epitheliale Gebilde betroffen; umgekehrt werden die bindegewebigen Bestandteile der Mammae bei den Quetschungen

ja auch insultiert, ebensogut wie die epithelialen Bestandteile. Es muß also doch noch ein anderer Faktor hinzukommen. Es ist mir wahrscheinlich, daß dieser Faktor die Art der Einwirkung der Kontusion ist. An der weichen Mamma finden ausgedehnte Zertrümmerungen des Gewebes statt, an den Extremitäten ereignen sich keine solche umfangreiche Zerstörungen. Speziell die Knochen werden ja wohl nicht selten frakturiert, aber eigentliche Zermalmungen derselben sind wohl die allergrößten Seltenheiten. Wenn am Knochen Frakturen oder Splitterungen die Folge der Quetschung sind, so werden die spitzen Knochenenden eine ausgedehnte, lang andauernde Hyperämie zur Folge haben, und gerade die Hyperämie wirkt begünstigend auf die Entstehung der Sarkome. Bei der Mamma wird die Zertrümmerung des Gewebes zu ähnlichen Prozessen führen wie die Mastitis. Infolge der Zertrümmerung kommt es zur Bildung einer subkutanen, schlecht ernährten Narbe, das anämische Narbengewebe neigt dann zur Produktion des Karzinoms. — Es dürften noch manche andere Faktoren mitsprechen, wahrscheinlich manche Eigentümlichkeiten in der Anlage der Gefäße, bessere oder schlechtere Resorptionsverhältnisse an einzelnen Organen, Verschiedenartigkeit der Abflußbedingungen bei Blut anschoppungen usw. — Dabei ist es interessant, zu sehen, daß z. B. in den spärlichen Fällen, in denen die Mammae von traumatischen Sarkomen befallen wurden, diese Ausnahmen meist sofort in den allerdings sehr kurzen Krankengeschichten der Autoren ihre Erklärung finden. Löwenthal führt 10 Fälle von traumatischem Mammasarkom auf : in Fall 4 war die Patientin 16 Jahre alt, in Fall 7 entwickelte sich der Tumor mit 19 Jahren, ebenso alt war die Patientin No. 9; nun wissen wir, daß in so früher Jugend die Disposition zum Sarkom sehr groß, zum Karzinom sehr klein ist. Es ist also nicht sehr auffallend, wenn hier nach der Quetschung nicht, wrie gewöhnlich, einKarzinom, sondern ein Sarkom in der Brust auf getreten ist. Auch in Fall 5 von Löwenthal war die Patientin erst 29 Jahre alt, in Fall 2 soll eine Komplikation mit Sternalfraktur bestanden haben. Von den 137 Patientinnen von Löwenthal

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42 Die Entstehung der Karzinome.

mit Mammakarzinom dagegen war nur eine unter 30 Jahre alt. Während wir unter den lOPatientinnen mit traumatischem Mammasarkom insgesamt vier Fälle unter 30 Jahren verzeichnet finden, war unter den 137 Patientinnen mit Mammakarzinom nach Trauma nur einer unter 30 Jahre alt. Dabei ist interessant, daß ein Fall von Löwenstein mit Cystosarcoma mammae nach Trauma in der Schwangerschaft entstanden ist, also bei stark hyperämischer

Mamma, ein zweiter Fall des gleichen Autors nicht nach Zerquetschung der Brust, sondern nach einem Stich in dieselbe. Umgekehrt sind an den Extremitäten nach stumpfen Traumen fast nie Karzinome aufgetreten. Bei Löwenthal und Löwenstein sind zwar eine Anzahl von Karzinomen nach Verletzungen der Extremitäten auf gezählt, allein bei Durchsicht der Krankengeschichten zeigte sich, daß die „Traumata“ meist in „Verbrennungen“ bestehen. Es handelt sich also nicht um „Contusiones occultae“, deren Einfluß hier den Gegenstand meines Studiums bildet, sondern um „Contusiones apertae“. Von den ersteren bleiben nach Abzug der Brandnarben und der übrigen mit Wunden komplizierten Verletzungen nur 6 Fälle übrig, von denen noch nicht einmal bei allen mit Sicherheit gesagt werden kann, ob nicht offene Verletzungen dabei auch vorhanden waren. Das Gehirn wird durch die harte Schädelkapsel in der Regel vor Zertrümmerungen bewahrt. Dieses blutreiche Organ wird also auf die Quetschung meist mit Hyperämie reagieren, in der Tat sehen wir am Gehirn ziemlich häufig Sarkombildung. Das Alter der Patientinnen mit traumatischem Karzinom und Sarkom ist ebenfalls ein sehr verschiedenes. 51 pCt. aller traumatischen Sarkome wachsen in den ersten 30 Jahren, in dem gleichen Alter aber nur 4,3 pCt. der traumatischen Karzinome. Umgekehrt finden sich 54 pCt. der traumatischen Karzinome zwischen dem 50. und 90. Lebensjahre, in dem gleichen Alter aber nur lBpCt. der Sarkome. Es bestätigt sich also auch hier wieder der Satz, daß die Jugend in hohem Grade prädisponierend für das Sarkom, das Alter in gleicher Weise begünstigend auf die Entstehung des Karzinoms wirkt. Nun ist aber die Jugend prädisponierend für die Überernährung, das Alter für die Unterernährung der Gewebe. Auch dies würde wieder dafür sprechen, daß die Sarkome am leichtesten auf hvperämischem, die Karzinome auf anämischem Boden sich entwickeln. Soviel ich sehe, ist die

