16. Beschluss. In dem Nachprüfungsverfahren. - Antragstellerin - Verfahrensbevollmächtigte: gegen

2. Vergabekammer des Bundes VK 2 - 15/16 Beschluss In dem Nachprüfungsverfahren […], - Antragstellerin Verfahrensbevollmächtigte: […], gegen […], - ...
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2. Vergabekammer des Bundes VK 2 - 15/16 Beschluss

In dem Nachprüfungsverfahren […], - Antragstellerin Verfahrensbevollmächtigte: […],

gegen […], - Antragsgegnerin -

[…], - Beigeladene -

wegen der Vergabe […], hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch die Vorsitzende Direktorin beim Bundeskartellamt Dr. Herlemann, den hauptamtlichen Beisitzer Leitender Regierungsdirektor Thiele und den ehrenamtlichen Beisitzer Klöckler auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2016 am 24. März 2016 beschlossen:

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, einen Zuschlag zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurück zu versetzen. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

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2. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) jeweils zur Hälfte. 3. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe:

Die Antragstellerin (ASt) begehrt den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen (Bg) gem. § 19 EG Abs. 3 lit. d) VOL/A.

I. 1. Die Antragsgegnerin (Ag) machte am […] die beabsichtigte Vergabe der Rahmenvereinbarung […] im Rahmen eines offenen Verfahrens im Supplement zum Amtsblatt der EU gemeinschaftsweit bekannt […]. Vertragsgegenständlich ist der Abschluss eines Full-Service-Mietvertrages über insgesamt sechs digitale Drucksysteme, bestehend aus vier Schwarz/Weiß-Druckern (S/WDruckern) und zwei Farbdruckern. Der Auftrag hat eine Laufzeit von vier Jahren, die optional einmal um 12 Monate verlängert werden kann. Dem Leistungsverzeichnis (LV) zufolge ist für […], die Lieferung von drei S/W-Systemen vorgesehen, die von zwei Bearbeitungsplätzen aus mit analogen und digitalen Druckvorlagen beschickt werden sollen. Eines dieser drei Systeme soll mit einem Bookletmaker, ein weiteres mit einem integrierten Scan- und Vorlagenwechsler, eines mit Klebebinder mit Fälzelband o.ä. ausgestattet sein. Darüber hinaus sind […] zwei Farbdrucker vorgesehen, der eine mit mittlerer Druckkapazität, der andere mit hoher Druckkapazität. Für […], soll ein netzwerkfähiges S/WSystem mit integriertem Scanner und Vorlagenwechsler beschafft werden. Zu den Zuschlagskriterien verhält sich die Bekanntmachung wie folgt (Ziff. IV.2.1): „1. Preis. Gewichtung 60 2. Ausschlusskriterien Gewichtung 0 3. Kriteriengruppe Schwarz/Weiß Drucker, […] Gewichtung 17

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4. Kriteriengruppe Schwarz/Weiß Drucker, […] Gewichtung 2 5. Kriteriengruppe Farbdrucker mit mittlerer Druckkapazität. Gewichtung 6 6. Kriteriengruppe Farbdrucker mit hoher Druckkapazität. Gewichtung 15“

Die Preisangaben waren seitens der Bieter gemäß dem im LV vorgegebenen Kalkulationsschema zu machen. Dabei sollten alle anfallenden oder evtl. entstehenden Kosten eingerechnet werden. In Position 7 (S/W-Drucker) und Position 8 (Farbdrucker) des Kalkulationsschemas war ein „Erstattungsbetrag Minderdruck“ anzugeben pro 1.000 Minderdrucke. Die Ag wies in Ziff. 7 und 8 des Kalkulationsschemas explizit darauf hin: „ACHTUNG: Bei der Eingabe von Minderaufwand ist zwingend ein MINUSZEICHEN von dem Nettopreis in Euro mit einzugeben!“

Die Wertung der Angebotspreise erfolgte in der Weise, dass das preisgünstigste Angebot 100 Punkte erhielt. Die nachfolgenden Angebote wurden hierzu prozentual ins Verhältnis gesetzt, indem der günstigste Preis durch den zu bewertenden Preis dividiert und mit 100 multipliziert wurde.

Neben den Preisangaben mussten die Bieter sich erklären, ob sie die Ausschlusskriterien erfüllen. Dies sollte in der Weise erfolgen, dass die in Frageform gekleideten technischen Anforderungen an die Geräte („Fragebögen 1-23“) durch Ankreuzen mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet wurden (LV, S. 8 bis 32). Angebote, die nicht sämtliche Fragen mit „Ja“ beantworten konnten, sollten ausgeschlossen werden. Soweit vorliegend von Interesse, waren zu den […] vorgesehenen drei S/W-Druckern folgende Fragen zu beantworten: S/W-Drucker, […] „3.7. Papiervorrat A4 Liegt der A4 Papiervorrat bei 80 g/qm für jeweils 2 Papierfächer bei mind. 500 Blatt, 1 Papierfach mind. 1.000 Blatt und 1 Papierfach bei mind. 2.500 Blatt?“ … 4.3 Verarbeitung von Spezialpapieren Verarbeitet Ihr System Laserdruckpapiere, Folien, Gestrichene Papiere (glänzend/matt), Registersätze, Klebeetiketten, Durchschreibpapiere und vorgedruckte Offsetpapiere? … 5.6 Inline-Bindemöglichkeit

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Wird eine Inline-Bindemöglichkeit für mindestens 100 Blatt (Fälzelband o.ä.) an einem Drucksystem angeboten?“

Farbdrucker mit mittlerer Druckkapazität, […] ….. „10.2 Papierfächer Ist Ihr System mit einem Papierfach mit mind. 2.500 Blatt 80 g/qm über alle Formate ausgestattet?“

Farbdrucker mit hoher Druckkapazität, […] ….. „16.2 Papierfächer Ist Ihr System mit 2 Papierfächern mit je mind. 2.500 Blatt 80 g/qm über alle Formate ausgestattet?“

