11 Kapitalverkehr und Wechselkurs

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS 11 11.1 AVWL II 203 Kapitalverkehr und Wechselkurs Zahlungsbilanz Statistisch sind die Finanzstr¨ome in der Z...
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11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

11

11.1

AVWL II 203

Kapitalverkehr und Wechselkurs

Zahlungsbilanz

Statistisch sind die Finanzstr¨ome in der Zahlungsbilanz abgelegt. Die Zahlungsbilanz registriert den Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland, d.h. den Austausch von G¨ utern, Dienstleistungen und finanziellen Anspr¨ uchen zwischen Wirtschaftseinheiten des Inlands und des Auslands. Die Zahlungsilanz enth¨alt verschiedene Zeilbilanzen: Handelsbilanz und Dienstleistungsbi¨ lanz ergeben zusammen mit der Ubertragungsbilanz die Leistungsbilanz. Das Gegenstand ist die Kapitalbilanz. Schauen wir auf die Zahlen von Deutschland im Jahre 2007 (vgl. Abb. 3). ¨ Der positive Außenbeitrag wird in der Zahlungsbilanz durch Ubersch¨ usse in der Handelsbilanz und/oder der Dienstleistungsbilanz reflektiert. Dabei bezieht sich die Handelsbilanz nur auf den Warenverkehr, die Dienstleistungsbilanz auf den grenz¨ uberschreitenden Austausch von Dienstleistungen. Es muss keineswegs sein, dass der Außenbeitrag positiv ist ¨ und mithin Handels- und Dienstleistungsbilanzen im Uberschuss sind. Nehmen Sie zum Beispiel die USA: Dort ist vor allem die Handelsbilanz negativ, man spricht von defizit¨ar. ¨ Dennoch werden Ubersch¨ usse in der Leistungsbilanz oft positiv gewertet. Warum? Hier ist wichtig zu verstehen, dass zu den G¨ uterstr¨omen nat¨ urlich immer auch umgekehrte Zah-

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Tabelle 3: Zahlungsbilanz 2007

I. Leistungsbilanz Aussenhandel Erg¨anzungen Dienstleistungen Erwerbs- und Verm¨ogenseink. ¨ Laufende Ubertragungen Saldo der Leistungsbilanz II. Saldo der Verm¨ogens¨ ubertragungen III. Kapitalbilanz Direktinvestitionen Wertpapiere ¨ Ubriger Kapitalverkehr Reserven Saldo IV. Statistische Diskrepanz

Ausland

Inland

Saldo

969

770

161

178

+ 199 -9 -16 + 42 -31 + 184 +0

122 204 323

37 258 125

Werte f¨ ur 2007 in Mrd e. Quelle: Bundesbank.

- 85 + 63 - 198 -1 -221 +36

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lungsstr¨ome laufen. Das hat uns bislang wenig interessiert, da wir bislang ein geschlossenes System beobachtet haben. Im Kontext des Handels kommt es aber zu Zahlungsverkehr mit ¨ dem Ausland. Ubersch¨ usse oder -defizite sind von daher im Kontext des internationalen Finanzsystems zu sehen. ¨ Um das zu verstehen, u bedeutet: Wir ¨berlegen Sie sich, was ein Handelsbilanz-Uberschuss verkaufen mehr Waren ins Ausland als wir kaufen. Damit bekommen wir im Gegenstrom mehr Geld als wir ausgeben. Nun versetzen Sie sich in die Zeit von Ludwig dem XIV. Wenn ¨ Frankreich Ubersch¨ usse erzielen konnte, kam Gold ins Land, ein Teil davon wanderte in die staatliche Schatzkammer und erh¨ohte die Reserven f¨ ur den n¨achsten Schloßbau oder den n¨achsten Krieg. In der Tat hat die damalige Wirtschafts- und Finanzpolitik stets versucht, ¨ Ubersch¨ usse zu erzielen. In der Tradition der Wirtschaftspolitik geh¨ort dies in das Kapitel des Merkantilismus. Um der weiteren Diskussion hier vorzugreifen: diese Sichtweise ist fragw¨ urdig, denn Gold ist kein Wert an sich. Die Kaufkraft des Goldes variiert: wenn das ¨ Land pausenlos Ubersch¨ usse anh¨auft, steigt damit automatisch die Geldmenge im Inland, im Ausland sinkt sie, die Preise im Ausland fallen, die im Inland steigen. Wir hatten oben schon vermerkt, dass die offene Volkswirtschaft nicht nur durch Handel gekennzeichnet ist, sondern auch durch internationale Finanzstr¨ome. Die haben eine erhebliche Bedeutung f¨ ur die Wechselkursentwicklung. Um dies zu sehen, lassen Sie uns noch ein¨ mal auf den Handelsbilanz¨ uberschuss eingehen. Was passiert denn mit einem Uberschuss? ¨ Der Uberschuss bedeutet zun¨achst, dass mehr Devisen ins Land kommen als hinausgehen. Was passiert mit diesem Geld? Hier gibt es im Wesentlichen zwei Alternativen:

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1. Es wird in heimische W¨ahrung umgetauscht. 2. Es wird ans Ausland verliehen bzw. im Ausland investiert.