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Der Einfluß des Berufes auf die Entstehung etc. 43

Pubertät mit ihrer Neigung zu ungewöhnlich reichlicher Ernährung der Organe begünstigend für die Entstehung der Sarkome, dagegen wirkt das Klimakterium, also dieZeit der regressivenMetamorphose, der Anämisierung der Geschlechtsteile, außerordentlich förderlich auf die Entwicklung der Karzinome. Der Einfluß des Berufes auf die Entstehung des Karzinoms. In neuerer Zeit mehren sich die Veröffentlichungen von Fällen, in denen Geschwülste bestimmter Organe zum Teil durch

dieEinflüssedesBerufs entstanden sind. Auch wurden von einzelnen Ärzten Mitteilungen gemacht, die dafür sprechen, daß die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Arten von Geschwülsten in bestimmten Organen durch die soziale Stellung in beträchtlicher Weise beeinflußt wird. Die schädlichen Einflüsse des Berufes wirken vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, auf die lokale Disposition, die schädlichen Einflüsse der sozialen Stellung dagegen mehr auf die humorale. Ich werde deshalb die durch die Schädigungen des Berufes veranlaßten Tumoren unter den durch lokale Ursachen entstehenden, die durch die Beeinflussung von seiten der sozialen Stellung zum Teil veranlaßten bei der Schädigung durch humorale Ursachen abhandeln, wenn ich auch nicht verkenne, daß sich gegen eine derartige Schematisierung manches einwenden läßt. Das Organ, das den Einflüssen, die der Beruf mit sich bringt, am häufigsten ausgesetzt ist, ist die äußere Haut; es ist deshalb von vornherein erklärlich, daß ein verhältnismäßig großer Teil der „Berufskrebse“ in der Haut lokalisiert ist. Doch ist es auch eine nicht geringe Anzahl von Fällen, die veranlaßt werden durch Einatmung von durch den Beruf entwickelten, für den men. chlichen Körper schädlichen Stoffen. Die Folge hiervon ist die Entstehung von Krebsen der Atmungsorgane, vor allem der Lunge. Auch durch den Schluckakt werden derartige schädliche Stoffe zuweilen dem Körper einverleibt, es treten sodann die Geschwülste meist innerhalb des Verdauungsschlauches auf. Seltener sind die Fälle, in denen diese Stoffe durch Einatmen oder durch Verschlucken in den Körper gelangen, aber nicht an dem Orte des Eindringens (in den Atmungsorganen oder im Verdauungskanal) ihre schädliche Wirkung ausüben, sondern auf dem Blutwege weitergeschleppt

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44 Die Entstehung der Karzinome.

werden und in anderen Organen ihre Wirkung entfalten; hierher gehören einzelne Formen von Geschwülsten der Blase und der Gebärmutter. 1. Die Berufstumoren der äußeren Haut. a) Der Ruß- oder Schornsteinfegerkrebs. Er ist von allen Berufskrebsen der am längsten bekannte. Wir haben ihn schon oben besprochen. Auch bei Guano- und Bleiarbeitern sollen karzinomatöse Hodenaffektionen sich entwickeln können (Richerand und Bayle). Wenn strenge Reinlichkeit beobachtet und fleißig gebadet wurde, wurde der „Berufshodenkrebs“ nicht mehr konstatiert,

auch nicht mehr in Ortschaften, wo die Krankheit ziemlich häufig vorkam. b) Der Teer- und Paraffinkrebs ; auch über ihn haben wir oben schon gesprochen. c) Der Krebs der Brikettarbeiter wurde von Rollet u. A. beschrieben; er zeigt die gleichen Verhältnisse wie der Schornsteinfegerkrebs. d) Bei Arbeitern, die mit sog. Dunkelölen, die zumeist als Gas- und Schmieröle verwendet werden, zu tun haben, wurde von Hoffmann ebenfalls häufig ein Hautkrebs beobachtet, bei dem die Haut rissig und verdickt wird, es bilden sich knötchenförmige Epidermisverdickungen, später wird die Haut pergamentartig und es entstehen in derselben pigmentfreie Narben, zuweilen zerfallen die Warzen geschwürig, die Ränder werden hart und es entwickelt sich ein Karzinom. Auch Kreosot und Petroleum können ähnliche Erscheinungen bei den Arbeitern hervorrufen (Lesser), das gleiche wird vom Phosphor behauptet (Stanvell). e) Der Röntgenkrebs. Am häufigsten und frühesten wurde derselbe an Röntgentechnikem beobachtet, also bei Leuten, die jahraus, jahrein beim Anfertigen von Röntgenröhren und Probieren derselben den Strahlen ausgesetzt waren. Vor 4 Jahren waren 50 Fälle beschrieben, von denen auch ein Teil Ärzte betraf. Es entwickelte sich Hyperkeratose, warzen- und stachelförmige Hervorragungen der Oberhaut, Atrophie der Haut mit starker Verhornung, dann folgten äußerst schwer auszuheilende Geschwüre und multiple Hautkrebse. W y ß hat des öfteren an den Gefäßen in der Umgebung dieser Krebse Verdickungen der Intima und starke Verengungen