Zu den Vorgaben des LV hinsichtlich der drei S/W-Drucker […] wurden mehrere Bieterfragen gestellt, darunter u.a.:

Bieterfrage 45 Punkt 5.6. – Inline Bindemöglichkeit, Seite 15 Sie fordern eine Inline Bindemöglichkeit für mind. 100 Blatt an einem Drucksystem. Die von Ihnen vermerkte Fälzelband Lösung ist eine reine […] Lösung. Frage: Unsere Drucksysteme verfügen über die Möglichkeit eine online Ringbindung (Plastikbindung bis 100 Blatt zu berücksichtigen. Können Sie dieser Lösung zustimmen? Antwort: Durch die Kunden der Hausdruckerei wird nach wie vor die schnelle, kostengünstige und besonders wirtschaftliche Herstellung klebegebundener Broschüren nachgefragt. Daher wird gemäß Punkt 5.6 eine Inline-Bindemöglichkeit (Fälzelband o.ä.) abgefragt. Dies setzt eine Klebebindung voraus. Diese ist nicht zwingend mit Fälzelband zu erbringen. Somit stellt dies kein Alleinstellungsmerkmal einer einzelnen Firma dar. Eine Ringbindung (Plastikbindung) stellt jedoch ein anderes Produkt dar, welches nicht den Anforderungen unserer Kunden gerecht wird. Dieser Lösung stimmen wir nicht zu.“

Mit den Farbdruckern […] befassten sich die Bieterfragen Nr. 52 und 53:

Bieterfrage Nr. 52 „Zu Pkt. 10.2. Papierfächer Besteht die Möglichkeit statt ein Papierfach mind. 2.500 Blatt über alle Formate, zwei Papierfächer mit jeweils 2.000 Blatt über alle Formate, somit 4.000 Blatt anzubieten?

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Antwort: Ja, das ist möglich.“

Bieterfrage Nr. 53 „Zu Pkt. 16.2 Papierfächer Besteht die Möglichkeit statt 2 Papierfächer mit je 2.500 Blatt, 4 Papierfächer mit jeweils 2.000 Blatt pro Papierfach also insgesamt 4 Papierfächer mit 8.000 Blatt anzubieten? Antwort: Ja, das ist möglich.“

Die qualitative Wertung ging, wie bereits erwähnt, mit einer Gewichtung von insgesamt 40 % in die Angebotswertung ein. Eines der Unterkriterien ist bspw. die Maschinenkapazität. Eine Maschinenkapazität pro Monat von > 600.000 Drucke/Monat erhielt 0 Punkte, während eine Kapazität > 800.000 Drucke/Monat 50 Pkt. und 1.000.000 Drucke/Monat 100 Pkt. erhielten (vgl. LV, Ziff. 3.2.1 – Benennung der Maschinenkapazität, S. 33).

Die Angebote waren in elektronischer Form über die Vergabeplattform nach dem in Ziff. VI.3) der Bekanntmachung beschriebenen Verfahren einzureichen. Wegen weitergehender Informationen zur Nutzung der Vergabeplattform verwies die Bekanntmachung auf die „Nutzungsbedingungen“ und die „Systemvoraussetzungen, Signatur, Downloads“, die ebenfalls über die Vergabeplattform bezogen werden konnten.

Die Angebotsfrist endete am 13. Januar 2016. Die ASt, die Produkte […] vertreibt, gab fristgerecht zwei Hauptangebote ab. Die Abgabe mehrerer Hauptangebote hatte die Ag in der Antwort auf Bieterfrage Nr. 62 ausdrücklich für zulässig erklärt. Beide Angebote gab die ASt allerdings nicht über das „Bietercockpit“ im elektronischen Vergabemanagementsystem ab, sondern lud diese im Pdf-Format hoch.

Nach der vorliegenden Angebotswertung liegt das Angebot der Bg auf Rang eins, gefolgt von den beiden Hauptangeboten der ASt. Anfang Februar 2016 fand eine von der Ag so genannte „Zweifelsverhandlung“ zusammen mit der Bg statt. Ausweislich des Protokolls über die Zweifelsverhandlung war Gegenstand der Erörterungen auch die Frage, ob die von der Bg angebotenen Geräte die Anforderungen an den Papiervorrat erfüllen (Protokoll vom 9. Februar 2016, Rn. 12 und 13). Die Bg bestätigte dies.

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Mit Schreiben vom 18. Februar 2016 informierte die Ag die ASt über ihre Absicht, den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu erteilen. Grund hierfür sei der im Vergleich zum Angebot der ASt „wesentlich niedrigere Preis“. Hiergegen wandte die ASt sich mit Rügeschreiben vom 19. Februar 2016. Unter Berufung auf ihre Marktkenntnisse machte sie geltend, die in Betracht kommenden Produkte aus dem Produktportfolio der Bg, insbesondere solche aus der Produktreihe […] seien nicht in der Lage, alle von der Ag gestellten technischen Anforderungen zu erfüllen. Darüber hinaus sei zu vermuten, dass das Angebot der Bg unauskömmlich und daher auch nach § 19 EG Abs. 6 VOL/A auszuschließen sei.

Die Ag lehnte es in einem Schreiben vom 24. Februar 2016 ab, dem Rügevorbringen abzuhelfen. Zur Begründung machte die Ag geltend, sich im Rahmen der Aufklärung des Angebots der Bg davon überzeugt zu haben, dass deren Angebot allen gestellten technischen Anforderungen genügt. Hinsichtlich des Rügevorbringens der ASt zum Fragebogen Ziff. 3.7 LV (Papiervorrat A4) wies die Ag ergänzend auf die Antwort auf Bieterfrage Nr. 52 hin. Darin sei klargestellt worden, dass der Vorgabe, ein Papierfach mit einem Papiervorrat von mindestens 2.500 Blatt anzubieten, auch durch zwei Papierfächer mit einem Vorrat von jeweils mindestens 2.000 Blatt entsprochen werden könne.