¨ Die negative Kapitalbilanz zeigt, dass Deutschland Ubersch¨ usse im Handel macht und zugleich in erheblichem Umfang Mittel im Ausland anlegt. Hier wird die Kapitalmobilit¨at deutlich: sieht man von Risiken ab, gibt es kaum Restriktionen, die Deutsche davon abhalten, ihr Geld im Ausland anzulegen. ¨ Der Uberschuss in der Handelsbilanz kann also nicht allein mit dem Wechselkurs, sondern auch mit Faktoren im Zusammenhang stehen, die mit hoher Ersparnis zu tun haben, oder mit Faktoren, die mit geringen Investitionen zu tun haben. Dies wird zum Beispiel deutlich, wenn wir staatlichen und privaten Konsum trennen:

Y = C + G + I + NX

Dann gilt f¨ ur die Ersparnis

S = Y − C − T = G + I + N X − T.

Und so (S − I) + (T − G) = N X.

Ein Handelsbilanz¨ uberschuss reflektiert demnach auch Einnahme¨ ubersch¨ usse des Staates, ein Defizit kann auch durch ein Defizit des Staates verursacht sein.

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Ber¨ uhmt/ber¨ uchtigt, ist die amerikanische Situation der ’Twin Deficits’. Das hohe Defizit im Staatshaushalt ist in diesem Fall zumindest eine Erkl¨arung f¨ ur das große Defizit in der Handelsbilanz.

11.2

Investitionen und Ersparnis bei Kapitalmobilit¨ at

Die Kapitalmobilit¨at hat einige wichtige Implikationen f¨ ur die Makro¨okonomik. Die vielleicht wichtigste Implikation ist, dass die heimischen Investitionen nicht mehr durch die Ersparnis bestimmt werden. Betrachten wir die Gleichgewichtsbedingung und lassen den Staat der Einffachheit halber weg. Y = C + I + NX

Umformung liefert die Ersparnis

S = Y − C = I + NX

Es gibt hier also zwei Anlageformen f¨ ur Ersparnisse: Investitionen im Inland und Erwerb von Forderungen gegen¨ uber dem Ausland sei es durch Investitionen oder Finanzanlagen. Wenn also die Ersparnisse eine andere H¨ohe als die Investitionen haben, resultiert eine unausgeglichene Handelsbilanz. Im Falle Deutschlands haben wir S > I und N X > 0. ¨ Nun wissen wir, dass ein Uberschuss in der Handelsbilanz Devisen ins Land bringt. Wenn

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wir annehmen, dass diese komplett in heimische W¨ahrung umgetauscht werden, dann kommt es tendenziell zu einer Aufwertung, die, wie wir oben besprochen haben, dazu f¨ uhrt, dass die Handelsbilanz¨ ubersch¨ usse abnehmen. Letztlich k¨onnte man daher versucht ¨ sein, alle solche Ubersch¨ usse als Ungleichgewichtssituation abzutun. Langfristig w¨are dann die Handelsbilanz immer ausgeglichen und die Ersparnisse bestimmen die Investitionen. Man k¨onnte jedoch auch anderer Auffassung sein. Wenn beispielsweise an einem Standort viel investiert wird, von ausl¨andischen Anlegern, aber auch von inl¨andischen Anlegern, kommt es zu einem Kapitalzufluss. Der k¨onnte ebenfalls zu einer Aufwertung f¨ uhren und die Handelsbilanz ins Defizit bringen. Die Ersparnisse spielen dann keine Rolle f¨ ur Investitionen, sondern schlagen sich nur im Kapitalverkehr und der Handelsbilanz nieder. Bis in die j¨ ungere Vergangenheit bestand ein enger Zusammenhang zwischen Ersparnissen und Investitionen obschon Kapitalverkehrskontrollen seit den 60er Jahren in den meisten Industriel¨andern nicht mehr bestehen. Der enge Zusammenhang zwischen Ersparnis und Investitionen trotz Kapitalmobilit¨at ist als Feldstein/Horioka Puzzle bekannt. Dabei geht es um die Korrelation von Ersparnis und Investitionen.

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  I = α+ Y t

0.89

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  S + ut Y t

(0.07)

R2 = 0.90

Allerdings hat sich dieser Zusammenhang deutlich abgeschw¨acht hat. Hier zeigt sich der Trend zur Globalisierung (vgl. Stefan Sinn, 1992), Economic Journal 102, 1162-1170). Er hat Daten f¨ ur OECD Staaten zusammengetragen, die es erlauben, die Entwicklung u ¨ber die Zeit zu messen. Abbildung 68 zeigt seine Ergebnisse.

11.3

Zins und Wechselkurs

Aufgrund der Zahlungsbilanz wissen wir, dass ein positiver oder negativer Außenbeitrag mit Kapitalbewegungen im Einklang steht, die sich im Wechselkurs niederschlagen k¨onnen. Wir haben aber nicht genau bestimmt, wie dieser Zusammenhang aussieht. Ein Ansatzpunkt f¨ ur eine Ber¨ ucksichtigung im Rahmen unsereres Modells ist, den Kapitalmarkt zu erweitern. Hierzu betrachten wir zwei Anlageformen, n¨amlich inl¨andische und

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Abbildung 68: Feldstein-Horioka Puzzle is Diminishing

