Deutschkron-Stiftung / 12. November 2014

Nachdem die NPD Ende der 1960er Jahre knapp am Einzug in den Bundestag scheiterte, radikalisierten sich die Partei und vor allem viele ihrer Anhänger wieder.

1969 gründeten zwei NPD-Mitglieder die „Europäische Befreiungsfront“ (EBF). Die EBF definierte sich als „Kampfgruppe gegen den Kommunismus“, lagerte Sprengstoff und Waffen und plante angeblich einen Anschlag zur Verhinderung eines Treffens des damaligen Bundeskanzlers Brandt mit dem DDR-Ministerpräsidenten Stoph. Einen Tag vor dem Treffen in Kassel nahm die Polizei 14 Mitglieder der EBF fest. Die Europäische Befreiungsfront sollte ein Oberkommando haben, lokal sollten Zellen mit drei bis vier Mitgliedern agieren. Nach einem Prozess gegen mehrere Angeklagte Mitglieder der Gruppe kamen aber Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Pläne auf: Das Bemerkenswerte:

Der

Hauptangeklagte

hatte

als

„Vertrauensmann“

dem

Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz Informationen verkauft. Vor Gericht ließ sich letztendlich nicht mehr klären, ob er auch als Agent Provocateurs, als Agent, der andere anstachelt, aufgetreten war.

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Die Europäische Befreiungsfront entstand aus dem Umfeld der „Aktion Widerstand“. Diese hatte die NPD ins Leben gerufen, um als außerparlamentarische Sammelbewegung ein Auseinanderbrechen der Partei zu verhindern. Das einigende Thema

zwischen

Nazis

bis

rechter

Flügel

der

Union

war

der

krasse

Antikommunismus. Zahlreiche weitere rechtsextreme Organisationen schlossen sich der Aktion Widerstand an. Auf einem Gründungskongress der Aktion Widerstand im Oktober 1970 in Würzburg nahmen 3.000 Rechtsextremisten teil. Auf der anschließenden gewalttätig verlaufenden Demonstration erklangen die Sprechchöre „Walter Scheel und Willy Brandt - Volksverräter an die Wand“ oder „Deutsches Land wird nicht verschenkt - eher wird der Brandt gehängt“. Die NPD distanzierte sich danach von der Aktion Widerstand, weil die Bewegung einfach zu gewalttätig war – doch bis heute benutzt die Jugendorganisation der NPD den Namen weiter.

Nach dieser Distanzierung wurde die Organisation 1971 offiziell aufgelöst. Damit war diese militante Sammelbewegung aber natürlich nicht verschwunden. Nach der Auflösung gründeten Nazis kleinere militante Vereinigungen und Wehrsportgruppen: beispielsweise die Wehrsportgruppe Hengst, die Wehrsportgruppe Hoffmann, die "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten", die Volkssozialistische Bewegung

Deutschlands

/

Partei

der

Arbeit

oder

auch

die

Deutschen

Aktionsgruppen. In den folgenden Jahren planten und verübten Neonazis mehrere schwere Anschläge, sie griffen Polizisten und Linke, Migranten und Juden an, schmuggelten Waffen und töteten zahlreiche Menschen. Hinter diesen Attacken standen Gruppen , die aus den genannten militanten Organisationen hervorgegangen sind.

