1. Verkehrssicherungspflicht

Verkehrssicherungspflicht für Radverkehrsanlagen – Rechtliche Fragen aus Sicht eines Kommunalversicherers perfact training Referent: Assessor jur. ...
Author: Anke Pohl
12 downloads 2 Views 212KB Size
Verkehrssicherungspflicht für Radverkehrsanlagen – Rechtliche Fragen aus Sicht eines Kommunalversicherers

perfact training

Referent:

Assessor jur. Armin Braun GVV- Kommunalversicherung

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

1. Verkehrssicherungspflicht

• • • • • • •

keine gesetzliche Definition von Rechtsprechung entwickelt (vgl. nur beispielhaft zuletzt BGH, Urteil vom 02.03.2010 – VI ZR 223/09 -: „Glastürfall“) Anknüpfungspunkt: Verkehrseröffnung Vermeidung unerwarteter Gefahrenquellen Beherrschbarkeit der Gefahr Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer Verkehrssicherungspflichtiger muss nahe liegendes Fehlverhalten der Verkehrsteilnehmer berücksichtigen (vgl. hierzu nur beispielhaft BGH, Urteil vom 24.01.2002 – III ZR 103/01 -)

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

1

1. Straßenverkehrssicherungspflicht

• •

gesetzliche Regelung: in den einschlägigen Landesstraßen- bzw. Straßen- und Wegegesetzen, in Schleswig-Holstein § 10 StrWG SH inhaltliche Ausgestaltung Straßenverkehrssicherungspflicht maßgeblich durch Rechtsprechung geprägt:

• • • • •

Größe und Ausmaß der Gefahren maßgeblich Erkennbarkeit für Verkehrsteilnehmer

Erwartungshaltung der Benutzer Zumutbarkeit für den Pflichtigen keine Abwälzung des allgemeinen Lebensrisikos auf den Verkehrssicherungspflichtigen

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

2. Grundsätze VSP ggü. Radfahrern, insbesondere auf Radwegen • typische Fahrbahnvertiefungen mit einer Tiefe von bis

• • • •

zu etwa 5 cm von Radfahrern allerorts hinzunehmen typische Fahrbahnvertiefungen von mehr als 5 cm und z.T. ganz erheblichen Ausmaßen bei erkennbar schlechtem Gesamtzustand hinzunehmen dto. für typische Fahrbahnerhöhungen Erkennbarkeit maßgeblich:erhöhte Anforderungen an Radfahrersorgfalt (Sichtfahrgebot, Beleuchtungspflicht, verborgene Unebenheiten) generell hinzunehmen Unebenheiten jeder Art im Bankettbereich (abw.: OLG Koblenz, Urteil vom 04.03.2009 –1 U 1009/08–, GVV-Mitteilungen 3/2009, IV)

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

2

2. Grundsätze VSP ggü. Radfahrern, insbesondere auf Radwegen

• • • • •

weiterreichende Verkehrssicherungspflichten im Hinblick auf atypische Fahrbahnvertiefungen, mit denen Radfahrer nicht rechnen müssen gefährlich und verkehrswidrig: längs zur Fahrbahnrichtung verlaufende Einlaufroste, müssen quer zur Fahrbahn verlaufen Absperrpfosten auf Radwegen: rot-weißer Anstrich empfehlenswert keine erhöhten VSP ggü. Rennradfahrern für ausgeschilderten Radwanderweg gelten strengere Anforderungen als für normalen Weg

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

3. Einzelfälle Rechtsprechung VSP Radwege

• •



Radwegegestaltung: • LG Stuttgart, Urteil vom 14.08.2009 – 15 O 1067/09 Unebenheiten: • LG Fulda, Urteil vom 23.07.2003 – 4 O 31/03 – • LG Rostock, MDR 2005, 396 • OLG Celle, BADK-Information 1/2006, 50 = MDR 2005, 1110 • LG Essen, Urteil vom 14.07.2008 – 4 O 28/08 Hindernisse: • OLG Hamm, DAR 2002, 351

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

3

3. Einzelfälle Rechtsprechung VSP Radwege

• •



Bankett: • OLG Saarbrücken, MDR 2008, 145 Absperrpfosten: • LG Bonn, Urteil vom 31.08.2005 – 1 O 159/05 – • OLG Karlsruhe, BADK-Information 1/2008, 54 • OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.10.2009 – 1 U 91/09 – Sperrbügel: • LG Bad Kreuznach, Urteil vom 26.11.2010 – 2 O 190/10 – (noch nicht rechtskräftig, derzeit Berufungsverfahren OLG Koblenz anhängig)

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

3. Einzelfälle Rechtsprechung VSP Radwege

• •

Radwegekontrollen: • OLG Stuttgart, Urteil vom 18.10.1995 – 1 U 54/95 Radfahrer auf Leinpfad: • LG Bonn, Urteil vom 16.12.2009 – 1 O 234/09 -, bestätigt durch Hinweisbeschluss OLG Köln, der zur Berufungsrücknahme führt

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

4

Ausweisung von Radwegen •

Unterhaltung und Kontrolle der Wege



Beseitigung von Gefahrenstellen



ordnungsgemäße Beschilderung

• • •

Sicherungspflichten für überörtlichen Träger des Erholungsverkehrs nur im Rahmen der Verkehrseröffnung durch Ausweisung, Markierung und Beschilderung normale Verkehrssicherungspflicht für Grundstückseigentümer entsprechend Verkehrsbedeutung keine erhöhte Verkehrssicherungspflicht für Grundstückseigentümer nach Ausweisung als Radwanderweg