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ausl¨andische Anlagen, sagen wir, deutsche und US Schatzbriefe. Bei den deutschen Briefen erhalte ich f¨ ur eine Investition von e 1 nach einer Periode e (1 + i). Wenn ich dagegen US Papiere kaufe, muss ich zun¨achst den Wechselkurs ber¨ ucksichtigen, zusammen mit der Verzinsung in den USA ist der Ertrag E (1 + i∗ ) . Wenn ich jetzt eine Erwartung dar¨ uber bilde, wie hoch der Wechselkurs zu Beginn der Folgeperiode e ist (E+1 ), ist der erwartete Ertrag

E(1+i∗ ) . e E+1

Wenn die H¨andler nun im Rahmen von soge-

nannten Arbitrage-Gesch¨aften jeweils das g¨ unstigere Modell w¨ahlen, m¨ usste schließlich ein Arbitrage-Gleichgewicht resultieren, so dass

1+i=

E (1 + i∗ ) e E+1

bzw. 1 + i = (1 + i∗ )

E . e E+1

Dies ist die sogenannte “Zinsparit¨at”. Umformung liefert:



1 + i = (1 + i)



e E+1 E

 .

bzw.   e E+1 −E 1 + i = (1 + i) 1 + . E ∗

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Machen wir Gebrauch von unserer N¨aherungsformel, dann gilt

i∗ = i +

e E+1 −E . E

i = i∗ −

e −E E+1 . E

bzw.

Wenn wir also erwarten, dass der laufende Wechselkurs gleich dem erwarteten Wechselkurs e = E), m¨ ussen sich die beiden Zinss¨atze angleichen. ist (E+1

Wir k¨onnen die Bedingung aber auch so interpretieren, dass ein h¨oherer Zinssatz im Inland bei gegebenen Erwartungen eine Abwertung impliziert. Gehen wir der Einfachheit halber davon aus, dass zun¨achst der laufende Wechselkurs gleich dem erwarteten ist. Dann sind in- und ausl¨andischer Zinssatz gleich. Wenn nun E steigt, wird die Differenz zwischen erwartetem und laufendem Wechselkurs negativ. Dann muss der lokale Zinssatz steigen, da eine Abwertung erwartet wird. Folgen wir Blanchard, k¨onnen wir diesen Zusammenhang graphisch darstellen (vgl. Abb. 69). Diese Beziehung kann man nun dazu benutzen, den Wechselkurs zu bestimmen, wenn der Zinssatz bekannt ist. Dazu l¨osen wir die obige Beziehung



1 + i = (1 + i)



e E+1 E



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Abbildung 69: Der Zusammenhang zwischen Zins- und Wechselkurs bei gegebenen Erwartungen Zinssatz i 6

.... ....... ....... ....... . . . . . . ...... ....... ....... ....... ....... . . . . . . ....... ...... ....... ....... ....... . . . . . . ...... ....... ....... ....... ....... . . . . . . ...... ....... ....... ....... ....... . . . . . . ...... ....... ....... ....... ....... . . . . . . ...... ....... ....... ....... ....... . . . . . . .. ....... ....... ......

-

Wechselkurs (E)

nach E auf  E=

1+i 1 + i∗



e E+1 .

Wie sieht das IS-LM Modell mit Geldmarkt nun aus? Wir betrachten zun¨achst die einfache Variante, bei der Preise konstant und gegeben sind. Dann ist der nominale gleich dem realen Zinssatz. Außerdem sind dann nominale Wechselkurs¨anderungen gleich den realen Wechselkurs¨anderungen. Außerdem nehmen wir der Einfachheit halber an, dass das Preisverh¨altnis gleich eins ist P = P∗

Dann benutzen wir die Gleichung f¨ ur den Wechselkurs und bekommen das

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IS-LM Modell mit Kapitalverkehr:

1.

Output (Y )

Budgetidentit¨at

Y = C + I + NX

2.

Konsum (C)

Konsumfunktion

C = c0 + c1 Y

3.

Zinssatz (i)

Geldmarktgleichgewicht M/p = Y L (i)

4.

Investition (I)

Investitionsfunktion

I = I (i)

5.

Außenbeitrag (N X)

Handelsbilanz

N X = N X (Y, Y ∗ , E)

6.

Wechselkurs (E)

Zinsparit¨at

E=

1+i 1+i∗



e E+1

wobei wir der Einfachheit halber annehmen, dass i = r. Bestimmt werden C, Y , i, I, N X und E. Nun k¨onnen wir wie bisher ein IS-LM Diagramm hernehmen, um die Nachfrageeffekte und Geldmarkteffekte zu diskutieren. Dazu setzen wir 6 in 5 ein und das Ergebnis in 1.





 ∗ Y = C + I + NX  Y, Y ,





 1+i e  E +1  1 + i∗ {z } | E

mit 2 und 4 folgt 

  ∗ Y = c0 + c1 Y + I (i) + N X  Y, Y ,

  1+i e  E +1  . 1 + i∗ | {z } 

E

Dies impliziert die IS-Kurve. Gegen¨ uber dem Basismodell haben wir nun einen weiteren

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Zinseffekt auf den Aussenbeitrag. Da der Zinssatz n¨amlich den Wechselkurs beeinflusst, w¨ urde ein h¨oherer Zinssatz bedeuten, dass der Wechselkurs steigt. Dies wiederum f¨ uhrt zu einem Anstieg der Importe und einem R¨ uckgang der Exporte, der Außenbeitrag f¨allt und die Nachfrage geht zur¨ uck. Dieser Effekt f¨ uhrt f¨ ur sich genommen dazu, dass Zinsver¨anderungen st¨arkere Effekte auf die Nachfrage haben. Demnach w¨are die Steigung der IS Kurve flacher. Ob die Steigung der IS Kurve bei Außenhandel und Kapitalverkehr steiler ist h¨angt also von der St¨arke dieses Effekte im Vergleich zum oben diskutierten Importeffekt ab. Schauen wir uns den Effekt eines Nachfrageanstiegs und der Geldpolitik in den folgenden Schaubildern an.