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Einige Beispiele: Im Jahr 1979 sollte im Fernsehen die Serie „Holocaust – die Geschichte der Familie Weiß“ ausgestrahlt werden. Peter Naumann, ein Rechtsterrorist und später in den Diensten eines NPD-Landtagsabgeordneten aus Zwickau, sprengte mit zwei Komplizen während der Ausstrahlung der einführenden Dokumentation zwei Sendemasten der ARD, um die Ausstrahlung zu verhindern. In etwa 100.000 Haushalten fiel das Erste deutsche Fernsehen daher aus. Im Jahr 1980 erschoss ein Mitglied der der „Volkssozialistischen Bewegung/Partei der Arbeit“ zwei Schweizer Grenzbeamte, die ihn offenkundig beim Schmuggeln von Waffen nach Deutschland erwischt hatten. Zwei weitere Grenzbeamte wurden schwer verletzt. Der Neonazi beging anschließend Selbstmord. Neonazis hatten sich zu dieser Zeit längst zum Untergrundkampf gerüstet, beispielsweise mit Anleitungen zum „Lautlosen Erledigen eines Wachpostens“. Ebenfalls 1980 wurde der bislang schwerste Terroranschlag in der Bundesrepublik verübt, als ein Neonazi auf dem Oktoberfest in München eine Bombe zündete. Die grauenhafte Bilanz: 13 Menschen wurden getötet und 211 verletzt, 68 davon schwer. Mehreren Opfern mussten die Beine amputiert werden. Bei dem Sprengsatz handelte es sich um eine Rohrbombe. Sie bestand aus einer zuvor entleerten Mörsergranate, die mit 1,4 Kilogramm TNT wieder befüllt und in einen mit Schrauben und Nägeln gefüllten Feuerlöscher gesteckt worden war. Die Ermittler fanden nahe des Explosionszentrums den Personalausweis von Gundolf Köhler. Er war als Anhänger der Wehrsportgruppe Hoffmann bei den Behörden bekannt. Köhler wurde der Öffentlichkeit

als Einzeltäter präsentiert, eine Darstellung, die bis heute höchst

umstritten ist. Als Köhlers Motiv wurden private Beziehungsprobleme und Misserfolge in seiner Ausbildung vermutet. Einschätzungen, die ebenfalls höchst umstritten sind. Daher ist immer wieder versucht worden, eine Neuaufnahme der Ermittlungen zu erreichen. Bislang erfolglos. Ebenfalls 1980 ermordete ein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann in Erlangen den Verleger und Rabbi Shlomo Levin und dessen Lebensgefährtin – die Polizei suchte den Täter übrigens zunächst unter den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde. Es gab viele weitere Todesopfer von Neonazis. Aus diesen Jahren liegen nur offizielle Zahlen vor, man kann also von einer Dunkelziffer ausgehen: Der 3

Verfassungsschutz führte in seinem Bericht für 1981 aus, dass es allein in diesem Jahr nur in der alten Bundesrepublik 17 versuchte Tötungsdelikte mit vier Toten gegeben habe. 1982 waren es dann sechs versuchte Tötungsdelikte mit drei Toten, dazu fünf Sprengstoff- sowie 15 Brandanschläge. Zudem führte der Verfassungsschutz unter der Überschrift „Einzelfälle“ einen dreifachen Mord eines Neonazis in Nürnberg auf, der einen US-Soldaten, einen USZivilisten sowie einen Ägypter erschoss und weitere Menschen schwer verletzte. Der SPIEGEL schrieb damals: „Ein Libyer blieb mit zerfetztem Unterkiefer liegen, der Ägypter Mohamed Ehap, 21, der sich zur Schulung in Deutschland aufhält, starb auf der Stelle – das 22 Todesopfer, das rechtsradikaler Terror in der Bundesrepublik seit 1980 gefordert hat.“ 22 Opfer innerhalb von zwei Jahren. Der Geheimdienst notierte zudem in seinem Bericht für 1982: "Deutsche Neonazis beschafften sich wiederholt Waffen, Munition und Sprengstoff im Ausland", und sie "erörterten mit ihren politischen Freunden Zielpersonen und -objekte für ihre Anschläge". Die 20 Sprengstoff- und Brandanschläge, die im Jahr 1982 festgestellt wurden, richteten sich vornehmlich gegen Ausländer, so der Verfassungsschutz weiter.

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Die Gefahr durch Neonazis war für viele Migranten also durchaus akut. Aber das war noch nicht alles Ebenfalls 1982 übergoss sich im Hamburger Stadtteil St. Pauli eine Türkin selbst mit Benzin - und verbrannte sich. Semra Ertan ist heute so gut wie vergessen. Aus Verzweiflung wollte sie mit ihrem Selbstmord ein Zeichen setzen – gegen die wachsende Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik. Die taz berichtete damals, die Frau sei durch rassistische Erniedrigungen “Nervenkrank” geworden. Ertan habe Gedichte geschrieben, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. “Mein Name ist Ausländer” lautete eine Überschrift. Beim NDR-Hörfunk rief sie wenige Tage vor ihrer Selbsttötung an und sagte zu ihren Arbeits- und Lebensbedingungen in Deutschland: “Wenigstens sollten wir hier nicht 5