2. Mit einem am 26. Februar 2016 per Fax bei der Vergabekammer des Bundes eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten beantragte die ASt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

a) Nach Ansicht der ASt ist das Angebot der Bg auszuschließen, weil es zwingende Vorgaben nicht vollumfänglich erfüllen könne. Die Ag habe im Fragebogen Ziff. 3.7 LV (Papiervorrat A 4), Mindestanforderungen an die Kapazität der Papierfächer gestellt, indem sie verlangt habe, dass jeweils zwei Papierfächer einen Papiervorrat von mind. 500 Blatt, ein Papierfach einen Papiervorrat von mind. 1.000 Blatt und ein weiteres Papierfach einen Vorrat von mind. 2.500 Blatt haben müsse. Den Anforderungen an die Kapazität der insgesamt vier Papierfächer genügten die von der Bg mutmaßlich angebotenen Produkte nicht. Der maximale Papiervorrat der von der Bg mutmaßlich angebotenen Geräte liege ausweislich der eigenen, allgemein zugänglichen Produktdatenblättern der Bg bei 1.850 bzw. 2.000 Blatt. Soweit die Ag unter Berufung auf die zu Bieterfrage Nr. 52 gegebene Antwort darauf abstellen wolle, dass es alleine auf die Gesamtkapazität ankomme, verkenne sie, dass die Bieterfrage Nr. 52 ein anderes Gerät zum Gegenstand gehabt habe, nämlich den Farbdrucker […]. Die von der Ag zu Bieterfrage Nr. 52 gegebene Antwort könne daher nicht zur Auslegung von Ziff. 3.7 des LV, die den S/W-Drucker […] betreffe, herangezogen werden.

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Die Produktreihe der Bg sei auch nicht in der Lage, Klebeetiketten und Folien, wie im Fragebogen Ziff. 4.3 LV vorgesehen, zu verarbeiten.

Entgegen Fragebogen Ziff. 5.6 LV in Verbindung mit der Klarstellung in der Antwort auf die Bieterfrage Nr. 45 sei das Produkt der Bg nicht in der Lage, eine schnelle und kostengünstige Inline-Bindemöglichkeit für mind. 100 Blatt zu gewährleisten. Der Klebebinder der Bg benötige eine Aufwärmzeit von ca. 20 Minuten; außerdem weise die Bg selbst darauf hin, dass ein Testdruck erforderlich sei, um ein passgenaues Arbeiten sicherzustellen.

Nach Fragebogen Ziff. 10.2 LV sei es erforderlich, dass das System mit einem Papierfach ausgestattet sei, das über einen Papiervorrat von mind. 2.500 Blatt über alle Formate verfüge. In der Antwort auf Bieterfrage Nr. 52 habe die Ag zwar klargestellt, dass es genüge, wenn zwei Papierfächer mit einem Papiervorrat von jeweils mind. 2.000 Blatt vorhanden seien. Das Produkt der Bg genüge jedoch weder den ursprünglich bekannt gemachten Vorgaben, noch den durch die Antwort auf Bieterfrage Nr. 52 modifizierten Anforderungen. Mit einer Maximalkapazität von 1.850 Blatt erreiche das von der Bg mutmaßlich angebotene Produkt die Mindestkapazität je Papierfach von 2.000 nicht.

Zu vermuten sei, dass der von der Bg angebotene Preis außer Verhältnis zur Leistung stehe. Hätte die Ag das Preis-Leistungsverhältnis ordnungsgemäß geprüft, hätte sie das Angebot als unauskömmlich ausschließen müssen. Entgegen der von der Ag erstmals im anhängigen Nachprüfungsverfahren vertretenen Ansicht seien die beiden Hauptangebote der ASt nicht auszuschließen. Die ASt habe ihre beiden Hauptangebote elektronisch - unter Nutzung des Bietercockpits – als pdf-digital signiert über die Vergabeplattform abgegeben. Eine vom System der Ag generierte Eingangsbestätigung nebst Identifikationsnummer (vgl. Anlage ASt 8) belege den ordnungsgemäßen Eingang ihrer Angebote bei der Ag.

Der Ag sei auch nicht darin zu folgen, dass ihre Angebote rechnerische Unklarheiten aufwiesen. Richtig sei zwar, dass die Angebotsendsummen in den Angeboten nicht übereinstimmten mit den jeweiligen Gesamtsummen der Einzelsummen für die Positionen 1 bis 13. Zu diesem Fehler sei es gekommen, weil die ASt bei der Berechnung der Gesamtsumme jeweils nur die Positionen 1 und 2 mit einbezogen habe, nicht aber die Positionen 3 bis 13. Dieser Rechenfehler

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sei, wie die Akteneinsicht gezeigt habe, für die Ag ohne weiteres erkennbar gewesen. Die Korrektur von Rechen- und Übertragungsfehlern rechtfertige keinen Angebotsausschluss. Der Auftraggeber sei zur Korrektur offensichtlicher Rechenfehler verpflichtet (Hinweis auf VK Bund, Beschl. v. 4.7.2011, VK 3-74/11).

Soweit die ASt es versäumt habe, bei den Positionen 7 und 8 den angebotenen Erstattungsbetrag mit einem Minuszeichen zu kennzeichnen, handele es sich um ein unbeachtliches Versehen. Wie die Akteneinsicht gezeigt habe, habe die Ag den Fehler erkannt und in korrekter Weise berücksichtigt.

