11 Memorial and Museum

Erinnerung an ein tragisches Kapitel in Amerikas Kultur – Besuch des „9/11 Memorial and Museum“ 14 Tage in Amerika – ein großes Abenteuer für uns, 12...
Author: Berthold Gerber
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Erinnerung an ein tragisches Kapitel in Amerikas Kultur – Besuch des „9/11 Memorial and Museum“

14 Tage in Amerika – ein großes Abenteuer für uns, 12 Schülerinnen und Schüler des Projektseminars „USA – Germany: Communication and Culture“ 2014/16. Zusammen mit Herrn Buntz genossen wir die Reise in vollen Zügen – und tauchten völlig in eine neue Kultur ein. Wie auch in den Jahren zuvor verlebte unsere Gruppe eine unvergessliche Zeit mit Höhen, vereinzelten Tiefen und vielen Highlights. Ein besonderes Erlebnis war der Tagesausflug nach New York City, bei dem wir als erste Austauschgruppe die Möglichkeit wahrnehmen konnten, das 9/11 Memorial und dazugehörige Museum zu besuchen.

Die P-Seminargruppe 2014/16

Der 11. September 2001 mit den grauenhaften Anschlägen der Terrorgruppe al-Quaida hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Vereinigten Staaten eingebrannt. Die Entführung von vier Flugzeugen, die Anschläge auf Washington D. C., das World Trade Center in New York City und das Pentagon in Arlington forderten rund 3000 Menschenleben. Die Auswirkungen dieses

schrecklichen Tages sind alltäglich zu spüren: scharfe Sicherheitskontrollen bei der Einreise in die USA und dem Betreten öffentlicher Gebäude, harte außenpolitische Maßnahmen sowie eine währende Betroffenheit der Menschen, welche für uns, die wir damals Kinder auf einem anderen Kontinent waren, bei der Befassung mit der „amerikanischen“ Kultur deutlich zu Tage tritt. Die Frage nach einem adäquaten Denkmal für die Opfer sowie einem neuen Symbol für die Stadt, wie die Twin Tower des World Trade Centers es waren, blieb lange Zeit unbeantwortet und umstritten. Der Freedom Tower, oder auch One World Trade Center, der die Lücke in NYCs Skyline schließen sollte, erfüllte seinen Zweck nicht. Mit Eröffnung des 9/11 Memorials scheint dies nun ansatzweise gelungen zu sein, wobei die Privatsphäre der Opfer respektvoll gewahrt und ein würdiges Zeichen gesetzt wird.

Mein Ticket zum 9/11 Memorial Museum

Das 9/11 Memorial besteht nämlich aus zwei Teilen: einem Denkmal und einem Museum. Es wird an den Bombenanschlag vom 26. Februar 1993 und die Zerstörung der Twin Tower am 11. September 2001 erinnert. Als wir am 29. Oktober 2014 vormittags aus unserem Bus stiegen, waren wir eine aufgedrehte Gruppe. Bei Ankunft am Ground Zero, dem Platz, auf dem die Twin Tower gestanden hatten, änderte sich das zunächst nicht – kaum einer von uns realisierte die Bedeutung dieser Stätte.

„Reflecting Absence“, der Titel der Gedenkstätte, konzipiert von Daniel Libeskind, weiterentwickelt und ausgeführt von Handel Architects, Peter Walker und anderen, besteht aus zwei quadratischen Wasserbecken auf den „footprints“ der Twin Tower, also auf den Grundlinien. Ebenso wie bei dem 2001 zerstörten Denkmal des Bombenanschlags von 1993 sind die Namen der Opfer beider Attentate in den Rand der Pools eingraviert. Die Wasserfälle, die gewaltig und unaufhörlich hinabrauschen, hinterließen bei uns ersten Eindruck. Die abstrahierte Nachahmung des Einstürzens der Türme verdeutlicht - wie der Titel des Memorials bereits verrät - eine simple Tatsache: ihr Fehlen. Aus der Mitte der Becken strahlen bei Nacht zwei Lichtsäulen gen Himmel. Diese verbildlichte Inversion des Einstürzens der Twin Tower wird durch das unterirdische Museum fortgeführt. In allen Räumen gibt es klar gekennzeichnete Ausgänge und Personal, das bereitwillig Fragen beantwortet oder einen hinausgeleitet, falls einen Horror, Entsetzen oder Trauer überwältigen. Denn das Museum informiert seine Besucher nicht nur über Fakten, sondern berührt auf tieferer Ebene. Nach einem gründlichen Sicherheitscheck gelangten wir über eine lange Rampe aus glattem Beton ins unterste Geschoss der ehemaligen Twin Tower. Der Weg nach unten stimmt auf das Bevorstehende ein; es erklingen Stimmen, die Erinnerungen und Eindrücke aus verschiedensten Perspektiven wiedergeben. Neben Informationstafeln über das World Trade Center wird das stark beschädigte Dedication Pedestal, das ursprünglich vor dem Center positioniert war, ausgestellt. Auf der eigentlichen Museumsebene wird man überwältigt von der schieren Größe des Museums. Die Orientierung erscheint zunächst schwierig, denn die Aufteilung der Räume ist verwirrend. Doch zeigt sich hier die Leistung dieses Denkmals, der Spagat zwischen archäologischer Ausstellung und Ehrung der Toten.