wie Hunde behandelt werden von den Deutschen.” Sie möchte von Behörden und Mitbürgern wie ein Mensch behandelt werden. Zu dem Alltagsrassismus kam die offene Gefahr durch Neonazi-Banden, die in und um Hamburg erstmals den Schulterschluss mit Subkulturen, vor allem Fußballfans des HSV, schafften. Am 20. April 1989 stand der 100. Geburtstag von Adolf Hitler an. Neonazis hatten europaweit jahrelang auf diesen Tag hingearbeitet – und mit Angriffen auf Migranten gedroht. Diese Gefahr wurde als so akut eingeschätzt, dass in Hamburg Kinder von Migranten an diesem Tag nicht zur Schule gehen brauchten. In einigen Stadtteilen blieben so gut wie alle Schüler mit ausländischen Eltern zu Hause. In einigen Schulen und auch Kindergärten herrschte gespenstische Ruhe. In Wilhelmsburg, ein Hamburger Stadtteil im Süden der Stadt, ließen Geschäftsinhaber ihre Läden geschlossen. Tatsächlich kam es rund um den 20. April 1989 dann vereinzelt zu Aktionen von Neonazis: Aus Berlin wurden Schlägereien zwischen antifaschistischen Jugendlichen und Nazi-Skinheads vermeldet. In Neukölln wurde laut taz ein türkischer Friedhof verwüstet. Erheblicher Sachschaden entstand durch Feuer in einer Neuköllner Grundschule: Rechtsextremisten hatten zwei Fenster eingeworfen und brennbare Flüssigkeit in zwei Klassenräume gegossen. In Essen besetzten fünf Neonazis das lokale Büro der Nachrichtenagentur dpa.

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Damals entwickelten braune Strippenzieher um den Neonazi-Führer Michael Kühnen bereits die Strategie von subkulturell geprägten Kameradschaften, die später in Ostdeutschland mit einer enormen Basis mit Leben erfüllt werden konnten. Die Generation von Migranten, die bereits als Jugendliche Ende der 80er Jahre mit rassistischer Gewalt konfrontiert waren, wurden später, als sie erwachsen waren, zur Zielscheibe des NSU. Für diese Generation war eine latente Bedrohung durch Neonazis nichts neues, genau so wenig wie Benachteiligung und Diskriminierung durch staatliche Stellen im Alltag. Hamburgs damaliger Innensenator Werner Hackmann sprach 1989 aus, warum die Verunsicherung bei vielen Migranten so enorm war: Ursache sei die latente Ausländerfeindlichkeit der Deutschen, zudem hätten Migranten nur geringes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden. Dieses Restvertrauen sollte dann später bei der NSU-Terrorserie endgültig zerstört werden. Aber zunächst folgte in den 90er Jahren in einer aggressiven gesellschaftlichen Stimmung der Brandanschlag von Lübeck mit zehn Todesopfern, angeblich von einem Bewohner des Hauses verübt, obgleich fast alles dagegen sprach. Es folgten die mehrfachen Morde von Mölln und Solingen, wo Kinder verbrannten. Es folgten

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die volksfestartigen rassistischen Angriffe in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen sowie Dutzende weitere Brandanschläge. In diesen Jahren konnten junge Neonazis wie Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt lernen, dass man mit Gewalt und Terror die eigenen Ziele durchaus erreichen kann: Politiker und Medien benutzen die rassistische Gewaltwelle noch als Argument dafür, das Grundrecht auf Asyl faktisch abzuschaffen, weil die Bevölkerung überfordert sei. In Lichtenhagen und Hoyerswerda wurden Menschen vor dem braunen Mob in Sicherheit gebracht, weil die Polizei einfach vor der Gewalt kapitulierte. In meiner Liste von Beispielen fehlen noch zahlreiche Kleingruppen von Rechtsterroristen, es gab Dutzende Funde von ganzen Waffenlagern. Auch in der DDR wurden Migranten und Juden angegriffen, doch hier ist die Quellenlage noch schlechter.