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

4. Exkurs: Radwege auf Wirtschaftsoder Waldwegen • • • • • • • •

nur geringe Anforderungen an VSP Eigenvorsorge Verkehrsteilnehmer im Vordergrund auf Wirtschaftswegen Schlaglöcher auch erheblichen Ausmaßes (10-12 cm) hinnehmbar auf Wirtschaftswegen starke Verschmutzungen als typisch hinzunehmen Interessenkollision landwirtschaftlicher Verkehr und Radverkehr bei Doppelnutzung von Wirtschaftswegen durch Landwirtschaft und Radfahrer: haftungsrechtlich unproblematisch OLG Frankfurt, Urteil vom 02.02.2001 – 8 U 64/98 -: Ausweisung Wirtschaftsweg als Radweg in Radwegplan-Freizeitkart e auf Waldwegen nur Schutz vor atypischen Gefahren Mountainbikestrecken auf Waldwegen

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

5

5. Straßenbeleuchtungspflicht • •



generell keine Pflicht zur „Rund um die UhrBeleuchtung“ aller Wege maßgeblich: • Verkehrsbedeutung (bei Dunkelheit) • Gefahrenpotential für Verkehrsteilnehmer zur Straßenbeleuchtungspflicht Radwege: vgl. OLG Hamm, r+s 1997, 15; OLG Köln, Urteil vom 04.12.1997 – 7 U 124/97 -

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

6. Straßenreinigungspflicht •

OLG Hamm, Urteil vom 09.12.2005 – 9 U 170/04 -: Herbstlaub



OLG Koblenz, Urteil vom 28.10.1998 – 1 U 1498/97 -: Holzsteg im Außenbereich auf Rad- und Wanderweg



OLG Hamm, BADK-Information 4/1996, 136: Sandund Splittgemisch

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

6

7. Winterdienst: Grundsätze • •

• • • •

Streupflicht nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen (vgl. nur beispielhaft OLG Koblenz, Beschluss vom 09.02.2005 – 1 U 1299/04 -) keine Notwendigkeit, im Winter mit dem Fahrrad jede Straße befahren zu können Witterungsbedingte Beeinträchtigungen der Benutzbarkeit sind hinzunehmen (OLG München, Urteil vom 28.03.1985 - 1 U 2205/85 -;OLG Celle, Urteil vom 28.04.1982 – 9 U 200/81 - = BADK-Information 4/1987, 67) keine höheren Anforderungen als für Fahrbahnbenutzung durch KFZ (OLG Celle, NJW-RR 2001, 596) Radwege sind, da sie zur Fahrbahn zählen, nur an gefährlichen Stellen zu streuen(OLG Hamm, Urteil vom 25.06.1991 – 9 U 176/90 -) Zum Winterdienst auf Radwegen ausführlich Bittner, VersR 2004, 440 = GVV-Mitteilungen 4/2003, VIII

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

7. Winterdienst: kombinierter Geh- und Radweg



Radfahrerin im Dezember mit Fahrrad bei Eisglätte auf kombiniertem Geh- und Radweg unterwegs • Sturz in leichter Rechtskurve, weil Weg nicht hinreichend gestreut • Beinbruch mit 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit • Arbeitgeberin, die während Krankheit Lohn weiterzahlen musste, verklagt streupflichtige Gemeinde (Sachverhalt nach BGH, Urteil vom 09.10.2003 – III ZR 8/03-, GVV-Mitteilungen 4/2003, V; Vorinstanz: OLG Oldenburg, Urteil vom 06.12.2002 – 6 U 150/02-, MDR 2003, 454) Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

7

7. Winterdienst: kombinierter Geh- und Radweg

• •



Klagestattgabe durch LG Oldenburg Klageabweisung durch OLG Oldenburg:

• • •

keine gefährliche Stelle +

Radfahrer hier nicht geschützter „Dritter“ nicht vom Schutzbereich der Norm (Streupflicht) erfasst

Aufhebung + Zurückverweisung durch BGH:

• • •

Benutzungsgebot für Radfahrer Radfahrer hier ebenso schutzwürdig wie Fußgänger (Gleichbehandlung) weitere Sachaufklärung erforderlich zu Kausalität Streupflichtverstoß für Unfall + ggf. Mitverschulden

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

8. Haftungsfreistellungsvereinbarungen



• • •

Kommunale Gebietskörperschaften können bei Ausweisung von Radwanderwegen private Wegeeigentümer von der Haftung Dritten gegenüber freistellen (Mustervereinbarung BADK-Information 3/2008, 127 und BADK-Sonderheft „Haftungsrechtliche Organisation im Interesse der Schadenverhütung“ 2011, 59) Voraussetzung: tatsächliche Übernahme der Verkehrssicherungspflicht Konsequenz: Versicherungsschutz im Rahmen der Allgemeinen Haftpflichtversicherung bei der GVVKommunalversicherung, da dieses Risiko dort ohne besonderen Beitrag mit eingeschlossen ist bei anderen Haftpflichtversicherern: informieren!

Fachtagung Radverkehr Schleswig-Holstein am 27.10.2011 in Mölln

8