Radioaktivität
Vorlesung Kern- und Teilchenphysik WS15/16 1. Dezember 2015
Radioaktivität
Hauptzerfallsarten ●
α-Zerfall ➢ massiver He-Kern bestehend aus 2 Protonen und 2 Neutronen ➢ tritt bei schweren Nukliden auf
●
β-Zerfall ➢ relativ leichte Elektronen und Positronen ➢ z.B. Umwandlung von Neutron in Proton im Kern über schwache Wechselwirkung
●
γ-Zerfall ➢ Emission aus einem angeregten Atomkern
●
Namensgebung noch aus Zeit der Entdeckung nach Reihenfolge des Durchdringungsvermögens
Radioaktivität
Durchdringungsvermögen von Strahlung
Radioaktivität
Strahlendosis und biologische Strahlenwirkung Definition der Einheiten • Aktivität: Anzahl der Kernzerfälle – Becquerel, 1 Bq = 1 Zerfall pro s
alt: Curie 1 Ci = 37 GBq
• Energiedosis D: vom Material aufgenommene Energie – Gray, 1 Gy = 1 J/kg
alt: Rad
1 Gy=100 rad
• Äquivalentdosis H = wR D – berücksichtigt die biologische Wirksamkeit wR der Strahlung – Sievert, 1 Sv = 1 J/kg alt: Rem 1 Sv=100 rem rem = roentgen equivalent man im Mensch: ca. 9000 Bq (hauptsächlich 40Ka und 14C)
Radioaktivität
Geladene Teilchen Geladene Teilchen in Materie erfahren meistens: • unelastische Stösse mit Hüllenelektronen • elastische Streuung durch Kerne Weil Ausdehnung Kern/Atom ca. 10-15m/10-10m (Erbse/Fussballfeld) dominieren die Stösse mit den Hüllenelektronen Wir messen nicht direkt den Energieverlust der Teilchen in Materie sondern nur die Effekte der Ionisation. Glücklicherweise: Ionisation/cm = const. × Energieverlust (Kombination vieler Effekte)
Radioaktivität
Ionisationsverluste in Materie Geladene Teilchen ionisieren ein Nachweismedium durch inelastische Stöße mit den Hüllenelektronen (vorwiegend Einfachionisation, z.B. Ar+) Hoher Streuquerschnitt: σinelast. ~ 10-17 – 10-16 cm2 ⇒ zahlreiche Stöße Maximaler Energieübertrag Tmax an ruhendes Elektron mit me durch ein einlaufendes Teilchen mit Ruhemasse m und Geschwindigkeit β:
für schwere Primärteilchen:
➥ In hinreichend dicken Absorbern wird ein Großteil der Teilchen-Primärenergie in ein Ionisationssignal umgewandelt
Radioaktivität
Bethe-Bloch-Formel beschreibt empirisch den Energieverlust von geladenen Teilchen in Materie:
Teilchenstrahlparameter:
Geschwindigkeit β, Ladung z
Targetmaterialparameter:
Kernladung Z, Kernmasse A, effek. Ionisationspotential I (I~ Z∙12 eV)
Konstanten:
klass. Elektronenradius re, Avogadrozahl N0, Elektronenmasse me δ = Polarisation des Mediums
Radioaktivität
-dE/dx [MeV cm-1]
Qualitativer Verlauf des Energieverlustes bei kleinem β ist der Term 1/β2 in der Bethe-Bloch Gleichung dominant dE/dx hat ein Minimum bei ß ∙ γ~ 3-4 ➥ minimal ionisierende Teilchen bei hohen Impulsen erreicht dE/dx ein Plateau (Sättigung)
Teilchenimpuls
Radioaktivität
Myonen in Materie
Radioaktivität
Der Energieverlust eines Teilchens ist unabhängig von seiner Masse. dE/dx nur abhängig von der Teilchengeschwindigkeit β, typischerweise wird dE/dx aber als Funktion des Impulses p dargestellt, wobei gilt: p=γ∙M∙v=ß∙γ∙M∙c Für mips (= minimum ionising particles) gilt: dE/dX ~ 2 MeV g-1 cm2
d.h. bei einer Targetdichte ρ = 1 g/cm3: dE/dx ~ 2 MeV/cm
Radioaktivität
Reichweite schwerer geladener Teilchen • Energieverlust: statistischer Prozess • mittlere Reichweite [g/cm2 ] keine fest definierte Reichweite “Straggling” um mittlere Reichweite dennoch lokalisiert auf wenige mm, da Ionisation am Ende am stärksten (Bragg-Peak)
Radioaktivität
Photonen in Materie 3 mögliche Prozesse für die Wechselwirkung von Photonen:
• Photoeffekt • Comptoneffekt • Paarproduktion
Radioaktivität
Photoeffekt Photon der Energie hν • Photoeffekt an Hüllenelektronen plus Kern (Impulserhaltung) • Dominant für kleine Photonenergien • Photon absorbiert • Elektronenenergie Ee = hν – EB,e • Wirkungsquerschnitt σPh = const×Z5 Sekundäreffekte (Schalenübergänge) • Photonen • Auger-Elektronen
Radioaktivität