Der NSU konnte aber somit auf eine langjährige Erfahrung von Rechtsterroristen aufbauen, deren Strategien in der Szene jahrelang diskutiert und auch ausprobiert wurden – auch international.

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Leaderless

resistance,

führerloser

Widerstand,

zellenartige

Strukturen,

die

Finanzierung des Kampfes - das waren alles Gedanken, die beispielsweise bereits die Deutschen Aktionsgruppen durchdacht hatten. Angeleitet von dem Nazi Manfred Roeder

verübte

die

Terrorzelle

im

Jahr

1980

zwei

Brand-

und

fünf

Sprengstoffanschläge. Sie richteten sich gegen das Landratsamt Esslingen aufgrund einer dort gezeigten Auschwitz-Ausstellung und gegen das Wohnhaus des dafür verantwortlichen Landrats. Dem schlossen sich gewalttätige Aktionen gegen die Unterkünfte von Asylbewerbern an. So verübte die Terrorzelle auch in Hamburg einen Brandanschlag, wobei zwei junge Vietnamesen getötet wurden. Roeder wurde zu 13 Jahren Haft verurteilt, aber schon 1990 vorzeitig aus der Haft entlassen. Er galt als Märtyrer und Vorbild in der Neonazi-Szene. Und so ist es auch kein Zufall gewesen, dass bei einem weiteren Prozess gegen Roeder im Jahr 1996 in Erfurt der spätere NSU und dessen Wegbegleiter auftauchten: Uwe Böhnhardt, Ralf Wohlleben, Andre Kapke, Uwe Mundlos waren unter anderem dabei. Roeder, der kürzlich verstorben ist, kandidierte 1997 für die NPD

und

war

gleichzeitig

die

personelle

Schnittstelle

zwischen

dem

Rechtsterrorismus der 1980er und dem der 2000er Jahre. Das Konzept der Deutschen Aktionsgruppen glich bemerkenswert dem des NSU: Eine Zelle aus zwei Männern und einer Frau, die durch Deutschland reist und Anschläge verübt und sich durch Banküberfälle finanzieren sollte – wobei der NSU weit professioneller vorging. Auf seinem Hof in Hessen organisierte Roeder immer wieder Neonazi-Treffen, auch Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes sollen dabei gewesen sein. Dazu verfügte Roeder über beste internationale Kontakte nach Südafrika, in den Iran und nach Südamerika. Die zahlreichen Anschläge der Neonazis richteten sich gegen verschiedene Gruppen:

Migranten,

politische

Gegner

und

jüdische

Bürger

oder

deren

Einrichtungen. Der Antisemitismus ist eine identitätsstiftende Konstante, die Schuldabwehr spielt bis heute eine zentrale Rolle bei Neonazis. Und so auch im Rechtsterrorismus. Neben den erwähnten Anschlägen auf Sendemasten wegen der Ausstrahlung der Serie Holocaust sowie dem Mord an einem jüdischen Verleger und dessen Frau, gab es zahlreiche weitere Anschläge. So planten bekannte Neonazis