Die ASt beantragt, 1. die Ag zu verpflichten, das Angebot der Bg unberücksichtigt zu lassen und im Übrigen die Wertung zu wiederholen, 2. hilfsweise, die Ag zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotseinreichung zurück zu versetzen, 3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten seitens der ASt für erforderlich zu erklären, 4. der Ag die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. 5. Akteneinsicht in die Vergabeakten. b) Die Ag beantragt, den Nachprüfungsantrag in vollem Umfang zurückzuweisen. Nach Ansicht der Ag komme ein Ausschluss des Angebots der Bg nach § 19 EG Abs. 3 lit. d) VOL/A nicht in Betracht, weil es sämtliche Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen erfülle. Dies gelte zunächst hinsichtlich der Frage 3.7 LV. Die Angebotsaufklärung habe ergeben, dass die Anforderungen an den Papiervorrat mehr als erfüllt seien. Aus den Antworten der Ag auf diverse Bieterfragen (Nrn. 46, 48, 51, 52 und 53) sei klar hervorgegangen, dass entscheidend alleine die Gesamtmenge des Papiervorrats sei.

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Hinsichtlich der Klebeetiketten (Frage 4.3 LV) habe die Bg auf Nachfrage keine Zweifel daran gelassen, dass eine Verarbeitung von Klebeetiketten und Folien möglich sei. Eine Rückfrage bei einem Kunden der Bg habe dies bestätigt. Die Angebotsaufklärung habe ferner ergeben, dass das von der Bg angebotene Gerät über die in Frage 5.6 LV vorgegebene Inline-Bindemöglichkeit für 100 Blatt verfüge. Das Angebot der Bg erfülle auch die Vorgabe in Frage 10.2 LV. In der Antwort auf Bieterfrage Nr. 52 sei klargestellt worden, dass die Anforderung von 2.500 Blatt auch durch Aufteilung in mehrere Papierfächer erfüllt werden könne, sofern die vorgegebene Mindestmenge erreicht werde. Diesen Voraussetzungen genüge das Produkt der Bg. Entgegen der Ansicht der ASt sei das Angebot der Bg nicht unauskömmlich. Die Bg habe, auf entsprechende Nachfrage der Ag hin, die Auskömmlichkeit des Angebotspreises schlüssig dargetan. Im Übrigen könne die ASt ohnehin nicht den Ausschluss eines Angebots wegen Unauskömmlichkeit verlangen, weil § 19 EG Abs. 6 VOL/A nicht drittschützend sei. Schließlich habe eine abschließende Prüfung der beiden Hauptangebote der ASt ergeben, dass diese auszuschließen seien: Diese entsprächen nicht der in der Bekanntmachung vorgesehenen Form (vgl. dort Ziff. VI.3). Die ASt habe nämlich ihr Angebot nicht über das sog. Bietercockpit im elektronischen Vergabemanagementsystem erstellt. Beide Hauptangebote seien stattdessen als pdf-Dokument abgegeben worden, wiesen daher nicht die Merkmale eines elektronischen Angebots auf (wie z.B. der Bieterbezeichnung in der Betreffzeile). Die beiden Angebote hätten daher nicht im Vergabemanagementsystem ausgelesen und verarbeitet werden können, seien daher nach § 19 EG Abs. 3 lit. e) VOL/A auszuschließen. Außerdem habe die rechnerische Prüfung der beiden Angebote ergeben, dass die Summe der Einzelpositionen nicht mit der Gesamtangebotssumme übereinstimmen. Darüber hinaus seien die Angaben zu den Erstattungsbeträgen (Angebotskalkulation Positionen 7 und 8) nicht zweifelsfrei, da die ASt den Erstattungsbetrag nicht – wie vorgesehen – durch das Voranstellen eines Minuszeichens kenntlich gemacht habe. c) Die mit Beschluss vom 26. Februar 2016 zum Verfahren hinzugezogene Bg hat sich schriftsätzlich nicht zum Verfahren geäußert.

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d) Der ASt und der Bg ist antragsgemäß Akteneinsicht im gesetzlich zulässigen Umfang (§ 111 Abs. 2 GWB) gewährt worden. In der mündlichen Verhandlung am 16. März 2016 hatten die Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit, ihre Standpunkte zu erläutern und zu vertiefen. Auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie die Vergabeakte der Ag wird ergänzend Bezug genommen. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der ASt vom 18. März blieb bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt.

II.

Der überwiegend zulässige Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet.

1. Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist überwiegend gegeben.

a) Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen, ein dem Bund zuzurechnender Auftrag oberhalb des für Lieferungen bzw. Dienstleistungen maßgeblichen Schwellenwertes, sind erfüllt.

b) Die ASt ist überwiegend antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 Satz 1 GWB). Ihr bestehendes Interesse am Auftrag hat sie durch die Abgabe ihrer beiden Hauptangebote dokumentiert. Den Vortrag der ASt als richtig unterstellt, wäre das Angebot der Bg gem. § 19 EG Abs. 3 Satz 1 lit. d) VOL/A auszuschließen. Folge eines Ausschlusses des Angebots der Bg wäre es, dass das Angebot der zweitplatzierten ASt für eine Zuschlagserteilung in Betracht käme.

Nicht antragsbefugt ist die ASt, soweit sie geltend macht, die Bg habe ein unauskömmliches Angebot abgegeben, das daher nach § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A auszuschließen sei. Auf den von ihr behaupteten Verstoß gegen § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A kann sich die ASt nicht berufen, weil die Norm nicht drittschützend ist. Das in § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOLA/ statuierte Verbot, den Zuschlag auf ein Angebot zu erteilen, dient nach der wohl überwiegenden Auffassung primär dem Schutz des Auftraggebers, den Zuschlag auf ein Angebot zu erteilen, das eine ordnungsgemäße Erfüllung nicht erwarten lässt. Die Norm bezweckt dagegen grundsätzlich nicht den Schutz der Wettbewerber. Eine drittschützende Wirkung der Norm wird allenfalls dann ernsthaft in Betracht zu ziehen sein, wenn ein Angebot in der Absicht abgegeben worden ist, einen Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Hierfür ist jedoch seitens der ASt weder etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass die Ag die Bg gem. § 19 EG

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Abs. 6 Satz 1 VOL/A aufgefordert hat, den Angebotspreis aufzuklären. Die Aufklärung hat ergeben, dass das Angebot auskömmlich ist.

c) Die ASt hat ihren Rügeobliegenheiten genügt. Sie hat gegen das Informationsschreiben (§ 101a GWB) der Ag vom 18. Februar 2016 bereits am darauffolgenden Tag, dem 19. Februar 2016, eine Rüge gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung angebracht.

d) Die Rechtsbehelfsfrist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ist gewahrt. Nachdem die Ag es in dem Erwiderungsschreiben vom 24. Februar 2016 abgelehnt hat, dem Rügevorbringen abzuhelfen, stellte die ASt durch Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Februar 2016 den Nachprüfungsantrag.

2. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet. Das Angebot der Bg ist nicht auszuschließen, weil die Vorgaben der Ag teilweise nicht eindeutig und daher keine geeignete Grundlage für einen Ausschluss sind. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat die Ag das Verfahren in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurück zu versetzen und die Vorgaben im Fragebogen zu Ziff. 3.7 und 10.2 LV zu präzisieren. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen

a) Entgegen der Auffassung der ASt ist das Angebot der Bg nicht nach § 19 EG Abs. 3 lit. d) VOL/A auszuschließen.

Der Vorschrift des § 19 EG Abs. 3 lit. d) VOL/A zufolge sind Angebote auszuschließen, bei denen Änderungen an oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen wurden. Hat der Bieter Änderungen oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen, ist das betreffende Angebot zwingend auszuschließen, d.h. dem Auftraggeber steht insoweit kein Ermessen zu. Ob der Bieter nicht das angeboten hat, was der Auftraggeber nachgefragt hat, ist im Wege der Auslegung (§§ 133/157 BGB analog) zu ermitteln. Aufgrund der für den Bieter einschneidenden Konsequenzen kommt allerdings ein Ausschluss nur dann in Betracht, wenn die Vorgaben eindeutig und erschöpfend beschrieben worden sind, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und vergleichbare Angebote zu erwarten waren (§ 8 EG Abs. 1 VOL/A). Diesen Anforderungen genügt das streitgegenständliche Leistungsverzeichnis nur teilweise:

aa) Ein Angebotsausschluss kann nicht darauf gestützt werden, die Bg habe die zwingenden Vorgaben im Fragebogen Ziff. 3.7 LV (Papiervorrat A 4) nicht erfüllt.

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Die Bieter mussten – zur Vermeidung eines Angebotsausschlusses – im Fragebogen Ziff. 3.7 LV die Frage mit einem „Ja“ beantworten: „Liegt der A4 Papiervorrat bei 80 g/qm für jeweils 2 Papierfächer bei mind. 500 Blatt, 1 Papierfach mind. 1.000 Blatt und 1 Papierfach bei mind. 2.500 Blatt?“

Die Bg hat in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer erklärt, das von ihr unter der Bezeichnung […] vertriebene Produkt angeboten zu haben. Dabei handelt es sich lt. Produktdatenblatt um ein Papiermagazin, das über insgesamt drei Papierkassetten verfügt, von denen eine Kassette max. 1.300 Blatt und zwei Kassetten max. jeweils 1.850 Blatt Papier aufnehmen können. Die Gesamtkapazität liegt damit bei max. 5.000 Blatt Papier. Sei eine Kassette leer, so der Vortrag der Bg, sorge eine Automatik dafür, dass grundsätzlich das nächste Fach angesteuert werde, um einen Druckauftrag abschließen zu können. Diese Automatik bewirkt nach Ansicht der Bg, dass das Papiermagazin […] als ein Papierfach im Sinne des Fragebogens Ziff. 3.7 LV anzusehen sei. Bestandteil ihres Angebots seien insgesamt zwei solcher Papiermagazine gewesen. Da der dazu angebotene S/W-Drucker standardmäßig über zwei integrierte Papierfächer verfüge, habe sie – die Bg – vier Papierfächer mit den geforderten Mindestkapazitäten pro Fach angeboten, deren Gesamtkapazität deutlich oberhalb der geforderten 5.000 Seiten liege.

Im Ausgangspunkt nicht beizutreten ist der Auffassung der Ag, den Antworten auf diverse Bieterfragen (Nrn. 46, 48, 51, 52 und 53) habe entnommen werden können, dass mit Ziff. 3.7 LV lediglich ein Mindeststandard hinsichtlich der Gesamtmenge gefordert worden sei. Vielmehr geht aus dem Wortlaut von Ziff. 3.7 LV unmißverständlich hervor, dass die für die S/W-Drucker […] anzubietenden Papierbehälter insgesamt drei kumulativ zu erfüllenden Anforderungen genügen müssen: Es müssen (a) vier Papierfächer vorhanden sein, die (b) jeweils einen definierten Mindestvorrat an Papier aufnehmen können (zweimal mind. 500 Blatt; einmal mind. 1.000 Blatt, einmal mind. 2.500 Blatt), der (c) in der Summe mind. 5.000 Blatt Papier erreicht.

Die Bieterfragen, auf die sich die Ag zur Untermauerung ihrer Auffassung beruft, bezogen sich auf andere Geräte. Die Fragen Nrn. 46 und 52 betrafen den Farbdrucker mittlerer Druckkapazität […], die Fragen Nrn. 48 und 53 den Farbdrucker mit hoher Druckkapazität […]. Die Frage Nr. 51 schließlich galt dem S/W-Drucker […]. Da den Antworten der Ag auch nicht ansatzweise zu entnehmen war, dass diese „analog“ für die anderen Drucker gelten sollten, konnten und

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mussten die Bieter davon ausgehen, dass sämtliche Anforderungen der Ziff. 3.7 LV zu beachten sind. Hätten die Bieter, wie die Ag meint, die Antworten auf die Bieterfragen tatsächlich „analog“ auf Ziff. 3.7 LV angewandt, wären sie das Risiko eingegangen, dass die Ag an einer wortgetreuen Auslegung der Ziff. 3.7 LV festhält und ihr Angebot daher ausschließt.

