15 Jahre leben mit CML

Meine Geschichte. Unterstützung bei chronischer myeloischer Leukämie Eine Initiative der Novartis Pharma GmbH Erfahrungsbericht 15 Jahre leben mit...
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Meine Geschichte.

Unterstützung bei chronischer myeloischer Leukämie

Eine Initiative der Novartis Pharma GmbH

Erfahrungsbericht

15 Jahre leben mit CML –

Inhalt

Willkommen!

Inhaltsverzeichnis Teil 1: 15 Jahre leben mit CML – Meine Geschichte.................

4

Teil 2: Lebenserfahrung mit CML – Auf und Ab gibt es immer... 10 Teil 3: Leben mit CML – Freizeit, Beruf und Lebensqualität....... 15 Teil 4: Zusammenleben mit CML – Die Menschen in meinem ­Umfeld....................................................................... 20

ich bin seit 15 Jahren CML-Patient und mit meiner Lebensqualität sehr zufrieden. Damit möchte ich Ihnen Mut machen, dass man mit der Erkrankung gut und lange leben kann. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diesen tiefen Einschnitt in Ihr Leben annehmen können, eine gute Behandlung erfahren und auch in schwierigen Situationen die Hoffnung nicht verlieren. Ihr Harald Schmidt

Meine Geschichte

Auf und Ab gibt es immer

Während der Arbeit bekam ich starke Schmerzen im Oberbauch. Die Untersuchungen ergaben dann die Diagnose: chronisch myelo­ ische Leukämie – Blutkrebs. Für mich brach eine Welt zusammen.

So wie im normalen Leben, gibt es auch bei der CML Höhen und Tiefen. Und es ist immer schwierig, mit schlechten Zeiten umzugehen. Mir hilft es dann, mich daran zu erinnern, was ich schon alles geschafft habe.

Freizeit, Beruf und Lebensqualität Ich habe Einschränkungen durch die CML, aber sie sind tolerabel. Ich denke oft daran, wie gut es mir eigentlich trotz der Erkrankung geht.

Menschen in meinem Umfeld Allgemeine Ratschläge helfen mir nicht, auch wenn sie gut gemeint sind. Für mich ist das Wichtigste, dass ich so genommen werde, wie ich gerade bin. Und da gibt es eben gute und schlechte Tage.

Teil 1

15 Jahre leben mit CML – Meine Geschichte. Während der Arbeit bekam ich starke Schmerzen im Ober­ bauch. Die Untersuchungen ergaben dann die Diagnose:

chronisch myeloische Leukämie – Blutkrebs. Für mich brach eine Welt zusammen.

Anzeichen gab es schon früher Anzeichen gab es schon 1–2 Jahre vor der Diagnose, nur wusste ich die damals noch nicht zu deuten. Nach dem Sport und nach körperlichen Anstrengungen fühlte ich mich sehr erschöpft. Kleine Wunden, wie sie zum Beispiel beim Rasieren entstehen, brauchten

sehr lange zum Heilen. Ich hatte so viel Nachtschweiß, dass ich mitten in der Nacht das T-Shirt wechseln musste. Ich dachte, das ist das Alter, da verändert sich der Körper einfach. Heute würde ich zum Arzt gehen.

Natürlich bricht da für einen eine Welt zusammen. Mit Anfang vierzig hatte ich mich im Beruf als Vermessungsingenieur gut etabliert. Meine Frau und ich hatten unser Haus fertig gebaut und wir wollten nun mit unseren Kindern, damals vier und acht Jahre alt, einfach das Leben genießen. Ich wollte wissen, was Sache war, und fragte den Arzt nach meiner Lebenserwartung. Ich wollte es auch nicht beschönigt haben. Er sagte, ich hätte noch fünf bis zehn Jahre, wenn es gut läuft. Wenn ich Pech hätte, vielleicht nur noch drei Jahre. Und so dachte ich am An-

fang bei vielen Gelegenheiten, wie zum Beispiel unserem Sommerfest im Dorf: „Ist das nun dein letztes oder dein vorletztes?“ Auf jeden Fall eines der letzten, das war klar. Das Leben hatte eine endliche Zeit für mich bekommen. Der heftigste Moment der Diagnose war für mich aber, als es darum ging, einen Stammzellspender für mich zu finden, und meine kleine Tochter dafür typisiert wurde. Dass dieser „kleine Wurm“ mit vier Jahren seinen Vater retten sollte, das zu erleben hat mich bis heute sehr geprägt.

Den Tag der Diagnose werde ich nie vergessen Ich hatte sehr starke Schmerzen im Oberbauch, so dass ich von der Arbeit direkt zum Hausarzt ging. Der Hausarzt erstellte ein kleines Blutbild und sah sofort die stark erhöhten Leukozyten – 280.000/µl! (Anm. der Redaktion: der Normbereich liegt bei 4.000–10.000/µl.) Es folgte ein Ultraschall, der zeigte, dass die Milz extrem vergrößert war, und das hatte auch meine Schmerzen verursacht. Mein Arzt empfahl mir, noch am gleichen Tag stationär in die Klinik zu gehen.

Dort hatte man aufgrund der Symp­ tome sicherlich schon die Vermutung auf CML. Am nächsten Tag, dem 6. Februar 1996, wurde eine Knochenmarkpunktion gemacht und ich bekam die Diagnose: chronisch myeloische Leukämie. Mit den Begriffen chronisch und myeloisch konnte ich damals nichts anfangen. Aber Leukämie, Blutkrebs, das kannte ich und dachte sofort: „Krebs = Tod“.