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im Jahr 2003 einen Anschlag auf die Grundsteinlegung für das jüdische Gemeindezentrum in München. Rechtsextremer Terror ist also weder ein neues, noch ein rein deutsches Phänomen. Europaweit wurden in den vergangenen Jahrzehnten Hunderte Menschen getötet. Den schwersten Anschlag der vergangenen Jahre verübte der Norweger Anders Breivik, der am 11. Juli 2011 in Oslo und auf Utöya 77 Menschen ermordete, die meisten waren sozialdemokratische Jugendliche. Die rechtsextreme Gewalt und der Neonazi-Terror haben seit Ende der 1970er Jahre allein in Deutschland schätzungsweise weit mehr als 200 Menschen das Leben gekostet. Dennoch war bis zur Selbstenttarnung des NSU stets die Rede davon, es existiere kein Rechtsterrorismus in Deutschland. Die meisten Terroranschläge wurden als Taten von Einzelnen abgetan. Netzwerke konnte oder wollte man nicht sehen. Und auch jetzt geht die Verharmlosung weiter: Vor dem Aufmarsch von fast 5000 rechten Hooligans in Köln war die Polizei überrumpelt worden – die Gefahr war schlicht unterschätzt worden. Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte schaffen es gerade mal in regionale Medien. Die Geschichte der rechten Gewalt ist längst noch nicht zu Ende. Aber: NSU und rechtsextreme Gewalttäter sind Symptome von Missständen, nicht deren Ursache. Schaut man in den braunen Abgrund, spiegeln sich die Unzulänglichkeiten und Vorurteile der Mehrheitsgesellschaft wider. Die Hooligans gegen Salafisten marschieren nicht zufällig jetzt auf – sondern weil sie sich als Vollstrecker eines geheimen Volkswillens fühlen. Auch die rassistische Gewaltwelle in den 1990er Jahre fiel in eine Zeit, als aggressiv gegen Flüchtlinge polemisiert wurde, sowohl in Medien als auch in der Politik. Und die antisemitischen Demonstrationen zum Gaza-Krieg, wo dogmatische Linksradikale, Islamisten und sogar Neonazis gegen Israel marschierten, werden von einer sogenannten Israelkritik des Mainstreams begleitet. Erst dichtet der Nobelpreisträger, dann marschiert der Mob. Die alte Geschichte vom Biedermann und Brandstifter. „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit stellt den ideologisch-weltanschaulichen Vorrat bereit, aus dem Rechtsextreme ihre Legitimation ziehen können“, bringt es der Wissenschaftler Wilhelm Heitmeyer auf den Punkt. „Der Versuch zu suggerieren, es gebe eine intakte Gesellschaft und jenseits davon rechtsextreme Straftäter und 10

Terroristen, funktioniert nicht.“ Bei dieser Strategie handelt es sich „um nichts anderes als eine gesellschaftliche Entlastungsstrategie und insofern eine politische Selbsttäuschung“. Unser Hauptproblem sind menschenfeindliche Einstellungen. Der Rechtsterrorismus ist lediglich die gewalttätigste Form der Menschenverachtung. Alle die oben erwähnten Taten haben eins gemeinsam: Die Täter müssen weder dumm noch im klinischen Sinne wahnsinnig gewesen sein – sondern lediglich überzeugt von ihren Ideen und bereit für eine größere Sache zu töten und zu sterben – um unsterblich zu werden, wie es unter anderem Neonazis propagieren. Dafür werden einige im Zweifelsfall töten und sterben – wenn nötig beides. Nichts davon ist neu, es ist der Kern des Faschismus und des Nationalsozialismus – so wie im weiteren Sinne jeder Erlösungsideologie.

Der NSU folgte einem Leitmotiv: „Taten statt Worte!“. Dieses Motiv ist so alt, wie der Faschismus selbst. Denn die Vernichtung ist der Kern des Faschismus. Es geht nur darum, wie intensiv der Rechtsextremismus ausgelebt wird. Bei der rassistischen Propaganda bleibt es bei verbaler Gewalt. Die Übergänge zur Gewalttat sind aber fließend. Neonazis und andere Rassisten fühlen sich von öffentlichen Debatten über 11

„Zuwanderung in die Sozialsystem“ und „Flüchtlingswellen“ zumindest ermutigt, selbst zur Tat zu schreiten, die Diskussionen abzukürzen. Diskussionen und Kompromisse sind nicht ihre Sache, das vereint den rassistischen Hooligan mit einem organisierten Rechtsterroristen: Gewalt und Terror sind ihre Rezepte, um Konflikte zu lösen. Luigi Freddi, einer der Vordenker des italienischen Faschismus, brachte diesen Kern des Faschismus auf den Punkt: Kein Gerede, sondern Taten. Er sagte: „Der Faustschlag ist die Synthese der Theorie. […] Der gut gesetzte Faustschlag setzt jeder sinnlosen Polemik ein Ende, zum vollen Vorteil der Kürze und der Kraftersparnis. Es gibt nichts Präziseres. Nichts ist eine stärkere Zusammenfassung als ein Pistolenschuss. Er erreicht das Ziel noch mit der Anfangsgeschwindigkeit von 300 Metern pro Sekunde. Und schließt seine Arbeit sofort ab, ernsthaft. […] Höchst effizient, weil er die Möglichkeit einer weiteren Fortsetzung der Diskussion für immer ausschließt.”

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