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Heimischer Nachfrageanstieg im offenen Modell Zinssatz .... 6

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Zinssatz 6

... ... .... .... . . . . .... .... .... .... . . . . .... ... .... .... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... ... .... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... .... ... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... .... ... . . . . .... .... .... .... . . . . .... ....

-

-

Einkommen

Wechselkurs

Geldpolitik im offenen Modell Zinssatz .... 6

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Zinssatz 6

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-

Einkommen

-

Wechselkurs

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

11.4

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Fixe Wechselkurse

Wir haben bisher angenommen, dass die Wechselkurse flexibel sind. Das entspricht aber oft nicht den Fakten. Oft sind die Wechselkurse mehr oder weniger starr fixiert. Was ist die Konsequenz in unserem Fall? Wenn man die M¨arkte u ¨berzeugt, dass der laufende Wechselkurs gilt, sind die Zinsen einheitlich, wir haben eine vereinfachte Zinsparit¨at

i = i∗ .

IS-LM Modell mit fixem Wechselkurs 1.

Output (Y )

Budgetidentit¨at

Y = C + I + NX

2.

Konsum (C)

Konsumfunktion

C = c0 + c1 Y

3.

Zinssatz (i)

Geldmarktgleichgewicht M/p = Y L (i)

4.

Investition (I)

Investitionsfunktion

I = I (i)

5.

Außenbeitrag (N X)

Handelsbilanz

N X = N X (Y, Y ∗ , E)

6.

Zinssatz (i)

Zinsparit¨at

i = i∗

wobei wir der Einfachheit halber annehmen, dass i = r. Bestimmt werden C, Y , i, I und N X. E ist politisch bestimmt. Nun haben wir 6 Gleichungen und 5 Unbekannte: Das Modell ist offenbar u ¨berbestimmt. Die Implikationen erkennen wir am besten, indem wir einen Nachfrageanstieg diskutieren. Beim heimischen Nachfrageanstieg f¨ uhrt die Tendenz steigender Zinsen unmittelbar zu

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Aufwertungsdruck, den die Zentralbank durch die Hereinnahme fremder W¨ahrung gegen die eigene W¨ahrung neutralisieren muss. Die Konsequenz ist, dass die Reserven steigen und dass die Geldmenge steigt, bis das Zinsniveau wieder dem ausl¨andischen Zinssniveau entspricht. So hat der Nachfrageeffekt eine st¨arkere Wirkung.

Heimischer Nachfrageanstieg im offenen Modell bei fixem Wechselkurs Zinssatz .... 6

.... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . . ..... .. ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . ..... . .. ..... ..... ..... ..... ..... ..... .. ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . ..... . . . . ..... ..... ..... .... . . . ..... . . ..... . . . .. ... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . ..... . . . . . . ..... ..... . ..... ..... ..... ..... ..... ......... ..... ..... . ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .......... ..... ..... . . . . . . . . . . ..... ..... .... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .......... ..... ......... ........ ..... ..... ....... ........ ..... ..... ..... .......... ..... .......... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . . . . . . ..... . . ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . . . . . . ..... ..... ..... .... . ..... . . . . . . . . . ..... .... .......... . . . . . . ..... . . ... ... ........ . . ..... . . . . . . ..... ..... .... .... . . . . . . . ..... . . . ..... .... .... ..... . . . . . . . . . . . ..... ..... .... .... . . . . . ..... . . . . . . ..... ... ... . . . . . . . . . . . ..... .... .... . . . . . . . . . . . ..... .... .... . . . . . . . . . . . ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .....

2

1

3

Zinssatz 6

... .... .... .... . . . . .... ... .... .... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... ... .... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... .... ... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... .... ... . . . . .... .... .... .... . . . .. .... .... .... .... . . .... ....

-

Einkommen

-

Wechselkurs

Bei einer expansiven heimischen Geldpolitik f¨ uhrt die Tendenz sinkender Zinsen unmittelbar zu Abwertungsdruck, den die Zentralbank durch die Abgabe fremder W¨ahrung zugunsten der eigenen auff¨angt. Die Konsequenz ist, dass die Reserven fallen und dass auch die Geldmenge wieder f¨allt. Dieser Prozess h¨alt solange an, bis das Zinsniveau wieder dem ausl¨andischen Zinssniveau entspricht.

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

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Geldpolitik im offenen Modell bei fixem Wechselkurs Zinssatz .... 6

.... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . . ..... .. ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . ..... . .. ..... ..... ..... ..... . ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . ..... ..... . . ... ..... ..... . . . . . . . . . . ..... .. .. ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . . ..... . . . . .. ..... ........ ..... ..... ..... ..... ....... ..... ..... ..... ..... ..... .......... ..... . . . . . . . . . ..... .. ..... .......... ..... ..... ..... ..... ........ ..... ..... .. ..... ..... .......... . . . . . . . . ..... .. .. ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . . . . ..... . . .... .... ..... . . . . . . . . ..... .... .... . . . . ..... . . . . ... ... ..... . . . . . . . . ..... .... .... . . . . ..... . . . . ..... .... .... . . . . . . . . ..... .... .... . . ..... . . . . . . ..... ... ... . . . . . . ..... . . .... .... ..... . . . . . . . . .. .... .... . . . . . . . . .... .... . . . . . . . . ... ... . . . . . . . . .... .... . . . . . . . . .. .. ..... .....