Harald Schmidt Geboren am 19.07.1955 CML-Diagnose: 06.02.1996 Familie: verheiratet, 2 Kinder Beruf: Vermessungsingenieur bei einer Kommune Hobbies: Interesse für Sport (Fußball, Tischtennis, Tennis, Basketball) Engagement: ehrenamtlich in der Dorfgemeinschaft tätig

Wichtig ist, dass man sich gut aufgehoben fühlt

Ich habe so ziemlich alle Therapien mitgemacht

Zuerst wurde ich 2–3 Wochen stationär in der örtlichen Klinik behandelt, um die Leukozyten in den Griff zu bekommen. Danach wurde ich an eine Uniklinik verwiesen. Dort kam ich mir wie ein kleines Rädchen in einem riesigen Komplex vor. Die Wartezeiten waren lang und meine Frau und ich fühlten uns nicht sehr wohl. Als der Oberarzt dann noch sagte: „Herr Schmidt, Ihre Werte haben wir jetzt in den Normbereich gebracht, nun machen Sie sich mal nicht verrückt“, fühlten wir uns mit unseren Ängsten, die wir natürlich hatten, nicht ernst genommen.

Nach den ersten 2–3 Wochen in der örtlichen Klinik bekam ich Interferon alpha, damals gab es nichts anderes. Wegen der hohen Tumorlast sagte man mir nach einiger Zeit, dass das nicht ausreicht. Ich wollte dann offensiv rangehen. Mir war von Anfang an klar, ich kämpfe aktiv. Ich wollte nicht auf die Verschlechterung warten. Entweder die nächste Therapie klappt, und dann habe ich eine bessere Perspektive, oder eben nicht.

Mein behandelnder Arzt der örtlichen Klinik hat mir dann eine andere Uniklinik empfohlen. Diese war zwar über zwei Fahrstunden von uns zuhause entfernt, aber dort haben meine Frau und ich uns dann gut aufgehoben gefühlt. Der Chefarzt ging intensiv auf unsere Fragen und Ängste ein. Für ihn waren die Blutwerte erst einmal sekundär. Wichtiger war ihm, wie ich mit der Diagnose klar kam. Und als meine Frau und ich dann immer noch Fragen hatten, er aber keine Zeit mehr, verwies er uns an einen kompetenten Oberarzt, der mich von da an gut betreute. Auch wenn es 225 km zu fahren waren,

habe ich die Priorität klar bei der Klinik und ihren Ärzten gesehen, denn bei solch einer Erkrankung muss einfach ein Vertrauensverhältnis bestehen.

„Mir war von Anfang an klar, ich kämpfe aktiv.“

So kam im Laufe der Jahre eine lange Liste von Therapien zusammen. Man muss natürlich immer bedenken, dass die Therapiemöglichkeiten und Kenntnisse früher noch nicht so weit fortgeschritten waren wie heute. Stammzellapharese im Juli 1996 mit nachfolgender autologer Stammzelltran­s­ plantation im November. Leider ist es gescheitert und man konnte die CML relativ schnell wieder nachweisen. Aber wir haben es versucht. Allerdings sind seither meine Thrombozytenwerte sehr niedrig.

In den nächsten zweieinhalb Jahren bekam ich Hydroxyurea. Dieses Medikament hielt zwar die Leukozytenzahl niedrig, allerdings ohne die CML aktiv zu bekämpfen. Die nächste Option war damals dann die allogene Stammzelltransplantation. Die erste von zweien bekam ich Ende 1999. Dazu muss ich sagen, dass ich schon vor der CML Probleme mit der Leber und Galle hatte. Als ich Anfang 20 war, wurde ich deshalb mehrfach operiert. Aus diesem Grund konnte man bei dieser ersten Transplantation nicht so hoch konditionieren und sie hat deshalb auch nicht funktioniert. Bei der zweiten allogenen Stammzelltransplantation Mitte 2000 wurde zwar stärker konditioniert und zusätzlich bestrahlt, aber auch diese Transplantation war erfolglos. Danach gab es zum Glück den ersten Tyrosinkinasehemmer und den nahm ich dann ungefähr fünf Jahre. Im Laufe der Zeit hatte ich dann jedoch das Gefühl, dass meine Werte besser sein müssten, als sie waren. Ich hatte einen Bekannten mit CML, bei dem es deutlich besser lief. Es beschäftigte mich, dass er nach mir diagnostiziert wurde und seine Werte schneller besser wurden als meine.

So begann ich, im Internet zu recherchieren. Zwischenzeitlich hatte ein anderer Oberarzt meine Behandlung übernommen, aber mit ihm kam ich leider nicht gut klar. Ich habe aufgrund meiner Recherche diesen Arzt gebeten, doch mal eine Mutationsanalyse zu machen. Er hat sehr zögerlich reagiert und ich war verunsichert. Ende 2005 habe ich dann auf der Mutationsanalyse bestanden und es wurde die Mutation F359V nachgewiesen.

Das hatte für mich zwei Konsequenzen: Zum einen verlor ich nach dieser Bestätigung das Vertrauen in diesen Arzt und wechselte an eine andere Universitätsklinik. Zum anderen hieß es, das Medikament abzusetzen. Nur leider gab es damals darüber hinaus keine Option mehr. Wie sollte es nun weitergehen?

In Studien habe ich schon häufig mitgemacht In der Zwischenzeit gab es einen anderen Tyrosinkinasehemmer, der gerade in Studien getestet wurde. Leider war in Deutschland zu der Zeit dafür keine Studie offen, an der ich teilnehmen konnte. Man hat sich dann für mich eingesetzt, dass ich dieses Medikament im „Compassionate use“-Modus bekam. (Anm. der Redaktion: Compassionate use bedeutet, dass das noch nicht zugelassene Medikament in besonders schweren Krankheitsfällen aus humanitären Gründen trotzdem schon angewendet werden darf[1].) Aufgrund meiner niedrigen Thrombozyten wurde innerhalb der Studie mehrfach die Dosis angepasst, aber letztlich musste ich die Therapie dann doch deshalb abbrechen.