Es bleibt somit bei der Feststellung, dass die angebotenen Geräte den (drei) vorstehend genannten Kapazitätsanforderungen genügen müssen.

Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass das von der Bg angebotene Produkt den geforderten (Gesamt-) Papiervorrat von mind. 5.000 Blatt erfüllt. Eine Abweichung von den Vergabeunterlagen (§ 19 EG Abs. 3 lit. d) VOL/A) scheidet daher insoweit aus.

Streitig ist hingegen, ob das Angebot der Bg auch die weiteren, an die Papierfächer gestellten Anforderungen der Ziff. 3.7 LV erfüllt. Die Ag hat den Begriff des „Papierfachs“ in den Vergabeunterlagen nicht näher definiert. Soweit für die Vergabekammer ersichtlich, gibt es auch keine DIN-Normen o.ä. Regelwerke, welche die Eigenschaften eines Papierfachs allgemein und verbindlich beschrieben würden. Dem online abrufbaren Glossar eines am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligten Anbieters ist zum Begriff des Papierfachs zu entnehmen […] „Papierfach Eine Vorrichtung an Druckern, in die das zu bedruckende Papier eingelegt wird. Ein Papierfach kann als einfaches Fach mit einer Papierstütze an der Geräteoberseite (vertikale Zufuhr), als ausklappbare, horizontale Lade oder als Papierkassette ausgeführt sein.“

Der Zweck eines Papierfachs besteht mithin darin, das zu bedruckende Papier aufzunehmen und bis zum Druckvorgang zu lagern. Wie die Papieraufnahme und der Transport des Papiers vom Papierbehälter zum Drucker technisch umgesetzt werden, kann, darauf deutet das Glossar hin, auf unterschiedliche Art und Weise realisiert werden. Das Produkt […] der Bg kann – insbesondere im Zusammenwirken mit der Druckersoftware – unterschiedliche Eigenschaften und Funktionalitäten haben und im Ergebnis einmal als ein, einmal als drei Papierfächer angesehen werden, ohne dass hierin ein Widerspruch läge. Wie bereits ausgeführt, ist nämlich einerseits das automatische Umschalten von einer leeren auf eine volle Kassette möglich, wenn der Papiervorrat einer Kassette aufgebraucht sein sollte. Eine

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Notwendigkeit, den Papiervorrat wieder aufzufüllen, besteht somit erst dann, wenn alle Kassetten leer sein sollten. Aus Sicht des Nutzers bewirkt die Automatik folglich, dass die drei Kassetten des […] ebenso wie ein großes Papierfach funktionieren. Andererseits macht es die Druckersoftware aber möglich, einzelne Kassetten des Produkts […] anzusteuern. Von dieser Möglichkeit kann ein Nutzer insbesondere dann Gebrauch machen, wenn einzelne Kassetten mit unterschiedlichen Papierformaten bzw. Papierqualitäten bestückt werden sollen. Die Umschaltautomatik zwischen den Fächern wird dann außer Kraft gesetzt. Das Produkt […] funktioniert daher, je nach den vom Benutzer am Drucker eingegebenen Befehlen, entweder wie ein einziges Papierfach oder aber wie drei separate Papierfächer. Würde das Papiermagazin […] danach als ein Papierfach betrachtet, würde das Angebot der Bg die Voraussetzungen von Ziff. 3.7 LV erfüllen. Denn da die Bg insgesamt zwei […] angeboten hat und die von ihr angebotenen Drucker standardmäßig über zwei eigene Papierfächer verfügen, würde das Angebot insgesamt vier Papierfächer umfassen, die auch die an die einzelnen Fächer gestellten Anforderungen an die Mindestkapazität erfüllen würden.

Das vergaberechtliche Problem liegt nun aber darin, dass es für die Bieter nicht erkennbar war, dass die Ag auch derartige Papiermagazine, die aus drei Papierfächern mit Umschaltautomatik bestehen, als „ein“ Papierfach im Sinne der Leistungsbeschreibung akzeptieren würde. Die ASt hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie dem […] vergleichbare Papiermagazine im Produktportfolio hat; hätte sie gewusst, dass solche Papiermagazine mit den Vorgaben kompatibel seien, hätte sie einen signifikant niedrigeren Preis anbieten können. Da die auf andere Drucker bezogenen diesbezüglichen Bieternachfragen, auf welche die Ag dahin geantwortet hat, dass derartige Papiermagazine aufgrund der Umschaltautomatik als „ein“ Papierfach angesehen werden können, nicht einfach – wie jetzt von der Ag zugelassen - auf andere, in der Antwort nicht benannte Drucker bezogen werden können, waren die Vorgaben der Ag an dieser Stelle unklar und boten keine Basis für einen vergleichbaren Vergabewettbewerb. Da etwaige Unklarheiten in den Vergabeunterlagen zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers gehen, hat die Ag – bei fortbestehender Beschaffungsabsicht - die Vergabeunterlagen dahin zu präzisieren, dass sie auch an dieser Position ein System aus mehreren Fächern mit Umschaltautomatik akzeptiert, und den Bietern Gelegenheit zur erneuten Angebotsabgabe zu geben.

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b) Gleiches gilt hinsichtlich des Kriteriums im Fragebogen Ziff. 10.1 LV, wonach der Farbdrucker mittlerer Druckkapazität ein Papierfach mit mind. 2.500 Blatt 80 g/qm über alle Formate aufweisen muss.