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Der Einfluß des Berufes auf die Entstehung etc. 45

des Gefäßlumens gefunden. Auch J akobsthal hat endarteriitische und mesarteriitische Prozesse bei Röntgengeschwüren gefunden, hält sie aber nicht für sehr wichtig. Der Röntgenkrebs ist ebenso wie der Ruß-, Teer- und Paraffinkrebs häufig von geringer Bösartigkeit, doch wurden auch einzelne sehr maligne Fälle beobachtet. f) Der Seemannskrebs. Bei Seeleuten hat Unna eine Erkrankung der Haut, die „Seemannshaut“, beschrieben: chronische Entzündung der Haut mit Verdickung der Epidermis. In der See mannshaut entwickeln sich zuweilen Karzinome. Die Entzündung der Haut ist wohl hervorgerufen durch die Einwirkung von Wind und Wetter. J. N. Hyde fand diese Form des Karzinoms vor allem bei Seeleuten, ,die starken Lichtbestrahlungen ausgesetzt

sind. E. Di es in g sah als Vorläufer des ,,Seemannskrebses‘' Xeroderma pigmentosum. — Auch der Seemannskrebs ist nicht bösartig. g) Der Arsenikkrebs. Bei einzelnen Arbeitern, die mit Arsenik lange beschäftigt waren, wurden Hautentzündungen mit nachfolgender Krebsentwicklung beobachtet. h) Bei Lokomotivführern wurden einzelne Male Hautentzündungen oberhalb der Schienbeine mit späterer Krebsentwicklung konstatiert. Die Hautentzündung war offenbar dadurch entstanden, daß die Haut oberhalb der Schienbeine jahrelang dem direkten Einflüsse der Hitze ausgesetzt war. i) Der Gesichtskrebs. Fast alle Statistiken (W iniwarter, Behla, Felix Theilhaber usw.) zeigen, daß der Gesichtskrebs in weitaus den meisten Fällen Bauern, Tagelöhner und Leute aus den niederen Ständen befällt, die dem Wind und Wetter viel ausgesetzt sind. Nach V olkmann und Schuchardt käme er höchstens mit 2 pCt. in den höheren Ständen vor. Wahrscheinlich wirkt in den niederen Ständen noch mit, daß die Haut kultur hier geringer ist und auf die Heilung kleiner Schrunden, Borken u. dgl. gar keine Sorgfalt verwendet wird; im Gegenteil beobachtet man hier, daß durch Aufkratzen und Abreißen jener Borken der Zustand noch verschlimmert wird. — Behla fand, daß der Hautkrebs bei Gärtnern besonders häufig vorkommt ; den Krebs im allgemeinen fand der gleiche Autor recht oft im Holzgewerbe. — Den an der Außenfläche des Körpers auftretenden Berufskrebsen

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46 Die Entstehung der Karzinome.

läßt sich noch anreihen: das Lippenkarzinom der Pferde, das von P 1 i c q u é beschrieben und besonders an der Kommissur beobachtet wurde und mit dem Druck durch das eiserne Zaumzeug in Verbindung gebracht wird, ferner das Horncorr des Viehes, das namentlich in Indien beobachtet wird: an der Basis des Hornes, an dem die Tiere angespannt werden, kommt es zur Entwicklung eines Plattenepithel-Karzinoms. 2. Die Berufstumoren in den Atmungsorganen. Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten lokalisieren sie sich fast ausschließlich in den Lungen. Lungenkrebse, die als Folge der Einatmung von Staub, der sich während des Berufs entwickelte, entstanden sind, wurden beobachtet bei Metallarbeitern, Eisendrehern, Drahtziehern, bei Arbeitern in Spinnereien, in Ziegelfabriken, bei Zigarrenarbeitern. Recht häufig wurden sie bei den Arbeitern der Bergwerke in Schneeberg gefunden, es sterben dort

angeblich 75pCt. aller Bergleute an Lungenkrebs. Ponitz suchte die Ursache dieser Todesfälle in der Einatmung der Gase, die eine Mischung von Kobalt und Nickel mit Arsenik und Schwefel haben. Die Reizung durch den Staub, die Gase usw. verursacht chronische Entzündung, später entstehen dann Geschwüre, Narben usw. Die Folge ist dann der Lungenkrebs. 3. Die Berufstumoren des Verdauungskanals. a) Die neueren Statistiken zeigen fast übereinstimmend (s. Juliusburger,Kolb, F. Theilhaber), daß im Gastwirtsgewerbe eine recht hohe Sterblichkeit an Krebs vorhanden ist. Vor allem ist es der Krebs der Speiseröhre und des Mastdarms, an dem die im Gastwirtsgewerbe Angestellten hervorragend partizipieren; in zweiter Linie rangiert der Leberkrebs. Bekannt ist, daß bei Trinkern der Krebs der Mundhöhle und der Speiseröhre häufig gefunden wird, und wird auch der Umstand, daß der Speiseröhrenkrebs fast ausschließlich eine Krankheit des männlichen Geschlechtes ist, von der Mehrzahl der Autoren darauf zurückgeführt, daß das männliche Geschlecht am Alkoholkonsum stärker teilnimmt. b) 'Der Magenkrebs wird nach meinen statistischen Untersuchungen relativ häufig bei Köchinnen beobachtet und meine ich, daß das häufige Verkosten während des Kochens, wo die Speisen noch sehr heiß sind, zu Magenentzündungen und sekundären Karzinomen zuweilen Veranlassung gibt.