1,3

2

Zinssatz 6

... ... .... .... . . . . .... .... .... .... . . . . .... ... .... .... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... ... .... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... .... ... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... .... ... . . . . .... .... .... .... . . . . .... ....

-

Einkommen

-

Wechselkurs

Zusammenfassend bekommen wir bei festen Wechselkursen eine Verst¨arkung der Nachfrageimpulse auf den Output, weil die Geldpolitik gleichsam gezwungen ist, expansiv zu sein. Die Geldpolitik erweist sich im Modell mit festen Wechselkursen als unwirksam. Bei flexiblen Wechselkursen kommt es stattdessen bei einem Nachfrageimpuls zu einem adversen Zinseffekt auf die Investitionen und einem aufwertungsbedingten R¨ uckgang der Auslandsnachfrage. Bei flexiblen Wechselkurs wirkt die Geldpolitik sehr stark auf den Output, einmal durch den Zinseffekt und zweitens durch die induzierte Abwertung und ¨ damit verbunden durch den Anstieg der Auslandsnachfrage. Die folgende kleine Ubersicht zeigt die Ergebnisse f¨ ur das kurzfristige Modell:

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

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Wechselkurs

flexibel

fest

Nachfrageimpuls

+

++

Geldpolitischer Impuls

+

0

Die Unwirksamkeit der Geldpolitik bei festen Wechselkursen und die automatische Expansion der Geldpolitik bei Nachfrageimpulsen resultiert aus der besonderen Eigenschaft des Modells, das nun u ¨berbestimmt ist. Wir sehen hier das Dilemma der Geldpolitik in einer offenen Volkswirtschaft: entweder wird eine eigenst¨andige Geldpolitik betrieben, oder es werden feste Wechselkurse festgelegt.

11.5

Die offene Volkswirtschaft bei Preisanpassungen

Bislang haben wir allerdings die Preisanpassung vernachl¨assigt. Welche Rolle spielen Außenhandel und Kapitalmobilit¨at, wenn die Preise flexibel sind? Zun¨achst bedeutet die mittlere Frist, dass die Bewegung im realen Wechselkurs nicht allein auf die Bewegung im nominalen Wechselkurs zur¨ uckzuf¨ uhren ist. Unsere Zinsarbitrage wird nun auch von der Preisentwicklung mitbestimmt. Verwenden wir den realen Zins und den realen Wechselkurs lautet die (reale) Zinsparit¨at.

1 + r = (1 + r∗ )

 e+1

.

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

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Machen wir wieder Gebrauch von unserer N¨aherungsformel gilt

r = r∗ −

e+1 −  . 

Nun k¨onnen wir das mittelfristige Modell bei flexiblem Wechselkurs wie oben bestimmen. AS-AD Modell mit flexiblem Wechselkurs

1.

Konsum (C)

Konsumfunktion

C = c0 + c1 Y

2.

Output (Y )

Budgetidentit¨at

Y = C + I + NX

3.

Zinssatz (r)

Geldmarktgleichgewicht M/p = Y L (r + π e )

4.

Investition (I)

Investitionsfunktion

I = I (r)

5.

Besch¨aftigung (N )

Produktionsfunktion

Y = AF (N, K)

6.

Preisniveau (p)

Preisfunktion

p = (1 + µ) w

7.

Lohnsatz (w)

Lohnfunktion

w = pe w (N/LS)

8.

Außenbeitrag (N X)

9.

Realer Wechselkurs ()

N X = N X (Y, Y ∗ , ) Zinsparit¨at

=

1+r 1+r∗



e+1

Bestimmt werden C, Y , r, I, N , p, w, N X und . Also 9 Unbekannte bei 9 Gleichungen. Gleichungen 1.-4. zusammen mit 8. und 9. liefern uns die AD-Kurve. Gleichungen 5.-7. liefern die AS-Kurve. Im Ergebnis unterscheidet sich das Modell von dem Modell der geschlossen Volkswirtschaft nur darin, dass die AD-Kurve auch von der

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 222

1. ausl¨andischen Nachfrage und deren Determinanten und den 2. Determinanten des realen Wechselkurses

bestimmt wird. Abbildung 70: Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht: AS-AD Preisniveau 6 ..... . ... ..... ... ... ..... ... .. ..... ... .. ..... . . ... ..... .. ... ..... .. ..... ... ..... ... .... ..... ... ... ..... ... .. ..... ... .. ..... ..... ... .. ..... ...... ..... ..... ....... . ..... . . ... ..... . . . . ..... .. .. ..... ... .. ..... ... .... ..... ... .... ..... . . ... ..... ..... .... ... ..... ... .... ..... ... .... ..... ... .... ..... . . . ... ..... ... ..... ... ... ....... ... . . ... .. ........ . . . ... ..... .. . . . ... . . ..... .... ... . .... . . . . . . ..... . ... .... . . . . . . . . ..... ..... ........ ..... . . . . . . . . ..... .... ........ .... . . . . . . . . . . . . ......... ........ ............... ....... ........ .... .......... ......... ........ ......... ... ...... ......... ........... . . ..... . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . ..... ... ............... ........... ..... ...................... ............ . . . . . . . . . . . ..... . . . ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................................................... ..... ..... .