Die ASt meint, das von der Bg angebotene Produkt erfülle auch unter Berücksichtigung der Antwort auf Bieterfrage Nr. 52 nicht die Mindestanforderungen. Mit dieser Frage wollte ein Bieter wissen: „Zu Pkt. 10.2. Papierfächer Besteht die Möglichkeit statt ein Papierfach mind. 2.500 Blatt über alle Formate, zwei Papierfächer mit jeweils 2.000 Blatt über alle Formate, somit 4.000 Blatt anzubieten? Antwort: Ja, das ist möglich.“

Die Ag hat die Erfüllung der genannten Anforderungen im Rahmen der Zweifelsverhandlung am 9. Februar 2016 aufgeklärt (vgl. Protokoll, Ziff. 13). Aus den Erläuterungen der Bg ergibt sich, dass das von ihr angebotene Produkt (Geschäftsgeheimnis) den Anforderungen genügt. Da auch insoweit seitens der Bg ein Produkt angeboten wurde, das über Papiermagazine mit einer automatischen Umschaltung verfügen, gelten die vorstehenden Erwägungen unter 2.a) entsprechend.

Da somit das Vergabeverfahren - bei fortbestehender Beschaffungsabsicht - zurückzuversetzen und den Bietern Gelegenheit zu einer erneuten Angebotsabgabe zu geben ist, kommt es darauf, ob das Angebot der Bg oder die beiden Hauptangebote der ASt auszuschließen sind, nicht mehr an. Vorsorglich weist die Vergabekammer gleichwohl auf Folgendes hin: c) (1) Das Angebot der Bg erfüllt das Kriterium im Fragebogen Ziff. 4.3 LV (Verarbeitung von Spezialpapieren). Ein Ausschluss nach § 19 EG Abs. 3 lit. d) VOL/A kommt daher nicht in Betracht.

Nach Maßgabe von Ziff. 4.3 LV mussten die Bieter bestätigen, dass das angebotene System „Laserdruckpapier, Folien, Gestrichene Papieres (glänzend/matt), Registersätze, Klebeetiketten, Durchschreibepapiere und vorgedruckte Offsetpapiere“ verarbeiten kann.

Auf eine entsprechende Nachfrage der Ag vom 22. Februar 2016 hat die Bg in einem Antwortschreiben vom 23. Februar 2016 bestätigt, mit ihrem Gerät (Geschäftsgeheimnis der Bg) auch

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Klebeetiketten und Folien bedrucken zu können. Zur näheren Erläuterung hat sie in dem Antwortschreiben u.a. die Produktbezeichnungen der in Betracht kommenden Klebeetiketten und Folien mitgeteilt. Ein am 24. Februar 2016 mit einem ihrer Referenzkunden geführtes Telefonat der Ag hat die Angaben der Bg bestätigt.

Den Einwand der ASt, das Gegenteil ergebe sich aus den eigenen Produktdatenblättern der Bg, hat die Bg zur Überzeugung der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung entkräftet. Die Bg hat darauf hingewiesen, dass Produktbeschreibungen nicht zwingend den aktuellen Stand der Technik widerspiegeln. In der Praxis sei es nicht unüblich, dass Geräte, die zunächst nur für bestimmte Anwendungsbereiche vorgesehen worden seien, etwa anläßlich der Nachfrage eines Kunden auf weitere Anwendungsbereiche getestet würden. Verliefen die Tests positiv, würden die Geräte auch in diesen Bereichen eingesetzt. So liege es hier.

(2) Das Angebot der Bg erfüllt das Kriterium Ziff. 5.6 LV, wonach eine Inline-Bindemöglichkeit für mindestens 100 Blatt an einem Drucksystem bestehen muss.

Die ASt bestreitet zwar nicht, dass das von der Bg angebotene Produkt eine Inline-Bindemöglichkeit für mind. 100 Blatt vorsieht. Die ASt meint aber, das von der Bg angebotene Produkt sei systembedingt nicht in der Lage, klebegebundene Broschüren schnell, kostengünstig und besonders wirtschaftlich herzustellen. Die Forderung nach einer schnellen, kostengünstigen und besonders wirtschaftlichen Herstellung ergibt sich nach Ansicht der ASt aus der Antwort aus Bieterfrage Nr. 45, in der es heisst: „Punkt 5.6. – Inline Bindemöglichkeit, Seite 15 Sie fordern eine Inline Bindemöglichkeit für mind. 100 Blatt an einem Drucksystem. Die von Ihnen vermerkte Fälzelband Lösung ist eine reine […] Lösung. Frage: Unsere Drucksysteme verfügen über die Möglichkeit eine online Ringbindung (Plastikbindung bis 100 Blatt zu berücksichtigen. Können Sie dieser Lösung zustimmen? Antwort: Durch die Kunden der Hausdruckerei wird nach wie vor die schnelle, kostengünstige und besonders wirtschaftliche Herstellung klebegebundener Broschüren nachgefragt. Daher wird gemäß Punkt 5.6 eine Inline-Bindemöglichkeit (Fälzelband o.ä.) abgefragt. Dies setzt eine Klebebindung voraus. Diese ist nicht zwingend mit Fälzelband zu erbringen. Somit stellt dies kein Alleinstellungsmerkmal einer einzelnen Firma dar. Eine Ringbindung (Plastikbindung) stellt jedoch ein anderes Produkt dar, welches nicht den Anforderungen unserer Kunden gerecht wird. Dieser Lösung stimmen wir nicht zu.“

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Anlass für die Bieterfrage war offensichtlich die Einschätzung eines Interessenten, dass die in Ziff. 5.6 LV ausdrücklich erwähnte Fälzelband-Lösung möglicherweise gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung verstößt, weil es sich insoweit um ein nur von […] angebotenes Produkt handelt. Die ASt hat in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass die Fälzelband-Lösung - nach ihrer Kenntnis - nur von […] hergestellt wird.