Danach musste ich wieder eine längere Zeit mit Hydroxyurea überbrücken, bis dann Gott sei Dank zwei weitere Studien mit neuen Wirkstoffen verfügbar waren. Beide Studien musste ich aber wegen meiner sehr niedrigen Thrombozytenwerte abbrechen. Dann wurde ein sogenannter Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation zugelassen. Dieses Medikament war eine neue Chance für mich und gemeinsam mit meinem Arzt beschloss ich, dieses Medikament einzunehmen. Meine Thrombozyten fielen zwar wieder ab und wir mussten die Therapie mehrfach anpassen, aber da ich eigentlich keine weiteren Beschwerden hatte, und sich meine Thrombozy-

ten langsam erholten, konnten wir schrittweise die Dosis sogar wieder bis zur empfohlenen Menge erhöhen. Seither werden meine Werte langsam besser. Besonders wichtig war für mich, dass einer der zwei

Klone verschwand, die zwischenzeitlich auch nachweisbar gewesen waren. In der letzten Kontrolle vor acht Wochen war auch der zweite Klon nicht mehr vorhanden; das war für mich eine der besten Nachrichten in den letzten Jahren!

Mein Fazit: „Der Zug fährt weiter“ Heute, fünfzehn Jahre später, sitze ich relativ entspannt im Sessel, auch wenn meine Werte leider nicht so sind, wie das in der Regel unter der Standardbehandlung der Fall ist. Wenn ich bei anderen CML-Patienten höre, wie die Verläufe bei ihnen sind, dann ist meiner im Vergleich dazu alles andere als gut. Aber ich sehe es für mich immer so: Ich sitze in einem Zug. Und jedes Mal, wenn ich an eine Weiche komme, also eine neue Therapieoption ansteht, entscheide ich mich zusammen mit meinem Arzt für eine Fahrtrichtung. Nach einer gewissen Zeit stelle ich dann fest, es war die falsche Richtung, denn das Ergebnis war nicht so wie gewünscht. Glücklicherweise gab es bis jetzt immer eine weitere Therapieoption, also eine weitere Weiche, und damit eine weitere Entscheidungsmöglichkeit. Und selbst wenn ich eigentlich immer wieder

„in die falsche Richtung“ abgebogen bin, d. h. wenn die gewählte Therapieoption nicht erfolgreich war, das Entscheidende ist – der Zug fährt weiter – ich lebe immer noch. Das macht mir Hoffnung. Mit meiner aktuellen Therapie werden die Werte zwar nur sehr langsam besser – aber sie werden besser und nicht schlechter. Und ich bin bei einem Arzt, wie man ihn sich besser nicht wünschen kann. Er ist menschlich und als Arzt äußerst kompetent. Ich fühle mich geborgen und optimal versorgt. Im Moment bin ich zufrieden.

Teil 2

Lebenserfahrung mit CML – Auf und Ab gibt es immer So wie im normalen Leben, gibt es auch bei der CML Höhen und Tiefen. Und es ist immer schwierig, mit schlechten

Zeiten umzugehen. Mir hilft es dann, mich daran zu erinnern, was ich schon alles geschafft habe.

Das erste Jahr war besonders hart Die Krankheit hat mich am Anfang ganz schön aus der Bahn geworfen, das steckt keiner so locker weg. Man ist nicht mehr man selbst. Bei mir hat es mindestens ein Jahr gedauert, um wieder einigermaßen auf die Beine zu kommen. Das Problem war damals auch, dass die Informationen gefehlt ha-

ben, und dadurch war die Unsicherheit noch größer. Internet war noch nicht verfügbar und ich wusste nicht, ob es Bücher gab. Ich habe meine Informationen immer „nur“ von meinen behandelnden Ärzten bekommen. Heute kann man googeln, hat Foren wie „Leukämie-Online“, da ist das ganz anders.

Stammzelltransplantation: Die psychische Belastung war das größere Problem Im ersten Jahr bekam ich die autologe Stammzelltransplantation in einer Uniklinik 225 km von zuhause weg. Körperlich war die Transplantation für mich eher nicht so belastend. Mir ging es aufgrund der Chemotherapie zwar nicht gut,

aber auch nicht furchtbar schlecht. Für mich war es schwieriger, mit der Entfernung von meiner Familie klarzukommen. Meine Frau konnte ja aufgrund der Entfernung nicht jeden Tag in die Klinik kommen, weil unsere Kinder noch klein wa-

ren. Und es gab damals nur das Telefon, heute könnte man skypen, das wäre einfacher. Die zwei allogenen Stammzelltransplantationen 1999 und 2000 waren auch noch einmal sehr hart. Wieder war es körperlich nicht so schlimm, aber psychisch eine große Belastung. Die verschiedenen Infusionen wurden mir über einen 5 m langen Schlauch zugeführt. Der Schlauch war so lang, damit ich mich im Zimmer und zum Bad bewegen konnte. Ich kam mir vor wie ein Hund an der Leine. Und das 24 Stunden pro Tag über vier Wochen. Auch wenn ein anderer das vielleicht nicht nachvollziehen kann, für mich war das sehr belastend. Heute würde ich das locke-

rer sehen und hätte auf jeden Fall ein Notebook dabei, um mich abzulenken und Kontakt nach draußen zu haben.