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Der Einfluß des Berufes auf die Entstehung etc. 47

c) Der Mastdarmkrebs befällt nach den Untersuchungen, die ich mit Hilfe der Leichenschauscheine der Stadt München angestellt habe, auffallend häufig hohe Beamte und Professoren. Das gleiche hat Felix Theilhaber beim Studium der Leichenschauscheine des Königreiches Bayern gefunden. Es ist wahrscheinlich, daß der Mangel an körperlicher Bewegung zu Kotstauungen, Hämorrhoiden („Staatshämorrhoidarier“) und sekundär zu chronischen Entzündungen der Mastdarmschleimhaut Veranlassung gibt. Möglich ist immerhin, daß hierbei auch die Einflüsse der sozialen Stellung eine begünstigende Rolle spielen. 4. Berufstumoren der Harn- und Geschlechtsorgane. a) Blasenkrebse wurden von Rehn, Lichtenberg, Wendler, R. Schedler bei Anilinarbeitern, von P o s n e r bei einem Naphtholarbeiter gefunden. b) Der Gebärmutterkrebs wurde bei den Untersuchungen an dem Materiale meiner Klinik und der Leichenschauscheine der Stadt

München und des Staates Bayern auffällig häufig bei den Frauen von Gastwirten und Metzgern beobachtet. Kolb und Albrecht haben an anderem Materiale meine Mitteilungen geprüft und bestätigt. Der Einfluß des Alkohols dürfte wohl in einer Schädigung der Gefäßwände und der Blutzirkulation bestehen, vielleicht auch in der Hervorrufung von „präkanzeröser“ chronischer Entzündung. Bei Metzgerfrauen ist an den allzu reichlichen Konsum von Fleisch zu denken. — Was die Art der Einwirkung des Berufes betrifft, so hat man versucht, die Reize, die infolge des Berufes auf die Organe einwirken und in ihrem Gefolge Karzinomentwicklung hervorrufen, einzuteilen in mechanische, chemische, thermische usw. Viele glaubten auch eine spezifische Einwirkung des Rußes, Paraffins usw. auf die Proliferationsfähigkeit der Epithelzellen annehmen zu können, und versuchten durch Bepinselungen von Tieren mit diesen Mitteln Karzinome hervorzurufen. Der Erfolg war negativ. Bei der großen Mehrzahl der Berufskarzinome läßt sich nachweisen, daß eine vielj ährige Einwirkung von reizenden Stoffen eine chronische Entzündung hervorgerufen hatte. Chronische Entzündungen von vielj ährigem Bestände disponieren zum Karzinom namentlich dann, wenn eine weitere Schädlichkeit, z. B. das vorgerückte Alter, hinzutritt. Bei den Ruß-, Paraffin- und Röntgenarbeitern läßt sich ebenso wie bei den meisten anderen Leuten,

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die Hautkrebse infolge ihres Berufes akquirieren, der Nachweis führen, daß dem Karzinom eine Dermatitis vorausging. In der Mehrzahl der Fälle bestand diese Dermatitis viele Jahre, bevor das Karzinom sich entwickelte. Für einen Teil dieser Fälle ist nachgewiesen, daß es zu einer Atrophie der Haut, zu einer narbigen Umwandlung derselben kam. Das Berufskarzinom ist also in Analogie zu setzen mit dem Karzinom, das sich bei Xeroderma pigmentosum, bei Lupus erythematodes, bei chronischen Ekzemen und bei Psoriasis entwickelt. Es ist meist dem Karzinom eine „Cirrhose der Kutis“vorausgegangen. Das Bindeglied zwischen der Cirrhose der Kutis und dem Karzinom bildet dann meines Erachtens die Verarmung der Kutis an Blutgefäßen und Bindegewebszellen, deren spezifischen Wachstumsstoffen, wodurch dann das Epithel das Übergewicht erhält. In ähnlicher Weise muß man sich wohl auch die Entstehung der Karzinome der Respirationsorgane denken. Auch hier handelt es sich um eine chronische Entzündung der Lunge infolge der Der Alkohol und das Karzinom. 49 Pneumokoniosis, der durch Staubeinatmen bedingten chronischen Lungenentzündung. Beim Speiseröhrenkrebs der Wirte handelt es sich wohl um eine entzündliche Reizung durch den Alkohol, beim Mastdarmkrebs der Beamten um chronische Entzündung infolge der Hämorrhoiden. Für die große Mehrzahl der Fälle läßt es sich also direkt nachweisen, daß das Zustandekommen des Berufskrebses in ähnlicher Weise durch die chronische Entzündung vermittelt wird, wie das Leberkarzinom durch die chronische Entzündung der Leber (Cirrhose), wie das Tubenkarzinom durch chronische Entzündung der Tuben usw. Eine spezifische Einwirkung eines Berufes ist bis jetzt noch nicht erwiesen.

Schon im 18. Jahrhundert wurde, wie Jacob Wolff mitteilt, ein Teil der Fälle von Magenkrebs auf den Genuß von Alkohol zurückgeführt ( J. C. P o h 1, B a y 1 e u. A.). Man hat besonders für das gehäufte Vorkommen von Magenkrebs in der Normandie, in der Ostschweiz u. s. f. den Genuß von saurem Weine verantwortlich gemacht. Zwar wurde dieser Zusammenhang von Krieg bestritten, allein die neueren Forschungen kommen

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Der Alkohol und das Karzinom.