Vor diesem Hintergrund ist das Bestreben der Ag erklärlich, den Interessenten deutlich zu machen, dass auch andere Produkte als die Fälzelband-Lösung in Betracht kamen. Eine Ausnahme hat die Ag lediglich für die vom Interessenten erwähnte Plastikbindung gemacht. Begründet hat die Ag dies damit, dass die Plastikbindung nicht den Erwartungen ihrer Kunden hinsichtlich der Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit der Herstellung entspricht. Mit dem Hinweis auf die schnelle, kostengünstige und besonders wirtschaftliche Herstellung hat die Ag aber nicht zugleich auch die Anforderungen in Ziff. 5.6 LV an die angebotene Lösung generell verschärfen wollen. Dagegen spricht, dass die Frage Ziff. 5.6 LV nur mit einem „Ja“ oder einem „Nein“ beantwortet werden konnte und die Ag keine Kriterien aufgestellt hat, unter welchen Voraussetzungen von einer schnellen, kostengünstigen und besonders wirtschaftlichen Herstellung ausgegangen werden kann.

(3) Es kann dahingestellt bleiben, ob das Angebot der ASt den formalen Anforderungen der Ag an die Angebotsabgabe genügte, als sie ihr Angebot in Form einer pdf-Datei hochgeladen hat. Selbst wenn zugunsten der ASt unterstellt würde, dass das Angebot den formalen Anforderungen entsprochen hätte, wäre festzustellen, dass es Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen hat (§ 19 EG Abs. 3 lit. d) VOL/A).

Die Bieter hatten mit der Angebotsabgabe Angaben zur Preisgestaltung zu machen. In Position 7 waren Angaben zu einem „Erstattungsbetrag Minderdruck (s/w Druck)“ und in Position 8 zu einem „Erstattungsbetrag Minderdruck (Farb-Druck)“ zu machen. In den entsprechenden Feldern wies die Ag ausdrücklich und nachdrücklich („ACHTUNG“) darauf hin, dass bei der Eingabe von Minderaufwand „zwingend ein MINUSZEICHEN vor dem Nettopreis in Euro mit einzugeben“ (ist).

Die ASt bestreitet nicht, in beiden Hauptangeboten auf das Setzen eines Minuszeichens verzichtet zu haben. Ihrer Ansicht nach beruht dies auf einem Versehen; der Ag sei das Gewollte bekannt gewesen. Dieser Auffassung ist nicht beizutreten. Angebote sind gem. §§ 133/157 BGB aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers auszulegen. Ausgehend von den Erklärungen

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der ASt im Angebotsvordruck konnten die Angaben der ASt in den beiden Hauptangeboten zu Position 7 und 8 so ausgelegt werden, dass die ASt gerade keinen Erstattungsbetrag anbieten wollte, sondern – im Gegenteil – einen Zuschlag. Dafür spricht, dass die ASt auch das Berechnungsergebnis des „Gesamtbetrag netto inkl. Pos.-Nachlass (EUR)“ bei beiden Hauptangeboten als positiven Wert ausgewiesen hat (vgl. Vermerk vom 16. Februar 2016).

Indem sie bei den Positionen 7 und 8 einen Preiszuschlag angeboten hat, hat die ASt etwas anderes angeboten als von der Ag gefordert (§ 19 EG Abs. 3 lit. a) VOL/A).

(4) In dem Vermerk vom 16. Februar 2016 hat die Ag darüber hinaus festgehalten, dass die Differenzen der angegeben Endsummen im Angebotsschreiben und die im LV einzutragende Gesamtangebotssumme ohne Umsatzsteuer inkl. Nachlass nicht übereinstimmen. Entgegen der von der ASt vertretenden Ansicht handelt es sich insoweit nicht um einen bloßen, für die Ag leicht erkennbaren und im Rahmen der rechnerischen Prüfung (§ 19 EG Abs. 1 VOL/A) korrigierbaren Übertragungsfehler. Im Rahmen der Rechenprüfung hat der Auftraggeber der Frage nachzugehen, ob der Rechenweg und das Rechenergebnis im jeweiligen Angebot korrekt sind. Anders als im Anwendungsbereich der VOB/A gibt es in der VOL/A keine Regelung, wie zu verfahren ist, wenn mathematische Fehler festgestellt werden. Ist die Ursache des Fehlers unklar, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wie das Angebot insoweit auszulegen ist (Verführt, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, 3. Aufl. (2014), § 19 EG Rn. 9). Die Auslegung führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Preisangaben der ASt widersprüchlich waren und durch die Ag im Wege der Auslegung nicht aufgeklärt werden konnten. Eine diesbezügliche Klarstellung erhielt die Ag erst durch den Schriftsatz der ASt vom 11. März 2016 (ebenda, Seite 12).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 4 GWB. Dem Begehr der ASt, die mit ihrem Nachprüfungsantrag vorrangig den Ausschluss des Angebots der Bg zu erreichen suchte, wird nur teilweise entsprochen, da die ASt mit der Zurückversetzung des Vergabeverfahrens lediglich die Gelegenheit erhält, ein neues, besser platziertes Angebot abzugeben. Der Ausgang des Verfahrens im Verhältnis zu den gestellten Anträgen der ASt ist mit einem 50 %-igen Obsiegen zu bewerten, denn die Zuschlagschancen in einem neuen Vergabewettbewerb sind völlig offen. Daraus folgt auch, dass keinem der Verfahrensbeteiligten ein Erstattungsanspruch hinsichtlich

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seiner Aufwendungen zuerkannt werden kann (zu diesen Grundsätzen vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2012 – Verg 65/11 m.w.N.). Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der ASt und der Ag werden gegeneinander aufgehoben.

Die Bg ist nicht an der Tragung der Kosten zu beteiligen. Zwar hat sich die ASt mit ihrem Nachprüfungsantrag ausdrücklich, bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zu der Bg gestellt. Allerdings hat die Bg sich weder schriftsätzlich geäußert, noch Anträge gestellt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Februar 2006, VII-Verg 61/05). Durch ihre Auskünfte in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage der Vergabekammer hat sie das Verfahren nicht wesentlich gefördert und daher kein Kostenrisiko auf sich genommen. Es entspricht daher nicht der Billigkeit, die Bg an der Tragung der Verfahrenskosten zu beteiligen.

IV. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Düsseldorf - Vergabesenat -, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Dr. Herlemann

Thiele