-

Einkommen

In der Abbildung 70 habe ich nun nicht nur die u ¨bliche AS Kurve eingezeichnet, sondern auch die AS Kurve bei korrekten Preiserwartungen p = pe , die, wie wir von oben wissen, vertikal verl¨auft und zwar bei dem nat¨ urlichen Niveau des Output. Ich habe beide Kurven ¨ eingezeichnet, um den Ubergang von einem Gleichgewicht mit fehlerhaften Erwartungen zu einem Gleichgewicht mit korrekten Erwartungen darzustellen. Nehmen wir an, wir haben zun¨achst ein Gleichgewicht mit einem Output unterhalb des nat¨ urlichen Outputs. Dann ist offenbar das tats¨achliche Preisniveau kleiner als erwartete p < pe .

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 223

Warum ist das so? Das hatten wir oben schon diskutiert. Betrachten wir die AS Kurve:

 p = pe (1 + µ) w F −1 (Y, K) /LS .

Wenn p = pe ist Y = Yn bestimmt durch

 1 = (1 + µ) w F −1 (Yn , K) /LS .

Wenn p < pe gilt offenbar

 1 > (1 + µ) w F −1 (Y, K) /LS .

Der Lohnsatz ist hier also geringer. Da der Lohnsatz eine steigende Funktion der Besch¨aftigungsquote ist, muss die Besch¨aftigung offenbar geringer sein, so dass auch der Output unter dem Gleichgewichtsniveau ist. Wenn sich die Erwartungen also anpassen, sinkt die laufende Preiserwartung und die AS Kurve verschiebt sich nach unten bis das tats¨achliche Preisniveau gleich dem erwarteten ist. Das Gleichgewicht entspricht dann dem Gleichgewicht im Modell bei korrekten Erwartungen. Nun liegt also zumindest nach Anpassung der Preiserwartungen der Output fest auf dem Niveau Yn . Gegeben der Output, liegt der nominale Zins am Geldmarkt fest, wie wir von der LM Kurve wissen. Der reale Zins weicht mit der Fisher-Gleichung nur entsprechend der

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 224

Trendinflation vom nominalen Zins ab. Bei gegebener Trendinflation stehen also auch die Investitionen fest. Da nun alle Nachfragekomponenten bis auf den Außenbeitrag bestimmt sind, ergibt sich der Außenbeitrag aus der G¨ utermarktgleichgewichtsbedingung. Damit liegt schließlich auch der reale Wechselkurs fest. Wenn der reale Wechselkurs feststeht, impliziert das, dass sich die Entwicklung von Wechselkurs und Preisniveau entspricht. Denn

n =

pE . p∗

Dann gilt aber, E=

p∗ × n p

d.h., der Wechselkurs variiert proportional zur relativen Preisentwicklung. Diese Entwicklung deckt sich mit der bekannten These der Kaufkraftparit¨ at, wonach sich der Preis aller Komponenten des Sozialproduktes angleicht. Zwar ist der internationale Vergleich der Preise abseits von dem BigMac Index des Economist schwierig, der enge Zusammenhang zwischen Wechselkurs und relativer Inflation wird aber in der Regel best¨atigt. Die mittelfristige Fixigkeit hat gravierende Implikationen. Mittelfristig gilt aufgrund des konstanten realen Wechselkurses wieder die Neutralit¨at des Geldes. Die Geldpolitik hat dann nur Preiseffekte, die letztlich dann den nominalen Wechselkurs bestimmen. Wenn wir nun eine expansive Geldpolitik fahren, wird mittelfristig eine Abwertung folgen.

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

Abbildung 71: Wechselkurs und Kaufkraftparit¨at

AVWL II 225

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 226

Kurzfristig aber werden sich die Preise und der Output nur langsam anpassen, dann m¨ ussen der nominale Zinssatz und bei konstanten Preiserwartungen auch der reale Zinssatz fallen. Wenn aber die Zinsparit¨at gilt, kann ein Fall des Zinssatzes nur einhergehen mit einer Aufwertung des Wechselkurses. Wenn aber der Wechselkurs langfristig f¨allt, das Zinsniveau jedoch erst einmal eine Aufwertung induziert, bedeutet dies, dass der Wechselkurs ¨ kurzfristig noch st¨arker abf¨allt, als langfristig erforderlich. Dies ist das ber¨ uhmte Uberschießen des Wechselkurses im Dornbusch Modell (Dornbusch, R (1976), Expectations and Exchange Rate Dynamics, Journal of Political Economy 84 (6), 1161-1176). Es zeigt, dass starke Fluktuationen bei den Wechselkursen durchaus rational sein k¨onnen.