meist zu dem Schlüsse, daß der Alkohol zu den prädisponierenden Ursachen wohl gerechnet werden muß, und zwar durch Erzeugung einer chronischen Gastritis, die häufig eine präkanzeröse Erkrankung ist. Die Untersuchungen von Julius Burger, Kolb und F. Theilhaber haben ferner, wie oben schon angeführt, gezeigt, daß im Gastwirtsgewerbe eine recht hohe Sterblichkeit an Krebs vorhanden ist. Vor allem ist es der Krebs der Speiseröhre und des Mastdarms, an dem die im Gastwirtsgewerbe Angestellten hervorragend partizipieren. Wir haben oben auch bereits angegeben, daß auch der Leberkrebs im Gastwirtsgewerbe häufig gefunden wird, und daß ich bei den Frauen der Gastwirte auffallend häufig Gebärmutterkrebs konstatierte. Alle Statistiker, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben, haben auch festgestellt, daß der Krebs der Mundhöhle, des Rachens, der Zunge, der Speiseröhre sich in mehr als 4/s der Fälle bei Männern findet, vor allem bei solchen, die viel trinken und stark rauchen. Ich komme also zu dem Schlüsse, daß stärkerer Alkoholgenuß bei der Entstehung der Krebse des Verdauungskanals und der Leber mitwirkt und wahrscheinlich auch die Genese des Gebärmutterkarzinoms begünstigt. Theilhaber, Karzinom. 4 50 Die Entstehung der Karzinome.

Es können Parasiten makroskopischer und mikroskopischer Art, die nicht spezifisch sind, eine chronische Entzündung veranlassen, die ihrerseits wieder Veranlassung zur Entstehung des Karzinoms gibt. Dagegen ist es höchst unwahrscheinlich, daß es einen spezifischen Parasiten für die Karzinomentstehung gibt. So entsteht Krebs manchmal bei tuberkulösen und syphilitischen Erkrankungen. — In Ägypten, wie überhaupt in Nordund Mittelafrika, wird der Krebs nach Goebel selten beobachtet. In Ägypten leiden jedoch die Eingeborenen häufig an Blasengeschwülsten, und zwar oft an krebsigen; meist war eine Cystitis infolge von Bilharziainfektion vorausgegangen. Goebel hält deshalb den engen genetischen Zusammenhang zwischen Bilharziacystitis und Krebsentwicklung für unleugbar. Die Bilharzia ist die Folge einer Infektion durch einen Wurm (Bilharzia hämatopium). Derselbe verursacht übrigens auch (durch Vermittlung

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Parasitäre Reize und das Karzinom.

einer Proctitis) manchmal Rectumkarzinome. — Auch die Infektion mit Actinomyces begünstigte zuweilen die Entstehung von Darmkarzinomen. B o r r e 1 sah einmal einen Ascaris in einem Karzinom der Talgdrüsen und zweimal Helminthen in Adenokarzinomen der Mamma. In einem ganz kleinen Tumor konnte er noch neuerdings eine ganz intakte Nematode beobachten. Auch bei Ratten konnte er in zwei Fällen Helminthen im Tumor konstatieren. Prof. Fiebigerin Kopenhagen fand bei Ratten mit Magenkrebs gleichzeitig das Vorhandensein von Nematoden. Er fütterte nun Ratten mit schwarzen Schaben und konnte dann Nematoden im Magen nachweisen. Hierdurch stellte er fest, daß die schwarzen Schaben als Zwischenwirte für die Nematoden fungieren. Eine größere Anzahl der Ratten, die mit den schwarzen Schaben gefüttert worden waren, bekamen Magenkrebs. Alle diese Parasiten haben wohl nicht in spezifischer Weise, sondern nur durch Erregung einer Entzündung gewirkt, die ihrerseits wieder Veranlassung zum Karzinom gegeben hat. Der Beweis, daß es spezifisch parasitäre Erreger der Tumoren gibt, ist bis jetzt noch nicht erbracht worden, auch nicht durch Otto Schmidt und Sanfelice, die sich neuerdings vielfach in dieser Frage bemüht haben. Tuberkulose und Karzinom. Es ist eine feststehende Tatsache, daß die Behauptungen alter Autoren, Karzinome und Tuberkulose schlössen sich einander aus, Syphilis und Karzinom. 51

Auch bei der Tuberkulose ist es wohl die zur Atrophie des

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falsch sind. Gleichzeitiges Vorkommen von Tuberkulose und Krebs bei demselben Individuum und auch in demselben Organ sind genügend oft beobachtet worden. Zahlreich sind besonders die Mitteilungen über Krebsgeschwülste, die sich auf alten tuberkulösen Geschwüren entwickelten. Auch über Fälle von Entwicklung von Karzinomen in Kavernen berichtet Jakob Wolff in seinem ausgezeichneten Buche über die Krebskrankheit. Fälle von Uterustuberkulose mit nachfolgender Karzinomentwicklung publizierten auch Josselin de Jong, Stein u. A. Ebenso wurde einzelne Male Karzinom bei Uterus- und Tubentuberkulose beobachtet.