Die Memorial Hall zwischen den Nord- und Südarealen der Türme ist von einzelnen, ausdrucksstarken

Gegenständen

und

Kunstwerken

geprägt, wie Spencer Finchs Mosaik aus 2983 Tafeln in verschiedenen Blaunuancierungen, die Abbildung des Versuchs,

sich

an

die

Himmelsfarbe

jenes

Septembermorgens zu erinnern. In der Mitte prangt ein Zitat von Vergil: „No day shall erase you from the memory of time“, ein Versprechen an die Opfer. Ins Auge stechen auch die bizarr verbogenen Stahlträger der Türme, die sich, die rohe Gewalt der Anschläge demonstrierend, in die Höhe recken.

South Exhibition: Orientierung

North Exhibition: Orientierung

Auf der Seite des Südturms betritt man separate Ausstellungsräume (Memorial Exhibition), in denen sich der Opfer erinnert wird. 2983 Gesichter schauen einen von der Wand aus an. Botschaften und Erinnerungen von Familie und Freunden werden in einem kleinen dunklen Raum in der Mitte abgespielt. Durch die dämmerigen Lichtverhältnisse erhält der Raum eine Krypta-ähnliche Atmosphäre, die Würde der Toten wird gewahrt. Die Betroffenheit der Besucher steigt.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Memorial Hall, vorbei an auseinandergerissenen Feuerwehrautos, findet sich die Historical Exhibition. In dieser Ausstellung fanden wir uns überwältigt von der ganzen Tragik des 11. Septembers, der Vielschichtigkeit der Geschehnisse und der Vielzahl verschiedener Schicksale. Erstmals wird einem bewusst, insbesondere wenn man diesen Tag nicht miterlebt hat oder sich der Ereignisse kaum bewusst war, wie sich ein Menschenleben, eine Stadt, eine Nation innerhalb von 1 Stunde und 42 Minuten für immer verändern können. Ein Sammelsurium an Informationen reißt einen mit in den Strudel der Ereignisse. Letzte telefonische Nachrichten aus den entführten Flugzeugen, Videos von verzweifelten Menschen, die sich aus den oberen Stockwerken der Twin Tower stürzen, einzelne angebrannte Schuhe, weiß von der Staubwolke der zerberstenden Hochhäuser, Fotos von staubbedeckten entschlossenen Suchmannschaften, Funksprüche, immer wieder der Zusammenbruch der Türme – der Versuch eine Katastrophe darzustellen, die keiner für möglich hielt. In den anschließenden Räumen wird gezeigt, was folgte. Denkmäler, Hilfsaktionen, die Verarbeitung in der Kunst und der Wiederaufbau der Innenstadt New Yorks. Es kommt den Besuchern fast wie ein Wunder vor, dass diese Apokalypse, die sie eben im Schnelldurchlauf erlebten, tatsächlich überwunden wurde, dass es weiterging.

Foundation Hall

Demoliertes Feuerwehrauto

Obwohl das einen der strittigsten Punkte des Projektes darstellte, werden in der Ausstellung auch die Täter behandelt. Wer nicht mit den Terroristen und der Geschichte al-Quaidas konfrontiert werden möchte, kann die Räumlichkeiten vorzeitig verlassen. Tatsächlich bewirkt die Darstellung der Täter keine großen Gefühlsregungen. Wer sich die Mühe macht, sich über die Glasvitrine zu beugen und den Selbstmordattentätern ins Gesicht zu blicken, wird eher ernüchtert angesichts der Tatsache, dass auch diese grausamen Verbrecher menschliche Gesichtszüge haben. Die akribisch genaue Berichterstattung über die Verfolgung al-Quaidas mit der finalen Exekution Osama bin Ladens mag Genugtuung verschaffen, kann aber im Kontext der erschütternden vorausgegangenen Exhibition auch etwas geschmacklos erscheinen. Trotz der vielen Schwierigkeiten, die bei der Planung und Ausführung des Mahnmals auftraten, scheint das Projekt im Rahmen des Möglichen gelungen zu sein. Das Unglück vom 11. September 2001 war eine schreckliche Tragödie, die nur mit der Zeit verarbeitet wurde und werden kann. Auch die Eröffnung des Museums fast 13 Jahre später stellt einen Schritt im Prozess der Verarbeitung dar, indem ein Weg gefunden wurde, die Ereignisse klar darzustellen und sich gleichzeitig den Horror dieses Tages zu vergegenwärtigen. Großteils etwas erschüttert verbrachten wir den restlichen Tag in New York mit leichteren Aktivitäten und hatten eine großartige Zeit auf dem Times Square, dem Empire State Building und vielem mehr. Besonders in Erinnerung ist mir persönlich jedoch auch das 9/11 Memorial am Ground Zero geblieben; ein Besuch ist definitiv zu empfehlen! Falls ich je wieder nach „the Big Apple“ New York City komme – und das habe ich fest vor – nehme ich mir auf jeden Fall Zeit, um mich nochmals vertieft mit jenem Unglück zu befassen, das einen ganzen Kontinent so gravierend prägte.

Sarah Yazici – Q12