11.6

Wechselkurspolitik

Zwar steht das mittelfristige Ergebnis fest, dennoch betreiben die meisten Staaten mit eigener W¨ahrung eine Wechselkurspolitik in der einen oder anderen Form. Sie folgen einem bestimmten Wechselkursziel, sei es ein vereinbartes oder ein willk¨ urliches. F¨ ur beides gibt es Beispiele: EWS und Argentinien. Beim EWS wollte man Wechselkursschwankungen reduzieren und eignete sich darauf, jenseits gewisser Bandbreiten zu intervenieren. Im Falle Argentiniens fixierte man einseitig den Peso an den Dollar (Menem, 1991). Begrifflichkeiten zur Charakterisierung der Wechselkurspolitik gibt es viele:

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 227

1. W¨ahrungsunion (keine Wechselkurse, weil nur eine W¨ahrung) 2. Feste Wechselkurse (fixierte Kurse) 3. Bandbreiten (Freie Kurse innerhalb der Interventionsschranken) 4. Anbindung (peg) 5. Anbindung mit regelm¨aßiger Abwertung (crawling pegs) 6. Flexible Wechselkurse

In den F¨allen 2 bis 5 muss der Staat bereit, in mehr oder weniger großem Umfang im Devisenmarkt zu intervenieren. In diesen F¨allen beh¨alt sich der Staat vor, die Wechelkurse zu beeinflussen. Dazu hat konkret die Zentralbank die Mittel, sie kann n¨amlich direkt Devisen aufkaufen oder verkaufen. Letzteres setzt nat¨ urlich voraus, dass der Devisenbestand groß genug ist. Nun, warum tut die Zentralbank das?

1. Vermeidung von Wechselkursschwankungen. Wir haben gesehen, dass schon die reale Zinsparit¨at zahlreiche Erwartungen zur Bestimmung der Wechselkurse ber¨ ucksichtigt. Hier kommt es von daher zu massiven Fluktuationen und zu Unsicherheit. Dies ist eine vordergr¨ undige Motivation f¨ ur den EWS. 2. Glaubw¨ urdigkeit. Wir wissen schon, dass feste Wechselkurse die M¨oglichkeit zu einer eigenst¨andigen Geldpolitik verhindern. Insofern kann die Einhaltung eines gewissen

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 228

Wechselkurses geldpolitische Stabilit¨at signalisieren. 3. Konjunkturelle Gr¨ unde.

Schauen wir uns die Wechselkurspolitik im AS-AD Modell an. Wechselkurspolitik im AS-AD Modell

1.

Konsum (C)

Konsumfunktion

C = c0 + c1 Y

2.

Output (Y )

Budgetidentit¨at

Y = C + I + NX

3.

Zinssatz (r)

Geldmarktgleichgewicht M/p = Y L (i)

4.

Investition (I)

Investitionsfunktion

I = I (i − π e )

5.

Besch¨aftigung (N )

Produktionsfunktion

Y = AF (N, K)

6.

Preisniveau (p)

Preisfunktion

p = (1 + µ) w

7.

Lohnsatz (w)

Lohnfunktion

8.

Außenbeitrag (N X)

Handelsbilanz

w = pe w (N/LS)   N X = N X Y, Y ∗ , E pp∗

9.

nom. Zinssatz (i)

Zinsparit¨at

i = i∗ −

e −E E+1 , E

wobei wir Gebrauch von der Fisher Gleichung machen. Bestimmt werden C, Y , i, I, N , p, w und N X. E ist nun ein Instrument der Regierung. Erneut ist das Modell u ¨berdeterminiert, wenn der erwartete Wechselkurses gleich dem aktuellen ist. F¨ ur die Analyse nutzen wir das AS-AD Diagramm. Nehmen wir an, bei Wechselkurs E sind wir bei einer ¨ahnlichen Gleichgewichtskonstellation wie oben. Bleibt der nominale Wechselkurs wie er ist, kommt es zur Anpassung des realen Wechselkurses allein u ¨ber die

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 229

Preise. Wie wir oben gesehen haben, werden die Preiserwartungen in der Ausgangssituation zu hoch liegen und St¨ uck f¨ ur St¨ uck durch die Preisbewegung angepasst. Die Reduktion der Preiserwartungen ist aber, wie die Erfahrung zeigt, ein schmerzhafter Prozeß, weil die Lohnforderungen dann bei gegebenem Preisniveau niedriger ausfallen. Von daher besteht die Versuchung, die Geldmenge auszuweiten, oder direkt abzuwerten.

Expansive Geldpolitik bei Unterauslastung Preisniveau ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . ..... ... ..... ..... ..... ... ... ..... ..... ... ... ..... ..... ... ..... .. ..... ... ..... ..... .. . . ..... . . ..... ... ..... ..... ... ... ..... ..... ... ... ..... ..... ... ... ..... ..... ..... ... .. ..... ..... . . . ..... .. . ..... ..... ... .. ..... ..... .... ..... ...... ..... ..... .......... ..... .. .. ...... ..... ... ..... .......... . ..... . ..... .. ... ..... . . ..... . ..... ..... ..... ... ..... ..... ..... .... ..... .... ..... ... ..... . ..... . . . . ..... .. ..... .. . ..... . . ..... . ... ..... .. ..... . . . ..... . ..... .... ..... ..... ..... .. ..... .. ....... ..... . . .. ........ . .... . . . . .. ..... .. . . . . . . . . ..... ... .. .... . . . . . . . . . . .. ..... .. .... . . . . . . . . . . . . ..... ... ..... ...... ..... .. ..... ....... ..... .. ...... .......... ....... ........ ............ ....... . . . . ....... .. ..... . . . . ...... ...... ..... .......... . . . . . . . . . . . . . . ..... ...... ....... . . . . . . . . . . . ..... . ..... . . . . . . . ....... ..... ... ............... ... ............ ....................... ............. ..... ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ................................................................................... ..... ... ...