„Es war für mich undenkbar, nichts zu tun und nur zu warten wie das Kaninchen auf die Schlange.“

Der offensive Umgang ist für mich enorm wichtig Ich wollte nicht die Lebenszeit „absitzen“, die man mir genannt hatte. Ich wollte nicht erleben müssen, dass man mir nach einer Kontrolle einfach nur mitteilt: „Sie sind jetzt in der Akzelerationsphase“, und später dann: „Jetzt sind Sie in der Blastenkrise“. Es war für mich undenkbar, nichts zu tun und nur zu warten wie das Kaninchen auf die Schlange. Deshalb bin ich immer sehr offensiv mit der Erkrankung umgegangen. Im Laufe der Jahre habe ich mich immer

mehr aktiv informiert, und das Internet wurde für mich immer wichtiger. Wenn eine Therapie gescheitert war, habe ich sofort nachgefragt, was es nun für Optionen gab, und war immer bereit, es zu wagen. Trotz der erlebten Fehlschläge hat mich jedes Mal erneut die Hoffnung angetrieben, dass es diesmal klappt. Dadurch, dass ich die Erkrankung immer offensiv angehe, ist für

mich automatisch klar, dass ich die Therapie absolut und ohne Ausnahme einhalte. Wenn ich schon eine Therapieoption habe, darf ich das nicht aus irgendwelchen Gründen vernachlässigen. Es ist natürlich eine Einschränkung und die Zeiten einzuhalten, in denen ich wegen der Einnahme der

Medikamente für ein paar Stunden nichts essen darf, fällt mir auch manchmal schwer, z. B. wenn ich zum Essen eingeladen bin. Aber die Therapie ist einfach zu wichtig für mich! Ich gestehe mir auch keine „kleinen“ Aus­ nahmen zu. Ich bin lieber konsequent, das fällt mir leichter.

Es gab auch Zeiten des Rückzugs Von 2000 bis 2005 gab es eine Zeit, in der ich mich nicht so intensiv mit meiner CML beschäftigt habe. Meine Werte wurden unter der damaligen Therapie zwar nicht besser, aber ich hatte nicht den Mut, mich genauer damit ausei­ nanderzusetzen. Körperlich ging es mir ja soweit gut. Ich hatte einfach Angst, mich näher zu informieren, denn es gab damals keine Therapiealternative mehr. Und vermutlich war ich von der anstrengenden Zeit vorher einfach auch erschöpft. Im Lauf der Zeit habe ich gemerkt,

dass es nicht normal sein kann, dass sich meine Werte auf Dauer nicht verbessern. Ich hatte einen Bekannten mit CML, bei dem es deutlich besser lief, obwohl er zeitlich nach mir diagnostiziert wurde. Ich bin deshalb fast neidisch geworden und habe wieder begonnen, mich im Internet zu informieren. Schließlich habe ich eine Mutationsanalyse durchführen lassen und es wurde auch eine Mutation nachgewiesen. Dadurch war klar, dass die damalige Therapie nicht wirken konnte und abgesetzt werden musste. „Na prima!“

Das Warten belastet mich noch heute Es hat sich dann zum Glück ergeben, dass ich im „Compassionate use“-Modus an einer Studie zu einem neuen Medikament teilnehmen konnte. Somit ging es erst einmal weiter und ich hatte wieder

Hoffnung. Aber bis geklärt war, dass ich wirklich bei der Studie mitmachen durfte, hat es einige Monate gedauert. Die Warterei hat sehr an mir gezehrt. Ich wollte es anpacken, weil mir das immer

hilft, mit so einer Situation umzugehen. Aber nun musste ich einfach abwarten. Das war bisher die schwierigste Zeit für mich. In dieser Phase habe ich das normale Auf und Ab des Lebens sehr verstärkt erlebt: Wenn ich ein Erfolgserlebnis hatte, hat mich das ganz besonders gestärkt, aber wenn es beispielsweise privat noch zusätzliche Probleme gab, war das extrem belastend. Das musste ich dann irgendwie aushalten – und meine Familie auch. Es ist auch heute noch so, dass es mich stark belastet, wenn ich auf die Ergebnisse der Punktion warten muss. Das dauert so 2–3 Wochen und in dieser Zeit steigt meine Anspannung. Meine Gedanken

„Das n Warte m i ch t e t s be l a “ h e u te noch

kreisen dann in jeder freien Minute darum. Aber selbst wenn ich weiß, dass es aus irgendwelchen Gründen mal länger dauert, bis ich die Ergebnisse mitgeteilt bekomme, habe ich Angst nachzufragen. Damit kann ich bis heute nicht gut umgehen.

Gute und schlechte Werte Ich habe bei meinen Werten immer nachgefragt und sie mir genau erklären lassen. Ich bin ein Zahlen-Daten-Fakten-Mensch, deshalb war das für mich sehr wichtig. Mittlerweile kann ich meine Werte unter meinen besonderen Umständen recht gut interpretieren und bespreche sie dann mit meinem Arzt. Wenn die Werte langsam besser werden, wie es derzeit der Fall ist, bin ich relativ locker und gelöst.

Dann sage ich mir: „Ich kann ja ganz gut mit der Erkrankung leben“. Aber wehe, wenn das Ganze sich verschlechtert, z. B. wenn die Werte über mehrere Untersuchungen hinweg schlechter werden sollten. Als Zahlen-Mensch sage ich: Diese Werte sind die Indikatoren für die Erkrankung. Wenn sie schlechter werden, kann man das nicht wegdiskutieren. Ich sehe das eben so – man kann halt nicht aus seiner Haut.

Teil 3

Was mir in schlechten Zeiten hilft So wie das ganz normale Leben seine Höhen und Tiefen hat, so ist es bei der CML auch. Es ist immer schwierig, mit schlechten Zeiten umzugehen. Wenn ich im normalen Leben eine schlechte Nachricht bekomme, muss ich die ja auch verdauen, und bei der CML ist es das gleiche. Das Verarbeiten braucht immer seine Zeit und je schlimmer die Nachricht ist, desto länger braucht es. Ich muss dann einfach im Lauf der nächsten Tage und Wochen lernen, es anzunehmen.