Bindegewebes führende chronische Entzündung, die den Schlüssel für das Rätsel der Entstehung des Karzinoms liefert. Syphilis und Karzinom. Schon Esmarch hat behauptet, daß zwischen Syphilis und malignen Tumoren ein Zusammenhang existiert. Nach Jak. Wolff hat Leroy d’Etiolles geschrieben, daß in Frankreich unter 5 Syphilitischen 1 Individuum an Krebs erkrankte, und in jüngster Zeit hat Poirier bei 32 Fällen von Zungenkrebs 27 mal in der Anamnese Lues feststellen können. Auch sonst existieren zahlreiche Mitteilungen in der Literatur, die den Nachweis liefern, daß vor allem Karzinome der Haut sich auf dem Boden von syphilitischen Narben namentlich von Gummaten entwickelten, ferner daß Karzinome im Munde und Rachen im Anschlüsse an syphilitische Prozesse entstanden sind. Auch hier ist irgend ein spezifischer Zusammenhang m. E. nicht anzunehmen, sondern es wirkt eben die chronische Entzündung oder die Narbe bei diesen Prozessen ähnlich wie sonst, nur daß vielleicht auch endarteriitische Vorgänge, Kachexie der Kranken usw., noch begünstigend wirken. Übergang gutartiger Geschwülste ln Karzinom. Die krebsige Degeneration gutartiger Geschwülste kommt nicht allzu häufig vor, hat doch z. B. Felix Semon auf Grund einer Sammelforschung unter 10 747 gutartigen Geschwülsten des Kehlkopfs, unter denen sich 3382 Papillome befanden, nur in 12 Fällen den Übergang in eine bösartige Geschwulst feststellen können. Es sind natürlich nur die epithelhaltigen Neubildungen, aus denen sich 4*

Karzinome entwickeln. Beobachtet wurde dies bei den Atheromen, Epithelcysten, Papillomen, Warzen, Polypen, Adenomen, Dermoiden. Es handelte sich bei diesen Fällen nicht um eine krebsige Umwandlung des gutartigen Tumors, sondern es entwickelte sich an einer Stelle das Karzinom, das dann in das Innere hineinwuchs, den Hohlraum ausfüllte und dann erst sich weiter ausbreitete. So

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beschrieben Wolff u. A. flache Verdickungen einer Stelle der Wand, die sich erst später als krebsig herausstellte. Da sich nicht das gesammte Epithel der gutartigen Geschwülste malign umwandelt, sondere die bösartige Degeneration nur an umschriebener Stelle entsteht, so müssen besondere lokale Bedingungen maßgebend sein. Von einem Teile dieser Tumoren wissen wir, daß es ebenfalls wieder Traumen waren, die die Entstehung des Karzinoms begünstigten. Es wirken wohl bei den gutartigen Geschwülsten ähnliche Ursachen für die Entstehung der karzinomatösen Degeneration mit, wie bei den normalen Geweben. Immerhin ist es wahrscheinlich, daß die gutartigen Tumoren aus dem Grunde etwas mehr zum Karzinom disponieren wie das nor male Gewebe, weil bei ihnen die Epithelien etwas weniger differenziert sind, einen mehr embryonalen Charakter besitzen, stärkere Proliferationsfähigkeit haben; infolgedessen dringen sie bei Verminderung der Widerstände der Zellen der benachbarten Gewebe leichter in letztere ein und wuchern dort uneingeschränkt weiter. Es wird ja wohl das statische Gleichgewicht zwischen Epithel und Bindegewebe (das zum Karzinom führt) meist durch die Verringerung der Proliferationsfähigkeit der Bindegewebszellen gestört, ab und zu kann aber auch die Vermehrung der Fortpflanzungsfähigkeit der Epithelzellen das gleiche Resultat herbeiführen helfen. Die Atheromkrebse wurden meist am Kopfe beobachtet. Häufig wurde ihre Entstehung durch Verletzungen oder Reizungen des Balges veranlaßt. Nun kommt natürlich beim Atherom neben der vermehrten Proliferationsfähigkeit seiner Zellen noch der Umstand hinzu, daß die Geschwulst durch die Prominenz leichter Traumen ausgesetzt ist, als die normale Epidermis. Die Embryome der Ovarien entarten ab und zu karzinomatös. Prädisponierend ist die Zeit nach dem Klimakterium. In dieser Zeit pflegen die Bindegewebszellen spärlicher zu werden, ihre Proliferationskraft vermindert sich, die Blutgefäße stenosieren. Andererseits besitzt das mehr embryonalen Charakter tragende Epithel des Embryoms starke Proliferationsfähigkeit. Die Bedingungen

für die schrankenlose Wucherung sind namentlich dann gegeben, wenn vielleicht an irgendeiner Stelle der Wand des Embryoms sich noch eine lokale chronische Entzündung etabliert und hierdurch die Widerstandsfähigkeit des Bindegewebes noch

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. Schwangerschaft und Karzinom. 53

weiter herabgesetzt ist. Die Kystome der Ovarien zeigen ebenfalls nicht selten karzinomatöse Degeneration. Auch hier entstehen die Karzinome an einzelnen Stellen der Wand, auch hier sind also noch lokale Bedingungen vorhanden, die die Ursache sind, daß an dem Epithel der Innenfläche der Cystenwand der Krebs sich in ähnlicher Weise entwickelt, wie dies etwa an anderen freien Flächen geschieht; auch hier gilt wohl der Satz, daß der wenig differenzierte, der mehr embryonale Charakter des Epithels es ist, der dasselbe zu erhöhter Proliferation befähigt, so daß es leichter ins Bindegewebe eindringt, wenn letzteres geschädigt ist. Gutartige Schleimhautpolypen geben ebenfalls manchmal Veranlassung zur Entstehung des Karzinoms. Relativ häufig wurde dies an Polypen des Darms und der Harnblase beobachtet. Außer den oben schon bei den verschiedenen gutartigen Geschwülsten angeführten Momenten kommt hier noch in Betracht, daß die chronische Entzündung, die wir als einen der Faktoren für die Entwicklung des Karzinoms für diese Fälle postuliert haben, ja meist der Polypenbildung vorausging und dieselbe veranlaßt hat. Traumatische Reizung der Polypen als weiteres veranlassendes Moment ist häufig konstatiert worden, so wurde des öfteren beobachtet, daß die Entwicklung von Karzinomen in Blasenpolypen erst dann erfolgte, wenn ein- oder mehrmalige Exstirpation des anfangs gutartigen Polypen ausgeführt worden war. Schwangerschaft und Karzinom. Am besten kennen wir die Verhältnisse des Einflusses der Schwangerschaft auf das Karzinom des Uterus. Diesbezüglich ist zu unterscheiden die Beeinflussung der Entstehung, die Beeinflussung des Wachstums und die Beeinflussung der Heilung der Karzinome. Zweifellos ist die Zunahme des Volumens der UterusKarzinome in der Schwangerschaft eine raschere als außerhalb derselben. Allerdings beruht diese Volumenzunahme nach meinen Beobachtungen zum großen Teile auf der in der Schwangerschaft stärkeren Blutüberfüllung und dem Ödeme der Geschwulst. Handelte es sich um inoperable Fälle, so trat im Wochenbett bald spontan eine Verrringerung des Umfangs des Karzinoms ein, weil