Comptoneffekt Photon der Energie hν • Compton-Streuung an (quasi-)freiem oder Hüllenelektron • Mittlere Energien • Neues Photon mit geringerer Energie hv’ • Elektron mit Energie Ee = hν-hν’ • Wirkungsquerschnitt σCo = const×Z
Radioaktivität
Paarbildung Photon der Energie hν • Paarerzeugung im Coulombfeld eines Kerns (Impulserhaltung, für reelles Photon) • Dominant bei hohen Photonenergien • Schwellenenergie Eγ =2me + 2(me2/mKern) ≈ 2me • Wirkungsquerschnitt σPa = const×Z2
Radioaktivität
Das Photon verschwindet nach der Wechselwirkung. Die Zahl der überlebenden Photonen nach der Schichtdicke x:
μ wird als der totale Absorptionskoeffizient bezeichnet: Na = Avogadrozahl ρ = Materialdichte σ = Wirkungsquerschnitt
Wirkungsquerschnitt für die Paarproduktion:
X0 heisst Strahlungslänge = Materialstärke für welche die Wahrscheinlichkeit für die Paarproduktion:
Radioaktivität
Elektromagnetischer Schauer Hochenergetische Photonen erzeugen Schauer in Materie - Paarerzeugung (γ) - Bremsstrahlung (e±) Paarerzeugung stoppt, wenn die Energie Ec < 600 MeV/Z (Ec kritische Energie, bei der Bremsstrahlungsverluste =Ionisationsverlutse) (gleicher Prozess: einlaufendes Elektron)
Radioaktivität
Bremsstrahlung
e–
beschleunigte Elektronen strahlen: Kern Ladung: Ze
Beispiele • Synchrotronstrahlung • Erzeugung eines Photonenstrahls • Röntgenstrahl
Radioaktivität
Strahlungslänge für verschiedene Materialien Material
X0 [g/cm2]
H2
63
Al
24
Ar
18,9
Kr
11,3
Xe
8,5
Fe
13,8
Pb
6,3
Bleiglas SF5
9,6
Plastikmaterialien
40,5
H2O
36
NaJ (Tl)
9,5
Bi4Ge3O12
8
• Pb als Abschirmung sehr effektiv • Kalorimeter zur Messung von γ (e±) – möglichst kurz/kompakt – PANDA: PbWO4
Radioaktivität
Energiedosis
• Abgegebene Energie dE von ionisierter Strahlung an einem spezifischen Absorber der Dichte ρ bezogen auf die Masse dm des Volumenelements dV:
(Einheit: Gray)
Radioaktivität
Biologische Wirksamkeit wR (Normwerte) • Äquivalentdosis H = wR D – Sievert, 1 Sv = 1 J/kg
• Photonen, Elektronen, Myonen: 1 • Neutronen: 20 MeV: 5 • Protonen außer Rückstoßprotonen > 2 MeV: 5 • Alpha, Spaltfragmente, schwere Kerne: 20
Radioaktivität
Biologische Wirkung • physikalisch: Ionisation, Anregung [10-14 s] • chemisch: molekulare, interzellulare Auswirkungen: Oxidation und Reduktion [10-6 s] – Am empfindlichsten Schäden der DNA-Moleküle: Doppelstrangbrüche
• biologische Folgen: Mutationen, Früh- und Spätschäden, Tod [Stunden bis Jahre] – Schäden im DNA-Molekül des Zellkerns • reparierbar (800 Reparaturen/Zelle/min): Erholung • nicht reparierbar – – » » »
Zelltod mutierte Zelle lebt weiter Strahlenschäden Erbkrankheit Tumor
0.03 eV H-Brückenbindung
Radioaktivität
Biologische Wirkung von ionisierender Strahlung • Tödliche Dosis – 2.5-4.5 Gy: Ganzkörperdosis die in 30 Tagen zu 50% tödlich ist (ohne medizinische Behandlung)
• Vorübergehende Strahlenkrankheit bei 1Sv • Wahrscheinlichkeit das Krebs ausgelöst wird (bei geringer Strahlungsdosis gelb, grün, braun, schwarz Fluroit: farblos => blau, grün, violett Spodumen: rosa => grün Quarz: farblos => rauchbraun, schwarz Saphir: farblos => gelb; Saphir: blass gelb => intensiv gelb; Saphir: blass grün => grün Topas: farblos => blau Turmalin: rosa => rot Turmalin: blass gelb => gelbbraun Turmalin: blass grün => grün Zirkon : farblos => blau Zirkon : rotbraun => blau, farblos
Radioaktivität
Radioaktivität
Kaliumisotope in der Natur
K-39 93,26 % (stabil) K-41 6,73 % (stabil) K-40 0,01 % (radioaktiv)
Halbwertszeit: 1,3 Mrd. Jahre
Radioaktivität
Radioaktivität im Wildfleisch
Bayerischen Wald 2004 Cs-137 Wildschweine 80 - 40.000 Bq/kg Mittelwert ~ 7.000 Bq/kg Rehwild ~700 Bq/kg Unterschiede in dem Ernährungsverhalten: Wildschweinen fressen unterirdisch wachsende Hirschtrüffeln -> hohe Belastung
Radioaktivität
Fallout durch Kernwaffentests und Tschernobyl
Kernwaffentests in der Atmosphäre: GB(21) -1958, USA(197)/UdSSR(219) -1962, F(45) -1974, China(22) -1980
Tschernobyl (1986)
Radioaktivität
Cs-137 Halbwertszeit 30 Jahre Sr-90 Halbwertszeit 29 Jahre