Wenn ich eine schlechte Nachricht bekomme, muss ich erst wieder mit mir selbst ins Reine kommen. Die Zeit hilft mir, es wieder positiver zu sehen. Ich erinnere mich dann daran, was ich schon alles geschafft habe. Ich habe schon so viel hinter mir und ich bin immer noch da. Die wichtigste Botschaft aus meiner Sicht ist: Man darf die Hoffnung nie aufgeben, dass es immer wieder eine Möglichkeit gibt und dass die Werte das nächste Mal zumindest gleich bleiben und nicht schlechter werden.

Mir ist es wichtig zu vermitteln, dass man versuchen sollte, das Auf und Ab bei der CML so zu sehen wie im normalen Leben auch. Es anzunehmen, dass es einfach so ist, dass es immer gute und schlechte Zeiten gibt. Mit Anstrengung und Macht dagegen zu kämpfen, funktioniert nach meiner Erfahrung nicht.

So verarbeite ich das persönlich und es hat sich für mich bewährt. Ich sitze nach 15 Jahren immer noch hier.

Leben mit CML – Freizeit, Beruf und Lebensqualität Harald Schmidt hat einen Weg für sich gefunden, mit der Erkrankung umzugehen. Im Interview erzählt er, wie er die Einschränkungen durch die

Krankheit in sein Leben integriert hat. Er beschreibt außerdem, wie er seine Lebensqualität mit der Erkrankung heute sieht.

Leben-mit-CML: Ein wichtiges Hobby war für Sie schon immer der Sport. Können Sie ihn heute noch ausüben?

aus Unwissenheit eben nicht respektiert habe, musste ich es mit Bettruhe büßen.

Harald Schmidt: Früher habe ich aktiv Tennis, Tischtennis und Fußball gespielt. Das kann ich heute leider nicht mehr ausüben. Wenn ich mich körperlich stärker belaste, signalisiert mir mein Körper irgendwann, dass es zu viel ist. Früher habe ich das Signal nicht verstanden und nicht zur Kenntnis genommen. Das bedeutete in der Folge, dass ich 2–3 Tage ausgefallen bin. Ich hatte dann grippeähnliche Symptome, leichtes Fieber und Unwohlsein. Das verging wieder, wenn ich meinem Körper Ruhe gegönnt habe. Aber wenn ich es damals

Heute kenne ich meine körperlichen Grenzen und beachte sie. Für den Sport bedeutet das allerdings, dass ich dann eben vor dem Fernseher sitze oder auf den Fußballplatz gehe und zuschaue. Leben-mit-CML: Haben Sie Einschränkungen in Ihrer beruflichen Tätigkeit? Harald Schmidt: Im Beruf bin ich gar nicht eingeschränkt. Ich bin Vermessungsingenieur bei einer Kommune. Das ist zum Glück körperlich nicht sehr fordernd, da ich überwiegend am Schreibtisch sitze. Abends bin ich dann aber meistens schon müde und habe genug für den Tag.

Ich bin sehr froh, dass ich noch arbeiten kann und darf, trotz dieser Krankheit. Denn das gibt mir Struktur im Tagesablauf und man merkt, dass man gebraucht wird. Meine Frau arbeitet, mein Sohn studiert und meine Tochter wird auch ein Studium beginnen. Sie sind also alle beschäftigt. Da wäre es kein gutes Gefühl, zuhause sitzen zu müssen. Denn dann hätte ich unendlich viel Zeit und meine Gedanken würden ständig um meine Erkrankung kreisen. Das wäre eine große psychische Belastung für mich. Leben-mit-CML: Haben Sie aufgrund Ihrer Erkrankung soziale oder finanzielle Hilfen in Anspruch genommen? Harald Schmidt: Darum musste ich mich nie kümmern, da ich finanziell zum Glück nie Engpässe hatte. Dazu muss ich sagen, dass ich Beamter bin. Da meine Ausfallzeiten immer unter einem Jahr lagen, habe ich als Beamter mein normales Gehalt weiter erhalten. Und als Privatpatient bekam ich auch immer alle Rechnungen zu 100 % erstattet, das entspannt natürlich. Ich habe bei der Stammzelltransplantation eine Klinikrechnung gehabt, das müssen ca. 185.000 DM gewesen sein. Seit 15 Jahren sehe

ich, was ich koste. Das hat mich am Anfang schon belastet, aber heute habe ich kein Problem mehr damit. Denn das ist das Wesen einer Versicherung, das ist eine Gemeinschaft. Der eine braucht sie eben, der andere zum Glück nicht. Mir wäre es auch lieber, ich würde sie nicht brauchen. Zusammenfassend bin ich also in der glücklichen Lage, dass ich finanziell sowohl vom Gehalt als auch von der Erstattung der Kosten her nie Nachteile durch meine Erkrankung hatte. Deshalb habe ich mich auch erst vor 3 Jahren um den Schwerbehindertenausweis gekümmert. Den Ausweis habe ich nur wegen besserer Regelungen für die spätere Pension beantragt. Steuerlich lohnt sich das kaum und die fünf Tage zusätzlicher Urlaub sind mir nicht wichtig, ich gehe gern zur Arbeit. Außerdem habe ich mich gegen das Stigma gewehrt, das mit einem Schwerbehindertenausweis für mich verbunden ist, denn ich möchte trotz dieser Diagnose ein normales Leben leben. Leben-mit-CML: Um die Therapie zu kontrollieren, müssen Sie ja regelmäßige Untersuchungstermine wahrnehmen. Wie lässt sich das in Ihren Alltag integrieren?