Hyperämie und Ödem zurückgingen. Anders verhält es sich mit

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54 Die Entstehung der Karzinome.

dem Einflüsse der Schwangerschaft auf die Entstehung des Krebses. Nach meinen Beobachtungen und nach meinen statistischen Untersuchungen gewährt die Schwangerschaft und die erste Zeit des Wochenbettes geradezu einen gewissen Schutz gegen die Entstehung des Karzinoms des Uterus. Der Grund liegt wohl in der starken Hyperämie des Uterus in dieser Zeit. Das Ergebnis der statistischen Untersuchungen, die Herr H. Edelberg vorgenommen hat, haben wir in folgenden zwei Tabellen zusammengestellt : Letzte Geburt bei Patientinnen mit Cervix-Karzinom : Bei Patientinnen mit Corpus-Karzinom: Es entstand also im 1. Jahre nach einer Entbindung niemals ein Karzinom im Gebärmutterkörper und sehr selten eines am Halse der Gebärmutter. Der Schutz, den die Schwangerschaft verleiht, ist gegenüber dem Karzinom des Corpus uteri ein vollständiger. Ich habe, wie schon bemerkt, noch niemals einen Fall von Corpuskarzinom gesehen, der in der Schwangerschaft oder im Wochenbett entstanden wäre. Die 3 Fälle, die C h i a r i vor mehr als 30 Jahren beschrieben hat und die das Gegenteil beweisen würden, betrafen

offenbar Chorionepitheliome, die im Wochenbett entstanden waren. Aber auch die Karzinome der Cervix uteri, die ich sah, sind niemals während der Schwangerschaft oder in der ersten Zeit des Wochenbetts entstanden. Auch H a a 1 a n d hat gefunden, daß schwangere Tiere gegen die Impfung mit Geschwülsten zu einem großen Teile resistent waren. B o r r e 1 und Bashford haben, ebenso wie viele andere Nachuntersucher diese Tatsache bestätigt. Dagegen haben einzelne Autoren gefunden, daß bösartige Geschwülste in der Schwangerschaft rascher wachsen; das ist natürlich kein Widerspruch gegenüber meinen Thesen und den Befunden von H a a 1 a n d. Denn manche Faktoren, die die Entstehung einer Geschwulst erschweren, können auf das Wachstum derselben einen günstigen Einfluß haben. Was die Frage der Heilung der Karzinome nach Operationen in der Schwangerschaft und im Wochenbett betrifft, so ergeben meine allerdings spärlichen Beobachtungen, daß der Verlauf hier ein

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Schwangerschaft und Karzinom. 55

ziemlich günstiger ist. So lebt eine von mir vor 20 Jahren wegen Cervixkarzinoms in der Schwangerschaft operierte Frau heute noch und ist gesund. Einer anderen Patientin habe ich wegen Cervixkarzinom vor 13 Jahren die hohe Amputation der Cervix ausgeführt; sie hat kurz danach eine normale Schwangerschaft durchgemacht, auch diese Frau ist heute noch gesund. Ferner scheinen die Resultate, die Mayer in Tübingen in der Monatsschrift f. Geb. und Gyn. im Juni 1911 mitteilt, für diese Ansicht zu sprechen. Auch die experimentellen Untersuchungen von G r a f f , die er auf der Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Wien mitteilte, dürften eine Bestätigung dieser Ansicht bilden. Auch B r e i s k y sah dreimal Geburten nach hoher Amputation. Byrne beobachtete bei einer Frau bei galvanokaustischer Absetzung der Cervix vier Geburten und konstatierte nach elf Jahren Rezidivfreiheit. Im allgemeinen komme ich also zu dem Schlüsse, daß das Epithel des Uterus in der Schwangerschaft und nach einer Geburt nicht leicht das Übergewicht über die Bindegewebszellen desselben bekommt und daß das Bestehen einer Schwangerschaft während der operativen Ausrottung eines Karzinoms oder der baldige Eintritt einer Schwangerschaft nach partiellen Operationen wegen Karzinom der Portio günstig zu wirken scheinen. Den Grund hierfür suche ich zum großen Teil in der Tatsache, daß in der Schwangerschaft starke Hyperämie des Bindegewebes und vermehrte Proliferationsfähigkeit seiner Zellen vorhanden ist.