6

2

1

-

Einkommen

Nun, man kann nat¨ urlich auch eine Geschichte erz¨ahlen, wo der Staat den Wechselkurs nutzt, um kurzfristig die Konjunktur zu verbessern, obwohl vielleicht schon das Kapazit¨atsniveau des Outputs erreicht ist.

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 230

Expansive Geldpolitik bei Normalauslastung Preisniveau 6 ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ... .. ..... ..... .. ..... ... ..... ..... ..... ..... .. ..... .. ..... .. ..... ... . ..... . ....... ..... ... ...... ..... ..... ........... ... ..... ... ...... .. ..... .. . ...... . ..... . . . ..... . ..... .. ..... ..... ..... .. ..... ..... ... ..... ... ..... ..... ... .... ..... ...... ..... . . . . ..... .. .... ..... ..... ... .......... ..... ... ... ..... ..... ... ..... ... ..... ..... ... ..... ... . . ..... ..... . . .. .. ..... ..... . . . . ..... ... ..... .. . ..... . ..... . . .. ... ..... ..... . . ..... . ..... ... ... ..... ..... ... ... ..... ..... ..... ..... ....... . . . . . . . .. .... ........ . . . .. ... ........ . . . . ... ..... ..... ..... ... ..... ..... ... ...... ..... ..... ....... ..... ..... ....... . . . . . . ..... . ... ..... . ..... . . . . . . . ..... .... ..... . . . . . ..... . . . .. ..... ..... . . . . . . . . . . . . ..... ... ....... . . . . . ..... . . . . . . . . ...... ..... .... ....................... ... ... ... ... ... ..

2

1

-

Einkommen

Hier haben wir also im Prinzip die gleiche Situation wie schon im Modell der geschlossenen Wirtschaft, dass der Staat n¨amlich versucht sein k¨onnte, mit der Geldpolitik die Konjunktur anzukurbeln – auch wenn das letztlich nur zu Inflation f¨ uhrt.

11.7

Spektulative Attacken

Nun, eine wesentliche Beschr¨ankung der Wechselkurspolitik ist die Verf¨ ugbarkeit von W¨ahrungen und Devisen. Um dies zu verstehen, werfen wir einen Blick in die Bilanz der Zentralbank.

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 231

Zentralbankbilanz: Aktiva

Passiva

W¨ahrungsreserven

Geldbasis

Anleihen Die Zentralbank schafft Geld, indem sie Anleihen auf dem inl¨andischen Markt aufkauft und durch das gedruckte Geld finanziert. Dann verl¨angert sich die Bilanz und die Geldbasis steigt. Nehmen wir nun an, der Wechselkurs tendiert dazu, zu fallen. M¨oglicherweise eben weil die heimische Inflation recht hoch ist. Dann muss die Zentralbank zur St¨ utzung heimisches Geld gegen die Herausgabe von Reserven eintauschen. Dies w¨ urde die Geldbasis verringern. Erst wenn die Zentralbank im gleichen Atemzug neues Geld schafft, indem sie Anleihen kauft, bleibt die Geldbasis konstant. Dann f¨ uhren die St¨ utzungsk¨aufe dazu, dass die Bilanz immer weniger Reserven aufweist. Es ist klar, dass irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht wird. Dann sind die Reserven ersch¨opft. Die Investoren k¨onnen das nat¨ urlich schon vorher auf sich zukommen sehen. Sie werden also nicht so lange warten, sondern kurz vorher aussteigen. Der optimale Termin ist erreicht, wenn die Reserven nicht mehr ausreichen, die erwartete Abwertung aufzuhalten. Dann kommt es zu einer massiven Spekulation in Richtung einer kurzfristigen Abwertung. Solche Ph¨anomene haben sich in den 90’er Jahren mit dem Anwachsen der Kapitalmobilit¨at und dem Wegfall der Kapitalkontrollen weltweit immer wieder gezeigt: EWS 1992 mit Lira, Pfund, Peseta und Schwedischer Krone, Thailand und S¨ udostasien 1997, Argentinien 2002. Der erste spektakul¨are Fall der Lira ist in Abbildung 72 dargestellt:

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

Abbildung 72: Wechselkurs der Lira

Abbildung 73: Wechselkurs des Pfund

AVWL II 232

11. KAPITALVERKEHR UND WECHSELKURS

AVWL II 233

Kurze Zeit sp¨ater erfolgt ein Angriff auf das Pfund (vgl. Abbildung 73). Am 16. September 92 versuchte die Bank von England St¨ utzungsk¨aufe in einem Umfang von 20 MRD US Dollar, setze den Refinanzierungssatz auf 12 % und k¨ undigte 15 % an. Am Abend verließ das Pfund das EWS. Da der Zeitpunkt f¨ ur eine Attacke dadurch bestimmt ist, ob die erwartete Abwertung aufgehalten werden kann, liegt es auf der Hand, dass auch eine zun¨achst grundlose, sich selbst erf¨ ullende Spekulation eine solche Wechselkurskrise ausl¨osen kann. Nun gut, jetzt operieren wir innerhalb Europas in einer W¨ahrungsunion. Damit fehlt der Wechselkurs als Anpassungmittel. Wir haben sozusagen die geldpolitische Freiheit aufgegeben, um glaubw¨ urdig eine feste Wechselkurspolitik zu fahren. Die W¨ahrungsunion stellt ein Committment zu festen Wechselkursen dar.