Harald Schmidt: Die Termine werden individuell je nach Situation und den letzten Ergebnissen festgelegt. In der Zeit der Studien waren es sehr engmaschige Kontrollen, im Extremfall dreimal pro Woche in der 225 km entfernten Universitätsklinik. Und als ich die niedrigen Thrombozytenwerte hatte, musste ich jede Woche in die örtliche Klinik. Jetzt hat es sich entspannt und ich gehe alle vier Wochen zur Blutuntersuchung in die örtliche Klinik. Das kann ich mittlerweile gut in den Alltag integrieren. Das Ganze dauert maximal eine Stunde und das klappt sogar immer über die Mittagspause. Ich habe das einfach mit den Leuten in der Klinik abgesprochen und es ließ sich gut regeln. Zur Punktion muss ich alle 3–4 Monate in eine Universitätsklinik. Dazu nehme ich einen Tag Urlaub. Dieser Tag ist für mich sehr wichtig. Da habe ich dann nichts anderes vor, fahre gemütlich dorthin und die Untersuchung ist in maximal zwei Stunden erledigt. Bei der Punktion ist mir wichtig, dass der Arzt sich Zeit lässt. Dass er bei der lokalen Betäubung lange genug wartet und bei der eigentlichen Punktion vorsichtig aspiriert. Dann ist der Schmerz auch auszuhalten und so war bei mir bisher

noch nie eine Kurzzeitnarkose nötig. Denn sonst hätte ich anschließend nicht selbst mit dem Auto nach Hause fahren können. Die Anspannung kommt dann ungefähr zwei Wochen später, wenn ich weiß, dass der Anruf meines Arztes jetzt fällig ist. Leben-mit-CML: Wie würden Sie heute Ihre Lebensqualität beschreiben? Harald Schmidt: Man muss das realistisch sehen: Was bedeutet ein Leben mit CML? Ich habe Einschränkungen, kann z. B. körperlich nicht so aktiv sein und muss regelmäßig Krebsmedikamente nehmen. Aber die Einschränkungen sind tolerabel und ich bin froh, dass bei mir die spürbaren Nebenwirkungen moderat ausfallen. Den Anspruch eines Gesunden an die Lebensqualität darf ich einfach nicht haben, diesen Vergleich kann ich nicht ziehen. Auf der anderen Seite: Wenn es nicht so gelaufen wäre, wie es eben ist, würden wir heute nicht mitei­ nander sprechen. Wenn ich diese ganzen Umstände sehe, die mich die letzten 15 Jahre begleitet haben, dann bin ich mit meiner Lebensqualität nicht nur zufrieden, sondern sehr zufrieden. Ich bin Realist und deshalb bin ich letztlich dankbar, dass ich diese

Form der Leukämie habe. Ich weiß gut einzuschätzen, was für ein Glück es ist, dass die Therapiemöglichkeiten für CML in der Zwischenzeit so vielfältig sind. Das ist nicht bei allen Krebserkrankungen der Fall. Leben-mit-CML: Viele Menschen, die eine schwere Krankheit durchleben, können trotz­ dem positive Aspekte finden und sagen beispielsweise, „Ich lebe jetzt bewusster.“ Geht es Ihnen auch so? Harald Schmidt: Ich möchte das gerne konkretisieren und zwar in zwei Aspekten, dem beruflichen und dem familiären. Für mich ist sehr wichtig, dass ich beruflich tätig sein kann. Ich bin froh, dass ich dazu in der Lage bin und wir so ein gutes Team sind. Auch wenn viele Kollegen zu mir gesagt haben, du hättest mehr aus deinem Beruf machen können, sehe ich das durch die CML gelassener. Wenn ich eine höhere Position angestrebt hätte, hätte das mehr Verantwortung bedeutet und ich hätte mein Team verlassen müssen. Der Stress wäre vermutlich größer gewesen, was für die Gesundheit wieder nicht gut gewesen wäre, denn ich bin einfach nicht so belastbar wie ein Gesun-

der. Ich opfere meine jetzige Lebensqualität nicht für eine Karriere, das ist es mir nicht wert. Ich bin froh, dass es so ist, wie es ist, und die Krankheit zeigt mir, dass es ganz andere Dinge gibt im Leben, die mir wichtig sind.

Familiär bin ich unendlich dankbar, dass ich hier sein kann. Und dafür, dass ich eine Frau habe, die sehr viel Verständnis für mich hat, besonders, wenn es mir nicht so gut geht. Ich bin dankbar, dass ich erleben darf, wie meine Kinder erwachsen werden. Mein Sohn studiert jetzt und meine Tochter beginnt demnächst ihr Studium. Bei meiner Diagnose war nach damaligem Wissen eigentlich sicher,

dass ich die Entwicklung meiner Kinder nicht erleben würde. Und nun darf ich es doch erleben. Ich denke oft daran, wie gut ich es eigentlich trotz der Erkrankung habe. Ich habe zwar CML und ich musste diesen Weg gehen, mit den damit verbundenen Einschränkungen, aber es sind tolerierbare Einschränkungen. Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit, dass ich das Familiäre so erleben darf.

Teil 4

Zusammenleben mit CML – Die Menschen in meinem Umfeld Für Harald Schmidt ist die offene Kommunikation über seine CML-Erkrankung der richtige Weg. Im Interview erzählt er, welche Reaktionen er besonders nach der Diagnose aus

dem Umfeld erlebt hat. Er beschreibt außerdem, welche gutgemeinten Ratschläge ihm geholfen haben und welche nicht.