Anders verhält es sich mit den fötalen Epithelzellen. Sie haben eine viel größere Proliferationsfähigkeit als die mütterlichen Epithelzellen. Daß erstere sich trotzdem gewöhnlich in ihren physiologischen Grenzen halten, hängt wohl wieder mit dem Umstande zusammen, daß das Bindegewebe des Uterus in der Schwangerschaft recht zell- und blutreich ist und infolgedessen sich erfolgreich gegen das Vordringen der Epithelzellen schützen kann. — Es handelt sich wohl um eine Störung der von den Bindegewebszellen bewirkten Epithelantikörperproduktion, wenn in seltenen Ausnahmefällen das Chorionepithel „grenzenlos wuchert“ und es dadurch zur Entstehung des „malignen Chorionepithelioms“ kommt. Letztere sind sehr selten vorkommende Neubildungen, die übrigens auch primär in Hoden, Ovarien und Vagina beobachtet wurden. Nach den vorliegenden Untersuchungen

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sind sie außer im puerperalen Uterus meist in Teratomen, also in bei der embryonalen Entwicklung verirrten Keimen entstanden. Welches die Ursachen sind, die es verhindern, daß die Wucherung des fötalen Epithels im Uterus in den physiologischen Grenzen gehalten wird, so daß eine maligne Neubildung entsteht, ist uns einstweilen noch unbekannt. Der Umstand, daß der Entwicklung des Chorionepithelioms manchmal Molenbildung vorausging, läßt daran denken, daß wenigstens bei einem Teile der Fälle auch wieder die Entzündung eine ursächliche Rolle spielt. Die Frage der Ansteckung durch bösartige Geschwülste. Czerny, Leyden u. A. glauben, daß bösartige Neubildungen zuweilen auf dem Wege der Infektion übertragen werden können. Dafür sprechen nach ihrer Meinung vor allem die Fälle von Cancer à deux, die Krebse unter Eheleuten, ferner die Angaben von Ansteckung infolge der Krankenpflege. Es ist noch nicht erwiesen, ob es sich nicht bei allen diesen Fällen um ein rein zufälliges Zusammentreffen handelt. Wenn z. B. zwei Eheleute kurz hintereinander an Krebs sterben, so kann dies ja auch davon herrühren, daß es sich eben um zwei alte f.eute handelt, die an und für sich eine Prädisposition für Krebs besitzen. Ich habe häufig gehört, daß sich Ärzte bei Kranken mit Syphilis, Diphtherie, Pyämie u. dgl. infiziert haben, niemals hörte ich jedoch von einem Arzte, dem Karzinom von einem Patienten übertragen wurde, obwohl doch jeder ältere Arzt mit vielen Dutzenden, ja Hunderten von Krebskranken häufig zusammengekommen ist, B. Die humoralen Ursachen. 57 dieselben untersucht, operiert, sich manchmal auch bei der Operation eines Krebskranken infiziert hat.

Das Wort „humorale Ursache“ des Karzinoms stand in neuerer Zeit in schlechtem Ansehen. Es galt als unwissenschaftlich. Ich habe es trotzdem an die Spitze dieses Kapitels gestellt. Es bezeichnet doch recht gut das in dem nun folgenden Kapitel zur Diskussion gestellte Thema. Die Lehre, daß die malignen Tumoren humoralen Ursprungs seien, herrschte, wie oben bemerkt,

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B. Die humoralen Ursachen.

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schon vor Jahrtausenden, doch waren damals mit dem Worte „humoral“ Anschauungen verknüpft, die uns heute sehr sonderbar Vorkommen, z.B. dieLehre von der schwarzen Galle, von derLymphgerinnung als Ursache der Krebse, u. s. f. Sogar noch im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte man die merkwürdige Ansicht, daß ein krebsiger Zündstoff im ganzen Körper entstehen könne. Der Organismus bemühe sich, ihn auszutreiben, der Stoff werde an einer Stelle deponiert, wo er liegen bleibt, bis er durch irgend eine Gelegenheitsursache zur Entwicklung kommt. Diese Lehre von der humoralen Entstehung wurde von den Chirurgen angegriffen, die aus der Tatsache, daß zuweilen Krebse nach Operation heilten, den Schluß zogen, daß der Krebs lokalen Ursachen seine Entstehung verdankt. Manche Chirurgen nahmen allerdings an, daß es zwei Arten von Krebs gäbe, eine lokalen Ursprungs, die heilbar sei, und eine humoralen Ursprungs, die man nicht kurieren könne. — Den schwersten Stoß erhielt die Lehre von den konstitutionellen Ursachen durch die Zellularpathologie von Virchow und die Epithelialtheorie von Waldeyer und Thiersch. Die meisten Ärzte glaubten, daß nun die ausschließlich lokale Entstehung des Krebses histologisch nachgewiesen sei. Meines Erachtens sind bei der Entstehung der Krebse meistens lokale und allgemeine Ursachen wirksam und zwar so, daß in einem Teil der Fälle die ersteren, in einem anderen Teile die letzteren stärker einwirken, Daß hämatogene Ursachen bei der Entstehung des Krebses eine große Rolle spielen, dafür spricht die Tatsache der Multiplizität primärer Karzinome. Sie ist häufiger, als die meisten Ärzte annehmen. Oft wurden wahrscheinlich multiple Primärtumoren für die Produkte der Metastasierung angesehen. Trotzdem ist die Kasuistik der „synchronen“ und der „metachronen“ (ungleichzeitig auftretenden) Karzinome keine