Leben-mit-CML: Als Sie die Diagnose bekommen haben, wie war die Situation für Ihre Frau?

schützen. Für sie war es eine sehr schwierige Zeit. Als die Therapie dann richtig angelaufen ist und ich gesehen habe, es passiert was, kam ich besser mit der Situation klar, und die Lage hat sich entspannt.

Harald Schmidt: Die Anfangszeit war für uns alle hart. Die Diagnose verarbeitet man ja nicht innerhalb weniger Tage. Meine Frau hat in dieser Zeit sehr gelitten, weil ich oft nicht gut drauf war und wegen Kleinigkeiten gereizt oder falsch reagiert habe. Das habe ich nicht absichtlich getan, aber man ist einfach nicht ganz bei sich. Ich habe es selbst oft gar nicht gemerkt, erst wenn sie es mir dann gesagt hat. Sie musste viel einstecken und zurückstecken. Gleichzeitig wollte sie unsere zwei kleinen Kinder

Leben-mit-CML: Ihre Kinder waren damals 4 und 8 Jahre alt. Wie haben Sie ihnen die Situation erklärt? Harald Schmidt: Wir haben ihnen gesagt, der Papa ist krank und muss ins Krankenhaus. Die Schwere der Erkrankung haben wir nicht erklärt. Damals war man der Auffassung, Kinder würden das nicht begreifen. Heute würde man vielleicht anders reagieren. Als sie älter wurden, ha-

ben sie stückweise mehr erfahren. Sie haben dann auch von selbst nachgefragt, weil Freunde sie darauf angesprochen hatten: „Was ist denn mit deinem Vater?“ Es gab also kein Einzelgespräch, an dem wir sie über alles „aufgeklärt“ hätten. Leben-mit-CML: Sprechen Sie offen über Ihre Erkrankung oder halten Sie sich eher zurück? Harald Schmidt: Aus meiner Erfahrung ist es sehr wichtig, dass man miteinander redet. Etwas zu verheimlichen, ist nicht gut. Es kommt natürlich darauf an, wer fragt. Wenn ich davon ausgehe, dass derjenige ehrliches Interesse hat, dann rede ich sehr offen darüber. Wenn die Frage nur aus Höflichkeit oder Neugier kommt, dann bin ich kurz angebunden, das würde niemandem etwas bringen. Meine Frau ist sowieso über alles informiert und gute Freunde wissen auch Bescheid. Selbst meine Kollegen können sich mittlerweile unter meinen Werten etwas vorstellen. Als ich nach der Diagnose im Krankenhaus war, habe ich mich über jeden Besuch von Bekannten und Kollegen gefreut. Meinen Chef habe ich umgehend über meine

Erkrankung informiert. Es war für mich klar, dass er schnell eine Lösung finden musste, um meine Ausfallzeit zu überbrücken. Freunde haben zu mir gesagt: „Das ist doch pietätlos. Kaum bist du krank, schon kümmert er sich um einen Ersatz und du bist abgeschrieben.“ Ich hatte kein Problem damit und war meinem Chef deswegen nicht böse. Es wusste ja keiner, wie es weitergehen würde. Aber das muss jeder Betroffene machen, wie es für ihn richtig ist, und das sollte das Umfeld dann auch respektieren. Leben-mit-CML: Wie haben Freunde und Bekannte auf die Diagnose reagiert? Was davon hat Ihnen geholfen und was eher nicht? Harald Schmidt: Ich bekam viele Ratschläge von allen Seiten: vom Freundeskreis, von Bekannten und auch von Fremden. Das hat mich eher verunsichert, weil es damals kaum Informationen gab, das Internet war ja noch nicht etabliert. Oft habe ich gehört: „Du musst gegen die Krankheit kämpfen“. Das ist für mich nichtssagend und nur eine Worthülse. Wenn jemand sagt: „Du musst aus dem Loch rauskommen“ – welches Loch? Das ist

sicher gut gemeint, aber solche Ratschläge bringen mir nichts. Wenn ich die Formulierung „Du musst“ höre, habe ich den Eindruck, die Leute verstehen die Situation nicht. Es gibt keinen Schalter, den man an- und ausknipsen kann. Eine schlechte Nachricht muss man verarbeiten, das dauert seine Zeit. Von einem Freund habe ich nie gehört: „Du musst“. Er weiß, dass das bei mir auf Knopfdruck nicht geht. Für mich ist das Wichtigste, dass man von Freunden, nahen Bekannten und von der Familie einfach so genommen wird, wie man gerade ist. Da gibt es eben gute und schlechte Tage. Leben-mit-CML: Sie leben in einem kleinen Dorf bei Schwäbisch Hall. Da spricht sich eine schwere Diagnose unter Umständen schnell herum. Wie war die Reaktion? Harald Schmidt: Von der Dorfgemeinschaft habe ich große Unterstützung erfahren. Im Bekannten- und Verwandtenkreis kam die Idee auf, eine Typisierungsaktion zu starten. Die Dorfgemeinschaft hat dazu organisatorisch viel beigetragen und die Dorfgemeinschaftskasse geplündert. Ich war dafür sehr dankbar und werde das nie vergessen.

Es ist mir deshalb ein Anliegen, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben, und ich engagiere mich seit einigen Jahren ehrenamtlich. Ich verwalte die Kasse, organisiere unsere Feste und bin seit einem Jahr federführend bei unserem Projekt zur schnellen Internetanbindung unseres Dorfes. Ich habe es erreicht, dass jedes Haus einen eigenen Glasfaseranschluss bekommen hat. Diese Aktivität tut mir gut. Es macht Spaß, wenn ich über Beruf und Familie hinaus noch etwas bewegen kann. Dort gebraucht zu werden hilft mir, im Leben zu stehen, und ich kann mich mit etwas Neuem beschäftigen. Natürlich muss ich immer die Balance halten und meinem Körper ausreichend Ruhephasen gönnen. Leben-mit-CML: Was möchten Sie unseren Lesern noch mit auf den Weg geben? Harald Schmidt: Ich denke, jeder Mensch muss seinen eigenen, individuellen Weg finden, mit der Erkrankung zu leben. Die Unterstützung durch die Familie und enge Freunde hilft sehr, mit der belastenden Situation besser fertig zu werden. Das ist schön und gibt ein gutes Gefühl des Verständnisses und der Geborgenheit.

Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist außerordentlich wichtig. Dabei zählt nicht nur die Fachkompetenz des Arztes, sondern es muss auch menschlich passen. Für „den guten Draht“ gibt es keine Kriterien, da sollte man sich einfach auf sein Bauchgefühl verlassen. Als Patient sollte man meiner Meinung nach auch gut informiert sein. Mit dem Internet gibt es heute ideale Möglichkeiten. Ich besuche z. B. mehrmals wöchentlich das Internetforum „Leukämie-Online“. Man muss zwar nicht alles bis ins letzte Detail wissen, das geht auch gar nicht, aber mit den

wesentlichen Untersuchungswerten sollte man sich schon auskennen. Das erleichtert auch die Gespräche mit dem behandelnden Arzt. Natürlich gibt es während der Erkrankung „gute und schlechte Zeiten“. Das ist einfach so. Aber auch Gesunde haben gute und schlechte Zeiten, das ist das ganz normale Leben. Wichtig ist, dass man schlechte Untersuchungsergebnis­ se nicht ignoriert, sondern versucht, sie zu verarbeiten. Die Art und Weise ist sicher von Patient zu Patient unterschiedlich, dafür gibt es kein „Rezept“. Und auch die dafür notwendige Zeit ist individuell

verschieden. Und wenn man das dann geschafft hat, geht das Leben auch wieder weiter. Und ein Letztes: Man darf die Hoffnung nicht aufgeben. In einem amerikanischen Forum, das ein an CML-Erkrankter betreibt, lautet eine Zeile: „Never give up“, auf Deutsch: „Gib niemals auf“. Und dazu gibt es eine tolle Karikatur: Ein Frosch drückt dem Storch, der ihn gerade fressen will, den Hals zu. Das verdeutlicht, dass man auch in ausweglosen Situationen um sein Leben kämpfen kann und kämpfen muss. Denn wie sagte schon Bertolt Brecht: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Quellen: Interview zwischen Harald Schmidt und Leben-mit-CML am 20.06.11; [1] Website des Bundesverbands Pharmazeutische Indus­ trie e. V. (zuletzt gesichtet am 28.06.11) Erstellt am: 24.06.11; Autor: Cornelia Dietz, autorisiert durch Harald Schmidt

Ich wünsche allen Erkrankten, dass sie diesen tiefen Einschnitt in ihr Leben annehmen können, eine gute Behandlung erfahren und trotz aller negativen Begleitumstände nicht verzweifeln, sondern sich über jeden Tag freuen, der ihnen geschenkt wird. Leben-mit-CML: Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Schmidt.

Die Initiative „Leben mit CML“ Die Initiative „Leben mit CML“ der Novartis Pharma GmbH möchte CML-Patienten und deren Angehörige unterstützen, bestmöglich mit der Erkrankung umgehen zu können. In enger Zusammenarbeit mit Fachärzten und Patienten hat die Initiative Materialien entwickelt, die zu Ihrer Information und Unterstützung im Alltag dienen. Auf der Homepage www.lebenmit-cml.de erhalten Sie Informationen rund um das Krankheitsbild CML. Hier können Sie sich online bei der Initiative „Leben mit CML“ anmelden, den E-Mail-Newsletter abonnieren und aktuelle Materialien bestellen CML-Hotline Die Mitarbeiter der CML-Hotline 0800 0454832 (kostenlos aus dem deutschen Festnetz und Mobilfunknetz) sind Montag bis Freitag, 8–18 Uhr, persönlich für Sie da, um Ihre individuellen Fragen zu CML zu beantworten. Sie können auch hier Materialien bestellen.

Weitere Ansprech­ partner, Informationen und Hilfe

Informationsangebote im Internet

Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe Bonn

www.leben-mit-cml.de

Telefon: 0228 33889-200 Telefax: 0228 33889-222 E-Mail: [email protected] Internet: www.leukaemie-hilfe.de

Informationsplattform der Patienten-Initiative „Leben mit CML“

Deutsche Krebshilfe e.V. Bonn

www.kompetenznetz-leukaemie.de Ausführliche Informationen zu Leukämie, Studienregister, Selbsthilfegruppen und Adressen von Experten

Telefon: 0228 72990-0 Telefax: 0228 72990-11 E-Mail: [email protected] Internet: www.krebshilfe.de

www.leukaemie-online.de

Deutsche Krebsgesellschaft e.V.

Deutsche Knochenmarkspenderdatei mit Spenderaufrufen und -gesuchen

Kuno-Fischer-Straße 8 14057 Berlin Telefon: 030 3229329-0 Telefax: 030 3229329-66 E-Mail: [email protected] Internet: www.krebsgesellschaft.de

KID – Krebsinformationsdienst des deutschen Krebsforschungszentrums E-Mail: krebsinformationsdienst @dkfz.de Internet: www.krebsinformationsdienst.de

Eine unabhängige Dialogplattform von Betroffenen für Betroffene

www.dkms.de

Novartis Pharma GmbH Roonstraße 25 90429 Nürnberg

315217 - 12/2012

CML-Hotline: 0800 0454832 (kostenlos aus dem deutschen Fest- und Mobilfunknetz) www.leben-mit-cml.de